«Plötzlich hörte ich ein lautes Poltern»
08.08.2023 BremgartenEine dumme Tat mit Folgen
Vano Soleymani ist es sich vor Showtagen gewohnt, wenig zu schlafen. Schliesslich will eine Lasershow in der Nacht vor dem Spektakel minutiös vorbereitet sein. Dass er gar nicht mehr ins Bett kommt, wie am 1. August in Bremgarten, ist jedoch ...
Eine dumme Tat mit Folgen
Vano Soleymani ist es sich vor Showtagen gewohnt, wenig zu schlafen. Schliesslich will eine Lasershow in der Nacht vor dem Spektakel minutiös vorbereitet sein. Dass er gar nicht mehr ins Bett kommt, wie am 1. August in Bremgarten, ist jedoch selten. Schuld daran: ein Vandale, der mit seiner Tat zum Improvisieren zwang. Und der nicht nur für einen immensen Schaden sorgte, sondern auch dafür, dass viele im Städtli leise enttäuscht waren vom Gebotenen. --huy
Ablauf und Auswirkungen des Vandalenakts im Vorfeld der Bremgarter 1.-August-Lasershow
Seit über 20 Jahren ist Vano Soleymani in der Veranstaltungsbranche tätig. Mit seiner Nova Event Group organisiert er Lasershows und sonstiges Spektakel in aller Welt. Doch Widrigkeiten, wie sie ihm in Bremgarten vor einer Woche widerfahren sind, hat er dabei noch nie erlebt.
Marco Huwyler
Es ist die Nacht auf den 1.August. Die Uhr hat mittlerweile bereits die 3-Uhr-Marke überschritten. Vano Soleymani und sein Mitarbeiter arbeiten bereits seit Stunden an dem, was am Abend dann dem Schweizer Geburtstag zu Ehren die Bremgarterinnen und Bremgarter verzaubern soll. Die Nova Event Group wurde damit beauftragt, im Reussstädtchen eine Lasershow auf die Beine zu stellen, die heuer erstmals statt eines Feuerwerks stattfindet. Soleymani und sein Team haben sich wochenlang auf die Gegebenheiten in Bremgarten vorbereitet. Die Show auf die Verhältnisse hier adaptiert. Unter anderem wollen sie die Eisenbahnbrücke als Projektionsfläche nutzen. Neben den Vorarbeiten, die vom Computer aus erledigt werden konnten, steht nun noch die Feinjustierung der zum Einsatz kommenden acht Laseranlagen an. Eine penible und aufwendige Arbeit, bei denen Millimeter entscheidend sind. Doch als sie fast schon an den letzten Anpassungen sind, erhalten die beiden Techniker unliebsamen Besuch.
Herr Soleymani – schildern Sie uns doch kurz, was sich in der Nacht auf den 1. August in den frühen Morgenstunden ereignete.
Vano Soleymani: Wir waren noch zu zweit. Die restlichen meiner Mitarbeiter waren bereits schlafen gegangen. Je einer auf beiden Seiten der Reuss probten wir die letzten Show-Elemente und nahmen die feinen Anpassungen vor, die man nur vor Ort und beim Visualisieren bei Dunkelheit erledigen kann. Dann hörte ich plötzlich ein lautes Poltern. Zu Beginn habe ich mir gedacht, dass wohl mal wieder jemand irgendwo einen Böller gezündet hat. Doch dann hat mir mein Kollege von der Casino-Seite aus gefunkt, dass er eine Person bei unseren Laseranlagen auf dem Reussuferweg hantieren sehe (dieser war zur Vorbereitung auf die Lasershow vom 31. Juli an gesperrt, Anm. d. Red.). Ich war zu dem Zeitpunkt am anderen Ende, in der Nähe des «Bijou», und bin sofort in Richtung Holzbrücke gerannt, wo die Geräusche herkamen.
Was haben Sie dort angetroffen?
