Preisgekrönter Einsiedler
31.12.2024 BremgartenBesonderes Jahr
Der Bremgarter Lehrer Reto Hugenberg begab sich 2024 auf eine grosse Weltreise. Doch nicht nur deshalb war das abgelaufene Jahr ein ganz Spezielles für ihn. Seine Geschichte lesen Sie in dieser Ausgabe. Genauso, wie diejenigen weiterer Menschen der Region für die ...
Besonderes Jahr
Der Bremgarter Lehrer Reto Hugenberg begab sich 2024 auf eine grosse Weltreise. Doch nicht nur deshalb war das abgelaufene Jahr ein ganz Spezielles für ihn. Seine Geschichte lesen Sie in dieser Ausgabe. Genauso, wie diejenigen weiterer Menschen der Region für die 2024 ein ganz besonderes Jahr war und die für uns zurückblicken. --huy
Menschen mit einem besonderen Jahr: Reto Hugenberg, Bremgarter Lehrer und Volkshochschulpräsident
Eigentlich ist er am liebsten allein. Und doch zeichnet sich Reto Hugenberg durch so viel Engagement für die Gesellschaft aus wie kaum jemand sonst. Dafür erhielt der Bremgarter dieses Jahr einen besonderen Preis. Längst nicht nur deshalb war für ihn 2024 ein ganz spezielles Jahr.
Marco Huwyler
Reto Hugenberg hat in diesem Jahr die 5000. Postkarte eines zufälligen Fremden erhalten. Wobei er ebenso viele an zufällige Fremde auch verschickt hat. «Postcrossing» nennt sich das Ganze, organisiert sich via Internet, und ist ein grosses Hobby des Bremgarter Lehrers. «Es ermöglicht mir unglaublich viele spezielle flüchtige Begegnungen mit Leuten aus aller Welt», sagt Hugenberg. Die Community aus 248 Ländern tauscht sich auch über Foren aus und misst seine Aktivität unter sich. Der Bremgarter ist dabei unter den Top 15 der Schweiz. Die 5000 ist für ihn ein schönes Jubiläum. «Und deshalb ein grosses persönliches Highlight 2025. Aber ich bin mir bewusst, dass dies für die Aussenwelt nicht das Spannendste aus meinem Jahr war», lacht Hugenberg.
Eine grosse Ehre – fast ein bisschen zu gross
Da sticht anderes hervor. Ganz besonders jene Ehre, die Hugenberg am 13. September zuteil wurde. Als erster Bremgarter seit fünf Jahren erhielt er den Ducrey-Preis. Eine Auszeichnung, die im Städtli nur unregelmässig an aussergewöhnliche Pädagogen verliehen wird, wenn sie sich durch besondere Leistungen an der Allgemeinheit hervorgetan haben.
Hugenberg hat die Stiftungsräte des traditionsreichen Fonds durch sein jahrelanges aufopferungsvolles Engagement in der Kinder- und Erwachsenenbildung überzeugt. Denn er ist nicht nur seit vielen Jahren anerkannter und hochgeschätzter Bez-Lehrer, der sich immer wieder auch ausserhalb des schulischen Alltags in Projekten und Lagern engagiert, sondern auch Bremgarter Volkshochschulpräsident, der als solcher einiges bewirkt hat. Die Kurse für Erwachsene, die ihren Horizont erweitern wollen, sind so zahlreich und gut ausgelastet wie nie zuvor. 2024 fand die Schweizer Volkshochschulversammlung in Bremgarten statt. Ein Jahr also auch, das den guten Ruf der Volkshochschule unter Hugenberg nochmals zementierte.
Der Ducrey-Preis an ihn kam deshalb gewiss zum genau richtigen Zeitpunkt. Die Reaktionen seien überwältigend gewesen, berichtet der Geehrte. «Ich habe anschliessend wahnsinnig viele Nachrichten erhalten – auch von Leuten, von denen ich jahrelang nichts mehr gehört hatte.» Diese Zeitung widmete ihm die Titelseite. Hugenberg war in aller Munde. «Es war mir fast ein wenig unangenehm», lächelt dieser. Denn eigentlich ist das Rampenlicht so gar nicht seine Welt. «Von meinem Wesen her bin ich ein Einzelgänger», sagt er. «Und man braucht mich überhaupt nicht deswegen zu bemitleiden – ich möchte das so. Es entspricht mir am meisten. Das Leben hat es mir gelehrt.»
Weltreise mit 27 Stationen
Deshalb kam ihm nach all dem Preisverleihungs-Trubel die anschliessende Weltreise fernab von allen Bekannten gerade recht. Hugenberg freute sich schon lange auf den Herbst 2024. Auf sein Dienstaltersgeschenk zusätzlicher Ferientage, welche die siebenwöchige Reise möglich machte. Ein Abenteuer, ganz alleine durch 4 Kontinente, 14 Länder und 27 Destinationen. Eine Reise der Verdichtung und der Extreme auch. Alle Temperaturzonen, alle möglichen Verhältnisse, alle zwei Tage ein Standortswechsel. Von Schnee bis zu tropischen Verhältnissen und 35 Grad. «Mir haben viele gesagt, dass ich mir damit zu viel zumute», sagt Hugenberg. Doch der Bremgarter wusste von Beginn weg – dem ist nicht so. «Ich mag das. Denn beim Reisen bin ich voll in meinem Element.» Hugenberg saugt die vielen neuen Eindrücke und Erlebnisse förmlich in sich auf. Beim Globus-Erkunden zwischen den unterschiedlichsten Kulturen und Landschaften fühlt er sich wohl. Er, der Lehrer für Räume, Zeiten, Gesellschaften (RZG), wie man das heute nennt (früher Geschichte und Geografie). Es ist seine Berufung und Leidenschaft zugleich.
