«Neue» Staudenschlacht gewonnen
23.05.2023 BremgartenEine Tradition ist gestartet
Erstes Gedenkschiessen zur Staudenschlacht gelungen
Die Staudenschlacht am 26. Mai 1712 ging verloren, jetzt aber brillierten die Stadtschützen am ersten Gedenkschiessen daran. Bremgarten reiht sich ein in ...
Eine Tradition ist gestartet
Erstes Gedenkschiessen zur Staudenschlacht gelungen
Die Staudenschlacht am 26. Mai 1712 ging verloren, jetzt aber brillierten die Stadtschützen am ersten Gedenkschiessen daran. Bremgarten reiht sich ein in bedeutende Merkpunkte der Schweizer Geschichte.
Hans Rechsteiner
«Staudenschlacht» – noch nie gehört? Inmitten der Wirren zwischen Reformierten und Katholischen in zwei Villmergerkriegen fand zwischen Bremgarten und Fischbach am 26. Mai 1712 – an einem blutigen Fronleichnamstag – eine Auseinandersetzung zum Thema statt, die «Schlacht in den Stauden». Die reformierten Berner gingen als Sieger hervor. Auf dem Schlachtfeld lagen 87 tote Berner, die Verluste der Innerschweizer zählten über 400 Gefallene.
Morgarten, Rütli ... und Bremgarten
Das damalige Schlachtgebiet grenzt unmittelbar an die heutige Waffenplatz-Schiessanlage Stockweiher, auf der am Samstag das erste historische Gedenkschiessen stattfand. Das hat den Bremgarter Schützen indes einen jahrelangen Marathon abverlangt. Solche historische Schiessanlässe gibt es nur zwanzig, und sie tragen beste Namen: Rütli, Gotthard-Airolo, Val Mustair, Morgarten, Rothenthurm, Grauholz, Murten – und eben neu nun auch Bremgarten.
Das am Samstag erstmals ausgerichtete Erinnerungsschiessen zur Staudenschlacht hat schweizweit interessante Besonderheiten. Es gibt nur wenige solcher Schiesswettbewerbe, in denen beide Waffen eingesetzt werden: Gewehr über 200 Meter, Pistole über 30 Meter, nur Ordonnanzwaffen sind zugelassen. Roland Stoller hat eine exklusive Staudenschlacht-Zielscheibe gezeichnet, sie ähnelt einer Oberkörper-Feldscheibe, zeigt aber links oben den stark verkleinerten Staudenschlacht-Gedenkstein, der mit der höchsten Trefferpunktezahl gekennzeichnet ist. Die Herausforderung für die Schützen: auf die spezielle Scheibe ohne einen einzigen Probeschuss zwölf Schüsse in drei Minuten abgeben.
Die Erstauflage des historischen Erinnerungsschiessens an die Staudenschlacht 1712 ist hervorragend herausgekommen
355 Gästeschützen aus acht Kantonen der Deutschschweiz, 60 Helfer aus dem Umfeld der Stadtschützen und von Waltenschwil sowie eine perfekte, unfallfreie Durchführung zeichnen das erste historische Gedenkschiessen aus. Hier ist eine Tradition eröffnet worden. «Wir kommen sicher wieder», so wurden die Organisatoren vielfach geehrt.
Hans Rechsteiner
Die Sektionen aus der Deutschschweiz sind sehr frühmorgens angereist. Schon ab 6.45 Uhr herrschte auf der Schiessanlage Stockweiher reger Betrieb: «Beginn Mutationen, Abgabe Munition» stand auf dem Tagesbefehl. Sechsergruppen und Einzelschützen trafen ein. Schon in der ersten Auf lage des historisch-werdenden Staudenschlacht-Erinnerungsschiessens haben sich gut 400 Schiesssport-Begeisterte angemeldet – ein erfreulicher Anfang. Denn am gleichen Wochenende fanden die Gruppenmeisterschaften statt, das hat viele Sektionen von der Teilnahme in Bremgarten abgehalten. Nächstes Jahr wird man ein besser geeignetes Datum für Bremgarten haben, genauer: Samstag, 1. Juni 2024.
