Stefan Sprenger, Redaktor.
Morgens, halb elf, im Freiamt. Beschwingt geht die Tür auf. Beschwipst ist der ältere Herr, der sie öffnet. «Guten Rutsch», meint er zur Verabschiedung und es fliegen mir noch ein paar ...
Stefan Sprenger, Redaktor.
Morgens, halb elf, im Freiamt. Beschwingt geht die Tür auf. Beschwipst ist der ältere Herr, der sie öffnet. «Guten Rutsch», meint er zur Verabschiedung und es fliegen mir noch ein paar Speichelbröcklein entgegen. Das Gespräch war superlustig, dauerte natürlich etwas länger als hier geschildert – aber wird aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht detaillierter erklärt. Geschehen ist diese Begegnung vor wenigen Tagen. Zwischen Weihnacht und Neujahr, wo das Raum-Zeit-Kontinuum zu torkeln scheint. Denn irgendwie weiss niemand mehr so genau, welcher Tag eigentlich ist. Da kann es dann auch mal passieren, dass man morgens schon angeheitert ist. Das Leben ist unergründlich.
Gründlich sind hingegen die Jahresrückblicke in diesen Tagen. Tote, Hungersnot, Armut. Eine Rückschau auf 365 Tage voller Krieg, Katastrophen, Terror. Das tue ich mir nicht an. Nicht nochmals. Dass ein oranger Mann namens Donald wieder ins Weisse Haus gewählt wird – und dieses Mal sogar einen verrückten Tech-Milliardär an seiner Seite hat – ist im Jahr 2024 schon fast ein Slapstick-Highlight.
Ein Highlight in diesen Tagen war für mich eine Metapher von Hiroyuki Sanada (kein Philosoph, sondern Schauspieler). «Manche wünschen sich einen Pool im Garten. Diejenigen, die einen Pool haben, benutzen ihn kaum.» Anders gesagt: Wer Hunger hat, würde alles für einen Teller Essen geben. Und wer genug zu essen hat, nörgelt über den Geschmack. Sanada sagt: «Der Schlüssel ist, dankbar zu sein, innezuhalten, um zu sehen, was wir besitzen, und zu verstehen, dass irgendwo jemand alles dafür geben würde, was du bereits hast und vielleicht nicht zu schätzen weisst.» Ihr Zuhause ist der Traum jedes Obdachlosen. Ihr Job ist der Traum jedes Arbeitslosen. Ihr kleines Kapital ist der Traum jedes Menschen, der Schulden hat. Und ihre Gesundheit ist der grösste Wunsch jedes kranken Menschen.
Ich wünsche Ihnen zum neuen Jahr also keinen speichlig-guten Rutsch, keinen Pool und erst recht keinen Jahresrückblick. Sondern nebst viel Gesundheit ebenjene Dankbarkeit, damit man wieder mehr zu schätzen weiss, was einem manchmal selbstverständlich erscheint, es aber keinesfalls ist. So kann kann 2025 eigentlich nur gut werden.