Auf Hugenbergs Reiseliste standen Grossstädte wie New York. «Denn dahin treibt mich die Neugier.» Doch wirklich gefallen tut es ihm dort, wo sonst nicht viele sind. In den schönsten Einöden dieses Planeten. «Wo scheinbar nichts ist, bin ich am glücklichsten», sagt er. Zumal sich das vermeintliche Nichts oft als zauberhaft entpuppt.
Im schwankenden Hochhaus
Über 6000 Fotografien hat der Bremgarter Lehrer auf seiner Weltreise angefertigt. Auf nur 2 Fotos ist er selbst drauf. Der Rest ist ein Sammeln und Festhalten von Eindrücken, Momenten und Landschaften. Menschen sind dabei sekundär. Wie überhaupt, wenn Hugenberg reist. «Ich habe sehr viele Kontakte geknüpft», sagt er. «Aber dabei kaum jemanden kennengelernt.» Vielmehr sind es Erlebnisse, die haften bleiben. Magische Momente alleine. Beispielsweise jene morgens um 5 Uhr im amerikanischen Yellowstone National Park. «Plötzlich stand da ein Bison vor mir. Und zeitgleich brach der weltberühmte Old Faithful Geysir dahinter aus. Wenn du so etwas erleben und sogar fotografieren kannst, dann denkst du einfach ‹wow› – und bist glücklich», lächelt Hugenberg.
Aber auch Momente des klammen Bangens gehörten zu seiner Weltreise. So war Hugenberg just dann in Taiwans Hauptstadt Taipei, als Kong-Rey – der stärkste Taifun seit über 50 Jahren – über das Land fegte. «Bei uns im Westen war das bloss deshalb nicht so ein grosses Thema, weil zeitgleich die schlimmen Überschwemmungen in Spanien stattfanden», erzählt Hugenberg. Doch auch über 10 000 Kilometer weiter östlich war die Lage in jenen Tagen dramatisch. Hugenberg durfte während des Wirbelsturms 24 Stunden lang sein Hotel nicht verlassen. «Das Gebäude im 10. Stock hat richtig geschwankt», berichtet er.
Die Welt selbst erleben und erkunden
Schlussendlich sind es aber primär Eindrücke fernab von Wolkenkratzern, die in seinen Erinnerungen haften bleiben. Erlebnisse in den Weiten der Natur und mit wilden Tieren und atemberaubend schönen Landschaften auf sämtlichen Kontinenten. «Momente der vollkommenen Freiheit», wie sie Hugenberg auch nennt.
Er durfte eine 2024 Reise verwirklichen, die seinen unstillbaren Hunger, die Welt mit seinen eigenen Augen kennenzulernen – selbst zu sehen, ob er sie auch so wahrnimmt, wie sie in den Büchern, Filmen und Überlieferungen dargestellt wird –, ein Stück weit sättigte.
«Ich brauche so was von Zeit zu Zeit», sagt er. «Es ist mein Ausgleich, um danach in unserem kleinen Bremgarter Kosmos wieder 100 Prozent an allen Fronten geben zu können.» So kommen die sieben Wochen alleine quer durch den Planeten schlussendlich wieder auch anderen zugute. Primär Hugenbergs Schülern. Einerseits weil dieser seine Batterien wieder voll aufladen konnte. Andererseits ist das Erlebte natürlich ideal für einen RZG-Lehrer, dessen Aufgabe es ist, seinen Schützlingen die Welt und ihre Bewohner in all ihren Facetten und ihrer Komplexität näherzubringen.
Seine Mischung gefunden
Sein spannender, engagierter, humorvoller und einfühlsamer Unterricht dürfte deshalb auch künftig für ganz viel Anerkennung bei Schülern, Elternschaft und sonstigen Betroffenen sorgen. Anerkennung, die der Bremgarter schätzt, die er aber nicht in jedem Jahr im gleichen Masse wie 2024 braucht. Still und leise ist sie ihm eigentlich am liebsten. Überhaupt braucht er nicht viel mehr als die Nähe zu seinen Allerengsten. Auch diesbezüglich sei das abgelaufene Jahr ein besonderes gewesen, sagt er. Die Eltern sind zu ihm in die unmittelbare Nähe gezogen. Als Familie ist man nochmals zusammengerückt.
Hugenberg hat für sich und seine Umwelt für den Moment die ideale Mischung gefunden zwischen Alleingängertum und gemeinschaftlichem Geben und Nehmen. 2024 mag für ihn ein besonderes Jahr gewesen sein – doch noch viele besondere dürften folgen. Für Hugenberg selbst und all die vielen Menschen, denen er das Leben bereichert. Sei es durch Unterricht, Unterstützung, Rat – oder auch nur durch die Freude, die eine erhaltene Postkarte mit sich bringt.