«Pasci» der Grosse
08.12.2023 Ringen, SportDie sagenhafte Karriere von Pascal Strebel endet am Sonntag (14 Uhr, Bachmattenhalle) gegen Einsiedeln
Er ist einer der Grössten der Freiämter Sportgeschichte. Olympionike, Vorbild, Unikat. Pascal Strebel tritt zum letzten Mal auf die Matte. Die Ringerwelt und ...
Die sagenhafte Karriere von Pascal Strebel endet am Sonntag (14 Uhr, Bachmattenhalle) gegen Einsiedeln
Er ist einer der Grössten der Freiämter Sportgeschichte. Olympionike, Vorbild, Unikat. Pascal Strebel tritt zum letzten Mal auf die Matte. Die Ringerwelt und das Freiamt verneigen sich vor diesem vorbildlichen Sportler und tollen Typen.
Stefan Sprenger
«Er wird noch für Furore sorgen: Pascal Strebel.» Diese Bildlegende wurde im Jahr 2007 in dieser Zeitung abgedruckt. «Strebel ist schon in seiner zweiten NLA-Saison zur Teamstütze geworden. Ihm gehört die Zukunft. Titel werden folgen», heisst es im Text weiter.
Heute – 15 Jahre später – weiss man, dass diese Worte von damals fast noch untertrieben waren. Denn dieser Pascal Strebel wird zu einer ringenden Ikone einer ganzen Generation. Er prägt diesen Sport in der Schweiz und seinen Herzens- und Heimatverein, die Ringerstaffel Freiamt. Er sorgt für Sportmomente, die in die Geschichtsbücher eingehen. Und er beendet jetzt seine Karriere. Er tut dies wie immer: ohne Tamtam. Ehrlich. Direkt. Auch wenn er in Zukunft weiterhin als Unterstützer im Greco-Bereich und Trainingsgast den Freiämtern erhalten bleibt, so will er keiner von jenen Ringern werden, die nach ihrem Rücktritt nochmals auf die Matte stehen und ein Comeback geben. «Auch wenn es mir niemand glaubt, ich werde kein Comeback geben», sagt er lachend. Und wenn es in der nächsten Saison im Final gegen Willisau in seiner Gewichtsklasse unbedingt einen Kämpfer braucht – auch dann nicht? «Ich gebe nur einmal meinen Rücktritt. Und nicht zehnmal.» Ein Mann. Ein Wort.
Manchmal Partytiger
Der Mann aus Birri bei Aristau (der heute in Muri wohnt) hat sich den Entscheid gut überlegt. Sehr gut sogar. Auch wenn er den Ringsport immer noch liebt und lebt, so will er etwas Luft haben. Freie Wochenenden. Weniger Druck. Einerseits ist er beruflich als Projektleiter und stellvertretender Geschäftsleiter der Beltech AG in Muri stark eingespannt. Andererseits ist er nach der Geburt von Elea (2020) und Leeni (2023) zweifacher Familienpapa. Und er ist sich seiner Verantwortung bewusst. Auch gegenüber seiner Frau Jenny, mit der er seit 2009 zusammen ist und die er 2019 heiratete. «Ich freue mich auf alles, was kommt», sagt Strebel, der am 26. Dezember 35 Jahre jung wird.
Wenn etwas endet, ist es auch immer ein guter Zeitpunkt, um zurückzublicken. Deshalb die Frage an Pascal Strebel: Was hat ein Leben als Ringer gebracht? «Puh», sagt er und weiss gar nicht, wo er anfangen soll. «Alles. Ich bin dank dem Ringen der Mensch, der ich heute bin.» Und jener Mensch ist eine Wucht. Er wird von seinen Freunden als ehrlich, korrekt und direkt bezeichnet. Strebel sagt sofort, wenn ihm etwas nicht passt. Er ist nicht nachtragend, eher diplomatisch und wohlüberlegt. Er hat einen feinen Humor, eine sympathische Art. Mit ihm zu reden, gibt immer ein wohliges Gefühl. Zum richtigen Zeitpunkt ist er gesellig – und wenn die Gelegenheit stimmt, dann mutiert er zum Partytiger. Zwar selten, aber immer tanzend. Es gab schon «das eine oder andere Fest früher», wie er augenzwinkernd sagt.
