Modelle, Karten und Geschichten
29.09.2023 Bremgarten40 Jahre lang diente Beat Zeier seiner geliebten Stadt. Jetzt plant er ein Museum
Jeder kennt Beat Zeier, den stillen Unscheinbaren, der es aus einfachen Verhältnissen zum Stadtoriginal brachte. Seine Leidenschaft war es, diese Stadt sauber zu halten. Daneben pflegte ...
40 Jahre lang diente Beat Zeier seiner geliebten Stadt. Jetzt plant er ein Museum
Jeder kennt Beat Zeier, den stillen Unscheinbaren, der es aus einfachen Verhältnissen zum Stadtoriginal brachte. Seine Leidenschaft war es, diese Stadt sauber zu halten. Daneben pflegte er vielfältige Hobbys: Er besitzt heute über 8500 Spezialfahrzeugmodelle, gut 12 000 alte Postkarten, unzählbare Fotografien zu Blaulichtereignissen und jeder Ecke in der Stadt.
Hans Rechsteiner
Aufgewachsen ist Beat Zeier im schmalen Elternhaus in der Reussgasse 4, dem abwechslungsreichen Paradies mit Hochwassern, die regelmässig die Abkürzung durch die Unterstadt zum Herrmannsturm nahmen. Wenn das Bauamt mit dem Schneepflug vorfuhr, stand der Bub fasziniert am Fenster – und räumte mit seinem Seifenkisten-Schneepflug die Gehwege. Mit seinem ersten Fotoapparat fotografierte der Jugendliche in Unterhosen den Brand der alten Papierfabrik – und fasste zu Hause dafür eine Ohrfeige, weil zu gefährlich. Schon als Bub kam er mit dem städtischen Bauamt, damals der ungeheizte Schopf in der alten Hermannsturm-Scheune, in Kontakt. Er half Christbäumli ernten und durfte da und dort auf für ihn interessante Touren mit. Seine erste Bewerbung lehnte der Stadtrat ab: zu jung. Zwei Jahre später war Beat dann doch angestellt. Da war noch alles Handarbeit, nichts von Putzmaschine. Der Freitag war Putztag. Die Hauptachsen wurden mit dem Handbesen gewischt.
Alles, mit Rädern oder Raupen
Unglaublich zufällig kam Beat Zeier zu seinen vielfältigen Freizeitaktivitäten. Als Zwölfjähriger, als es in der Unterstadt noch die Papier- und Kartonfabrik gab, kam er aufs Kartensammeln. Aus den durchstöberten Mulden voller Altpapier angelte er Hunderte von Ansichtskarten und auch mal Bücher. Seine prächtige Sammlung, die er bis heute mit Ankäufen im Internet, auf Flohmärkten und Antiquitätenmessen oder Schenkungen ständig erweiterte, umfasst aktuell über 12 000 Exemplare, darunter historische Trouvaillen.
Mit Dreizehn begann er Modellautos zu sammeln, auch das im unerwarteten Zufall. Er half, den Laden des «Honegger-Balz» auszuräumen, es waren vor allem Spielwaren und Militärsachen. Anstatt Sackgeld gab es schachtelweise Modellautos, die er zu Hause unter der Treppe verstecken musste – die Eltern hatten nicht so Freude. Heute umfasst seine Sammlung wohl 10 000 Stück, darunter Raritäten, alle Saurer-Berna-Lastwagenmodelle, Feuerwehrautos, Autodrehleitern, Ambulanzen, Polizei-, Bau- und Spezialfahrzeuge, Schwertransporter – und sicher 60 Lokomotiven. Fotografieren ist seine nächste begeisternde Leidenschaft.
Ein wandelndes Lexikon
Er profilierte sich als rasender Reporter, weil ihn Unfälle, Brände, Hochwasser und Ereignisse interessierten, und wie er alles über Bremgarten sammelt, fotografierte er auch jede Ecke seiner Stadt und jede scheinbare Unwichtigkeit.
Die grösste Herausforderung solcher vielfältiger Sammelleidenschaft ist indes die Hintergrundarbeit, das Archivieren und Inventarisieren sowie Dokumentieren, eine pingelige Fleissarbeit. Wer kann schon mehrere Zehntausend Negative, unzählige Papierkopien, Zeitungsartikel, Poster und Vergrösserungen, 800 Fotos allein übers Matterhorn, 600-mal Luzern und viel anderes im Überblick behalten – ausser Beat Zeier. Er ist ein wandelndes Lexikon – unglaublich.
Vom Hobby ins Museum
Die Sache wird nun endlich konkret. Beat Zeiers Lebenstraum ist «ein kleines schnuggeliges Museum in Bremgarten». Es soll öffentlich zugänglich und mit seinem speziellen Ambiente interessant und einzigartig sein. Er hat jahrelang nach einer Lokalität gesucht und wurde nun fündig in der Wohn- und Gewerbeliegenschaft «Im Meyerhof 18» in Bremgarten-West, einem Standort, der noch viel Werbung verlangen wird. Beat Zeier hat die Räume im Erdgeschoss gekauft und vorläufig an die Stadt vermietet, bis Heinz Briner mit seinem Stadtmodell fertig ist.
Doch Beat Zeier, dessen Wohnhaus im Itenhard vom Boden bis zum Dach mit seinen Schätzen überfüllt ist, hat sein Ausstellungskonzept längst formuliert. Seine Vorgehensweise ist so dreiteilig wie intelligent kompliziert: Er hat unzählbare eigene und sammelt Fotos zu seinen Themenkreisen. Dann sucht er gezielt über alle möglichen Kanäle nach den Originalmodellen und erkundet die winzigsten Details zu jedem Objekt. Das ergibt die Einzigartigkeit und das Alleinstellungsmerkmal des künftigen Museums. Ein Objekt ist mit einem Foto dokumentiert, steht als Originalmodell da und erzählt seine Geschichte. Zwei Beispiele: Das Kraftpaket Uranus-Magirus war 1958 bei den Genietruppen in Bremgarten im Einsatz. Am Besuchstag der Rekrutenschule auf dem Waffenplatz 1978 war ein spezieller Saurer im Einsatz, gefahren vom Christian Hürlimann, der in die Kamera lächelt.
Ein besonderes Spezialgebiet Zeiers sind Schwertransporte. Er hat jahrelang alle bekannten Transportfirmen mit ihrem überlastschweren vielfachachsigen Tiefladern bei Tag und Nacht verfolgt und fotografiert, sie transportieren Schiffe, Panzer, Transformatoren, Findlinge, Turbinenräder, kürzlich die tonnenschwerste Spritzgussmaschine zur Firma Utz. Oft schenkt ihm die Transportfirma nachher das entsprechende Spezialfahrzeug-Modell.
Sein einzigartiges Museum, das wohl erst im Jahr 2025 eröffnet wird, weil zuerst die Arbeiten am Bronze-Stadtmodell abzuwarten sind, wird aufgebaut wie das Stadtmuseum in der Unterstadt. Beat Zeier wird neben einer attraktiven Dauerausstellung jährlich wechselnde Themenausstellungen kuratieren: Marken-bezogene, Schwertransporte, Feuerwehr, Polizei, Ambulanzen, Spezialtransporte, grobe Bergungsgeräte, Bagger – und eben auch mal alte Postkarten, Bremgarten, oder seine 100 Schallplatten und sein altes Grammophon dazu spielen lassen.