Einen jungen Mann, der offensichtlich seinen Frust an unseren Lasern ausliess. Natürlich wurde ich meinerseits wütend und habe ihn angeschrien. Dann ist er davongerannt. Ich hinterher. Bei der Absperrung unter der Eisenbahnbrücke konnte er schliesslich nicht mehr weiter. Zu zweit – mein Kollege war mittlerweile auch herübergeeilt – haben wir ihn dann festgehalten und mit dem Geschehenen konfrontiert.
Wie hat er sich da verhalten?
Eigentlich schnell sehr kooperativ. Obwohl er offensichtlich alkoholisiert war, hat der Mann schnell eingesehen, dass er gerade einen «Riesenseich» gemacht hatte. Während wir auf die Polizei warteten, sassen wir zusammen auf einem Bänkli und bereits da hat er sich ausschweifend entschuldigt.
Was waren denn die Gründe für die Tat?
Der junge Mann befand sich in einem emotionalen Ausnahmezustand. Schmerzhafte negative Gefühle, für die er in diesem Moment ein Ventil suchte.
Dass es die Lasershow betraf, war demnach Zufall?
Ja. Im Moment der Tat war es ihm völlig einerlei, was da für ein Objekt stand, an dem er seinen Frust ausliess. Es hätte auch ein Kochtopf sein können (lacht). Sein und unser Pech, dass es sich aber um eine Laseranlage mit einem Anschaffungswert von 85 000Franken handelte. Einer unserer präzisesten, neusten und wertvollsten Laser überhaupt.
Und der erlitt Totalschaden?
Auf die Schnelle war er jedenfalls nicht mehr zu reparieren. Wir haben versucht, ihn wieder einzuschalten. Da hat er bloss gequalmt. Für die Show am Folgeabend natürlich eine Katastrophe.
Was hatte der Ausfall für Auswirkungen darauf?
Ganz abgesehen davon, dass wir diesen Laser nicht kompensieren können – davon gibt es nur wenige auf der Welt und von der Anschaffung bis zur Inbetriebnahme vergehen Monate –, war natürlich auch die ganze Abstimmungsarbeit, die wir bis dahin erledigt hatten, völlig im Eimer. Zumal der Täter bei seinem Fluchtversuch auch weitere aufgestellte Anlagen touchiert und beschädigt hatte. Wir mussten nun also – eines zentralen Bausteins der Show beraubt – eiligst ein Alternativprogramm mit weniger Ausrüstung auf die Beine stellen. Und das unter akutem Zeitdruck.
Zumal es bald Tag wurde ...
Genau. Richtig proben kann man nur in der Dunkelheit. Bei Tageslicht sieht man die Projektionen kaum. Als die Polizei mit dem Täter abzog, war es nach 4 Uhr. Wir mussten improvisieren und eiligst etwas Neues zusammenschustern. Teile, die theoretisch auch ohne ausgefallenen Laser noch möglich gewesen wären, nach der Reorganisation aber nicht mehr geprobt werden konnten, mussten wir zudem aus Sicherheitsgründen rauslöschen – weil wir die entsprechenden Zoneneinstellungen nicht mehr präzise genug vornehmen konnten. Wenn aufgrund der unzureichenden Vorbereitung etwa ein Laser Personen getroffen hätte, wäre dies sehr gefährlich. Das Restrisiko war deshalb bei einzelnen Showteilen nicht mehr zu verantworten.
Wie sehr glich das, was man dann am 1. August um 22.02 Uhr vom Reussufer aus sehen konnte, noch dem ursprünglich Geplanten?
Ungefähr 60 Prozent der Show war neu und improvisiert. Wirklich zufrieden, weil es dem nahekam, wie wir es uns ausdachten, war ich ungefähr mit einem Viertel der Show.
Im Nachgang gab es auch kritische Stimmen, die von der Lasershow enttäuscht waren und sich in Bremgarten ein Feuerwerk zurückwünschen würden. Glauben Sie, unter normalen Bedingungen hätten Sie diese mehr überzeugt?