Er hat den Sport geprägt. Und der Sport ihn. «Ich habe viel erlebt. Viel gelernt. Mit Niederlagen und mit Druck umgehen. Auf die Zähne beissen, durchhalten. Alles Dinge, die ich beim Ringen lernte und die ich heute auch in anderen Lebenslagen benötige.» Strebel durfte während seiner internationalen Karriere die Welt bereisen. Und er erfüllte sich einen Lebenstraum. «Schon als kleiner Bub habe ich darauf hingearbeitet, einmal an den Olympischen Spielen dabeim Ringen lernte und die ich heute auch in anderen Lebenslagen benötige.» Strebel durfte während seiner internationalen Karriere die Welt bereisen. Und er erfüllte sich einen Lebenstraum. «Schon als kleiner Bub habe ich darauf hingearbeitet, einmal an den Olympischen Spielen dabei zu sein.» Sein Traum wird 2012 wahr, als er in London dabei ist. Das Drumherum zu erleben, «war ein riesiges Highlight», wie er sagt. Auf der Matte hat er kein Glück. «Vier Jahre für vier Minuten», titelt eine Zeitung. Ein Kampf, eine Niederlage – und Olympia ist schon vorbei.
Traumbilanz: 81 Prozent Siege
Bei den Kadetten gewann er 2005 an der EM die Bronzemedaille, erreichte an der Weltmeisterschaft 2010 den starken 7. Rang. Er opferte sehr viel, um international ganz vorne dabei zu sein. Monatelange Trainingslager im Osten, weit weg von Freunden und Familie, dazu unzählige Entbehrungen jeglicher Art. All das hat sich für ihn trotzdem gelohnt – dank Olympia. Doch danach nahm er sich eine Auszeit und wollte entscheiden, wie es weitergeht. Im Oktober 2013 verkündet er seinen Rücktritt vom internationalen Sport. «Es ist alles gut, wie es ist. Ich bin sehr dankbar, wie meine Karriere gelaufen ist», sagt er.
Die Zahlen von Strebels Karriere sind beeindruckend. Viele Titel beim Nachwuchs, bei den Kadetten und in der Jugend, 6 Mal Schweizer Meister bei den Junioren, 12 Mal Schweizer Meister bei den Aktiven. Und seine Bilanz in der Meisterschaft der Nationalliga A gehört wohl zu den besten aller Zeiten.
4:0-Sieg beim Debüt 2005
210 Mal kämpfte er für die RS Freiamt (einige wenige Male für die zweite Mannschaft), 185 im Greco, 25 im Freistil. 81 Prozent seiner Kämpfe konnte er gewinnen, über 600 Mannschaftspunkte hat er ergattert, nur 150 abgegeben. Der Durchschnitt seiner Teampunkte: 2,90 zu 0,75. «Da kann man nur staunen», sagt Nicola Küng, langjähriger Weggefährte von Strebel und heutiger Präsident der RS Freiamt. Ähnlich klingt es von Randy Vock, der jahrelang gemeinsam mit Strebel Leistungsträger ist. «Er ist immer positiv, versprüht immer gute Stimmung. Für mich ist er ein Vorbild für die Jungen. Und ein Beweis, wie viel man mit Ehrgeiz und Fleiss erreichen kann», sagt Vock.
2008, 2009 und 2014 durfte er mit den Freiämtern den Gewinn der NLA-Meisterschaft feiern. Als «Zückerchen mit riesigen Emotionen» beschreibt Strebel diese Titel.
