Plötzlich ist es still
20.06.2023 Radsport, SportTrauer statt Sport
Tod von Gino Mäder überschattet Tour de Suisse
Die Etappe der Tour de Suisse mit Ziel in Oberwil-Lieli wurde abgesagt und durch eine Trauerfahrt für Gino Mäder ersetzt.
Am vergangenen ...
Trauer statt Sport
Tod von Gino Mäder überschattet Tour de Suisse
Die Etappe der Tour de Suisse mit Ziel in Oberwil-Lieli wurde abgesagt und durch eine Trauerfahrt für Gino Mäder ersetzt.
Am vergangenen Donnerstag stürzt der Schweizer Radprofi Gino Mäder auf der Königsetappe der Tour de Suisse und verletzt sich schwer. Am Freitagmorgen wird bekannt, dass er seinen Verletzungen erlegen ist. Ihm zu Ehren fahren die Radsportler die letzten 30 km nach Oberwil-Lieli. Schweigend und andächtig überqueren sie die Ziellinie. Trotz grosser Trauer, sind viele Menschen vor Ort in Oberwil-Lieli. --red
Die Tour de Suisse kam schweigend nach Oberwil-Lieli
Vor sieben Jahren fand der erste Kontakt mit der Tour de Suisse statt. Geplant und erhofft war ein grosses Volksfest für Radsportfreunde. Doch das Schicksal schlug erbarmungslos zu.
Alexander Wagner
Normalerweise sprinten die Radprofis im Endspurt mit letzter Kraft, es werden auch mal die Ellenbogen ausgefahren. Dabei wird um jeden Platz und Zentimeter gekämpft. Bei der Zielankunft der Tour de Suisse in Oberwil-Lieli war aber alles anders: Am Freitagmorgen wurde bekannt, dass der Schweizer Radprofi Gino Mäder seinen schweren Verletzungen erlegen ist, die er sich bei einem Sturz auf der Königsetappe einen Tag zuvor zugezogen hatte. So fuhr das Team der Schweizer Radsporthoffnung geschlossen und schweigend gemeinsam über die Ziellinie. Der eine oder andere schickte einen Gruss in den Himmel oder bekreuzigte sich. Das zahlreich erschienene Publikum schwieg zuerst andächtig, dann gab es einen respektvollen Applaus. Kurz dahinter kam das geschlossene Feld, das ebenfalls schweigend die letzten Meter absolvierte.
Nur Trauer
Nach der Ziellinie spielten sich herzzerreissende Szenen ab. Ein stämmiger, bärtiger Motorradfahrer des Begleittrosses nahm seinen Helm ab und nahm eine Betreuerin in den Arm, während beiden die Tränen über die Wangen kullerten. Es war weiterhin still. Kein Jubel, kein Trubel, keine aufgescheuchten Fotografen oder Autogrammjäger. Der Tross machte sich alsbald von dannen. Es gab keine Siegerehrungen, keinen Jubel und schon gar keinen Champagner. Nur Trauer.
Das war fast das Einzige, was halbwegs planmässig ablief: Denn auch ohne den tragischen Schicksalsschlag, der die ganze Radsportgemeinde hart getroffen hat, wäre die Tour de Suisse weitergezogen, da der Start am nächsten Tag ohnehin nicht auf dem Mutschellen geplant gewesen wäre. Das Team von Gino Mäder beendete nach der Gedenkfahrt für seinen verstorbenen Kollegen die Tour und zog sich ganz zurück.
Trotzdem viele Zuschauer
Bereits drei Stunden vor der ursprünglich geplanten Zieleinfahrt waren sehr viele Leute in Oberwil-Lieli. Die Parkplätze waren voll, die Gümmeler-Bar und sämtliche Sitzgelegenheiten waren besetzt. So mussten fleissige Helfer noch eilig zusätzliche Bänke und Tische aufstellen. Doch auch die waren in Windeseile besetzt. Das Team um OK-Präsident Manuel Villiger hat ganze Arbeit geleistet. Genau wie Gemeinderat Stefan Strebel, der als Chef Bau im OK mitarbeitet. Und er hatte wahrlich ein Heimspiel, mehr geht nicht: Die Ziellinie war knapp 200 Meter von seinem Elternhaus entfernt.
Wie viele Zuschauer in Oberwil-Lieli waren, weiss niemand genau. «Es ist schwierig abzuschätzen. Ob gewisse Leute nicht gekommen sind oder ob einige extra angereist sind. So nach dem Motto, jetzt erst recht, um Gino Mäder die letzte Ehre zu erweisen», erklärt Villiger.
Sieben Jahre Vorlaufzeit
Auch er wirkte sehr nachdenklich, wie die meisten im Zielgelände. Nur einige Kinder machten unvermindert Jagd auf die blauen Mützen, welche ein Sponsor verteilte, oder suchten an den vielen Ständen nach weiteren Schätzen. «Wir sind in Gedanken bei Gino Mäder. Es ist tragisch. Er war ein junger, vielseitiger Radprofi mit sehr viel Potenzial. Und jetzt ist er von uns gegangen», erklärte der OK-Präsident.
Die erste Idee, in Oberwil-Lieli eine Etappenankunft der Tour de Suisse zu organisieren, entstand vor sieben Jahren. Bereits vor drei Jahren wurde das OK gegründet und seit einem Jahr haben sie regelmässig Sitzungen, um den Anlass zu planen. Ein Anlass, der natürlich jetzt ganz anders über die Bühne ging als erhofft und geplant. Villiger hat die schreckliche Nachricht erst beim Mittagessen mit seiner Familie erfahren.
«Es ist schon eine gewisse Enttäuschung für die viele Arbeit», meinte er ehrlich. Und die Arbeit ging eigentlich unmittelbar nach der Zieldurchfahrt weiter. Zivilschützer und viele Helfer räumten in Windeseile die Hunderten von Absperrgittern weg. Auch die grossen Lastwagen mit dem ganzen Werbematerial und dem technischen Equipment für die Liveübertragung verschwanden sehr schnell aus Oberwil-Lieli. Zurück blieben nur noch die vielen Zuschauer, welche weiterhin in der Gümmeler-Bar und den Aussenständen in der Abendsonne sassen und über den tragischen Unglücksfall oder den Radsport diskutierten.
2006 war in Bremgarten das letzte Mal ein Etappenort der Tour de Suisse im Freiamt. Es bleibt den Organisatoren zu wünschen, dass sie noch einmal die Schweizer Rundfahrt auf dem Mutschellen begrüssen dürfen. Unter fröhlicheren Umständen – und gerade im Gedenken an Gino Mäder. «Er hätte es sicherlich so gewollt», meinte Michael Albasini, der ehemalige Schweizer Nationaltrainer, stellvertretend.