Teilweise sicherlich. Aber jedem recht machen hätten wirs auch dann nicht können, das ist auch klar. Eine Lasershow ist etwas komplett anderes als ein Feuerwerk, das muss man immer wieder betonen. Man kann die beiden Showarten nicht miteinander vergleichen. Und wer dies trotzdem tut, der ist eben allenfalls enttäuscht. Das Feuerwerk mit den Möglichkeiten, wie wir sie heute kennen, hat sich über Hunderte von Jahren entwickelt. Die Lasertechnik ist vergleichsweise jung. Aber auch sie macht Jahr für Jahr Fortschritte und liefert andere Möglichkeiten für Spektakel.
Ihre Firma veranstaltet Laserevents in der ganzen Welt. Wie wirkt sich der Vandalismusvorfall von Bremgarten auf die weiteren Tätigkeiten aus? Wie hoch ist er zu beziffern?
Neben den 85 000 Franken Materialwert kommen jeden Tag theoretische Mietkosten von 2250 Franken hinzu. Das ist der Wert, zu dem wir den Laser einen Tag lang vermieten könnten. Der Wert für einen Tag in Arbeit. Die effektiven Kosten für uns als Betrieb sind natürlich nicht ganz so hoch, weil wir den Laser nicht jeden einzelnen Tag im Einsatz gehabt hätten. Dennoch gibt es einem eine ungefähre Vorstellung davon, welche Folgekosten auf uns zukommen, solange wir keinen Ersatz haben.
Apropos Kosten – 23 500 Franken hätte die Show Bremgarten gekostet. Ist nun trotz verkürzter und angepasster Show der ganze Betrag fällig?
Die Gespräche und Abklärungen diesbezüglich müssen in den nächsten Wochen geführt werden. Klar ist, dass Bremgarten letztlich nicht jene Dienstleistung erhalten hat, die bestellt wurde. Klar ist aber auch, dass es nicht an uns lag und wir mehr als nur den vollen Aufwand dafür hatten. Deshalb muss man mit der Versicherung schauen, wie gross der Wert der Show letztlich war und wer wie viel von den Auslagen übernimmt. Wir sind aber auf jeden Fall gesprächsbereit und kulant.
Den Schaden wird wohl die Versicherung des Vandalen übernehmen. Stehen Sie mit dem Täter noch in Kontakt? Wie war sein Verhalten in den Tagen nach dem Vorfall?
Unglaublich reumütig. Er ist am Folgetag nochmals persönlich hergekommen und hat sich entschuldigt. Hat immer wieder angerufen. Mehrmals seine Hilfe angeboten. Es kam sogar der Punkt, an dem ich ihm sagen musste, jetzt sei dann auch einmal gut. Fehler macht schliesslich jeder im Leben. Wenn man das Rückgrat hat, dazu zu stehen, und diese bereut, finde ich das stark. Und deshalb hege ich auch keinerlei Groll mehr dem Täter gegenüber.
Nachdem die 1.-August-Show dieses Jahr nicht so lief wie geplant – kommen Sie nächstes Jahr wieder und zeigen den Bremgarterinnen und Bremgartern das volle Potenzial der Lasertechnik?
Wenn es nach uns ginge, sehr gerne (lächelt). Mit der Stadt Bremgarten habe ich allerdings bis jetzt noch keine Gespräche darüber geführt. Ich hoffe aber sehr, dass es nicht unser letztes Gastspiel hier war. Denn es war uns eine Ehre, vor dieser atemberaubenden Kulisse eine Show aufführen zu dürfen.
Entscheid folgt
Der Stadtrat Bremgarten hat noch nicht darüber getagt, ob und welche Showelemente der 1. August 2024 beinhalten wird. «Wir werden das demnächst intern thematisieren», sagt Stadtammann Raymond Tellenbach. Der definitive Entscheid werde voraussichtlich erst an der Budgetsitzung im Herbst gefällt. Von einer zweiten Lasershow über ein Jahr Pause, eine Rückkehr zum Feuerwerk bis zu einer gemeinsamen Aktion mit dem Nachbarn Zufikon sei im jetzigen Moment noch alles vorstellbar. --huy