Bremgarten hat besondere Herausforderungen
Das «Staudenschlachtschiessen» von Bremgarten ist etwas Spezielles. Es gibt nur wenige solcher Schiesswettbewerbe, in denen beide Waffen eingesetzt werden: Gewehr über 200 Meter Distanz, Pistole über 30 Meter, nur Ordonnanzwaffen sind zugelassen. Roland Stoller hat eine einzigartige exklusive Staudenschlacht-Zielscheibe gezeichnet, sie ähnelt einer Oberkörper-Feldscheibe, zeigt aber links oben den stark verkleinerten Staudenschlacht-Gedenkstein, der mit der höchsten Punktezahl (drei Punkte pro Treffer) gekennzeichnet ist. Die Herausforderung für die Schützen ist interessant: auf die spezielle Scheibe ohne einen einzigen Probeschuss zwölf Schüsse in drei Minuten abgeben. Und: Der Schütze sieht seine Scheibe erst an der Rangverlesung. Denn diese wird, mit seinem Namen versehen, eingerollt und versorgt, dann erst darf er sie mit nach Hause nehmen – für unters Kopfkissen.
Im Vorfeld kamen deshalb Einwände auf. Doch das sei doch genau der Kitzeleffekt, sagt Stoller. «Wir haben beobachtet, dass etliche Schützen sich mit leistungsfähigen Kameras, mit Feldstechern oder – wahrscheinlich weniger erfolgreich auf grosse Distanz – mit Handys aushelfen wollten, um ihr Geheimnis zu lüften.» Die Trefferbilder Gewehr fielen auf, weil die meisten Schützen auf dem obersten Teil der Scheibe ihre Nuller schossen. Dies weil sie in ihren Ständen auf 300 Meter üben, hier aber wird auf die «kurze» Distanz 200 Meter geschossen. Sie haben ihr Chorn zu wenig oder gar nicht nach unten korrigiert – «sälber tschuld». Zwar konnten sie vorgängig die Staudenschlachtscheiben kaufen und an ihnen üben, aber es gibt schweizweit halt nur eine Handvoll Schiessstände, die 200 Meter kurz sind, einer ist in Lenzburg. Marco Häring vom Feldschützenverein Luzern hat es dennoch geschafft, fünf haargenaue Treffer links auf dem kleinen Staudenschlacht-Gedenksteinchen perfekt aufzureihen.
Lehren ziehen
Ganz anders bei den Pistolenschützen. Sie üben ohnehin jeweils auf den Distanzen 30/50 Meter. Hier waren es vorne am Zielhang diese 30 Meter Schiessdistanz, das sind sie gewohnt. Diese Trefferbilder waren also durchwegs eine helle Freude. Auch wenn es auch dazu eine Knacknuss mit dem Verhältnis von Zielgenauigkeit und Staudenschlacht-Scheibengrösse gab.
Stephan Hausherr, Präsident des Organisationskomitees Staudenschlacht, freute sich schon mal für den reibungslosen, unfallfreien Ablauf des prächtigen Anlasses. Solche Schlachten seien Wendepunkte in der Geschichte, die Umbrüche bringen, sagte er. «Und wie heute lagen oft Schützen neben Schützen und sie zielten in die gleiche Richtung. Wir haben gute gemeinsame Ziele und Unterstützungen.» Ins ähnliche Horn blies Raymond Tellenbach, Stadtammann von Bremgarten. «Wie damals wird an diesem historischen Schiessen nebeneinander und nicht aufeinander geschossen, und in dieselbe Richtung. Es geht um Leistung, um Wettkampf und um geselliges Beisammensein und gute Kameradschaft», hat er gesagt.
Der amtierende Landammann, der Freiämter Regierungsrat Jean-Pierre Gallati, zog den interessanten grossen Bogen von den Villmerger Auseinandersetzungen ins Heute. «Wir sollen Lehren ziehen aus den alten Erfahrungen. Das damals war eine religiöse Auseinandersetzung zwischen Reformierten und Katholischen, in der die Werthaltigkeit des weltvernetzten Bremgarter Theologen Heinrich Bullinger, Nachfolger von Zwingli in Zürich, entscheidend zum Tragen kam.» Für Kriege gebe es immer verschiedene Ursachen. Doch schon in der Staudenschlacht sei eine gute Ausrüstung der Kämpfer entscheidend gewesen. «Kriege sind immer mit schrecklichen Ereignissen verbunden, wie wir leider aktuell in der Ukraine sehen.» Für die Schweiz heisst das via Gallati: «Freiheit braucht Verteidigung. Territoriale Angriffskriege sind leider realistische Szenarien. Landesverteidigung kostet. Wir müssen unsere Armee leistungsfähig erhalten und den Schutz der Bevölkerung garantieren.» Die Organisatoren hatten dank ihrer tadellosen Umsetzung definitiv die «neue» Staudenschlacht gewonnen.