Und weil er auch in Zukunft dem Ringerkeller in Aristau als Trainingsgast und Greco-Unterstützer nicht fernbleiben wird, so ist es wohl sicher, dass Pascal Strebel irgendwann in Zukunft wieder in einem Final mitfiebern wird – dann eben als Betreuer und Fan.
Leidenschaft. Wille. Selbstvertrauen. Der Ringer mit der starken Selbsteinschätzung und der grossen Cleverness gab im Oktober 2005 sein Debüt in der Nationalliga A. Gegner war Oberriet-Grabs. Das Resultat: 4:0 für Strebel nach Forfaitsieg.
Als er zusammenbrach
Höhepunkte hatte er viele. Gab es auch Tiefpunkte? «Jedes Mal, wenn ich mich verletzt habe», sagt er. Kein Lowlight, aber durchaus Negativschlagzeilen machte Strebel 2012. Im Final gegen Hergiswil wurde er während des Kampfes gegen seinen Gegner Patrick Stadelmann bewusstlos. Er hatte sich so abgehungert, dass ihm die Kräfte ausgingen. Danach entstand ein Medientrubel. «Das hat mich nicht lange beschäftigt», sagt er
heute. Was er damals leistete, war schier unglaublich. «Das hat kaum jemand gemerkt», meint er. Sieben Kilogramm speckte er ab, um in die 66-kg-Gewichtsklasse zu passen. Das benötigt ganz viel Disziplin. «Weil ich in jener Woche davor noch krank war, ging der Sprit im Tank aus.»
Am Sonntag im Duell um den 3. Rang gegen Einsiedeln wird sein 211. und letzter Kampf sein. Freiamt siegte im Hinkampf 19:15. «Ich freue mich auf ein volles Haus. Ich freue mich, nochmals dieses Feeling zu erleben. Ich werde es aufsaugen», sagt Strebel. Bevor er gebührend – und hoffentlich mit einer Medaille um den Hals – verabschiedet wird, möchte er noch eines loswerden. Die Liste, bei denen er sich bedanken möchte, sei sehr lang. «Deshalb mache ich es kurz: Ich danke allen, die mich auf meinem Weg begleitet und unterstützt haben.»
Singt er so gut wie seine Frau?
Was so sicher ist wie das Amen in der Kirche: Nach dem Kampf wird gefeiert. Irgendwann – wohl zu später Stunde – wird er unter die Dusche gehen – und singen. Wie seine Teamkumpels verraten, sei Strebel ein begnadeter Sänger. Er sei sogar fast so gut wie seine Frau Jenny (die 2009 bei Musicstar mitmachte). Welches Lied wird er nach seinem letzten Auftritt singen? «Puh. Irgendwas», meint Strebel lachend. Wie wärs mit dem Klassiker von Tina Turner? «Simply the Best»? Es würde perfekt passen.
Bronzemedaille ist das klare Ziel
«Es wäre tragisch, wenn sich Pascal Strebel mit einem 4. Platz verabschieden müsste. Und ich glaube, dass das jeder im Team verhindern will, dass er so einen Abschluss bekommt.» Die Worte von RS-Freiamt-Trainer Michael Bucher sind deutlich. Die Freiämter werden alles daran setzen, ihren 19:15-Vorsprung aus dem Hinkampf in Einsiedeln am Samstag (14 Uhr, Bachmattenhalle Muri) ins Ziel zu bringen. Im Hinkampf war «das Ergebnis besser als die Leistung», wie Bucher sagte. Und jetzt will man sich im letzten Kampf des Jahres positiv (und mit einer Bronzemedaille) verabschieden. Mit dem 3. Rang und Bronze würde es sich am Samstag, 16. Dezember, auch an der Freiämter Ringernacht ausgelassener feiern lassen. Im Final (Samstag, 19 Uhr) muss Willisau zu Hause einen 16:17-Rückstand wettmachen, wenn sie den Titel verteidigen wollen. --spr