Misstrauisch bleiben
21.02.2025 Meisterschwanden, Region UnterfreiamtRoadshow der Kantonspolizei Aargau zum Thema Cybercrime machte in Meisterschwanden halt
Lieber Verbrechen verhindern als nachher ermitteln: Nach diesem Grundsatz ist die Kantonspolizei auch präventiv tätig. Der Abend rund um das Thema Cyberkriminalität ...
Roadshow der Kantonspolizei Aargau zum Thema Cybercrime machte in Meisterschwanden halt
Lieber Verbrechen verhindern als nachher ermitteln: Nach diesem Grundsatz ist die Kantonspolizei auch präventiv tätig. Der Abend rund um das Thema Cyberkriminalität stösst dabei auf riesiges Interesse. Denn mit falschen Mails, Telefonaten und Versprechungen wurden wohl alle schon konfrontiert.
Chregi Hansen
Die Fälle und Zahlen, die Bernhard Hitz an diesem Abend präsentiert, machen sprachlos. Etwa die 83-jährige Frau, die ihren zwei (!) Liebhabern im Ausland insgesamt 110 000 Franken überwiesen hat. Oder der 61-Jährige, der auf den Rat einer Chatbekanntschaft 1,142 Millionen Franken in angeblich sichere Anlagen investierte. Oder die Seniorin, die nach dem Anruf eines falschen Polizisten 270 000 Franken aus ihrem Bankfach holte und das Geld einer Unbekannten übergab.
Auch wenn die Arglosigkeit in diesen Fällen erstaunt, so warnt der Vertreter der Kantonspolizei. «Wir dürfen die Opfer nicht verurteilen, denn die Täter gehen meist sehr raffiniert vor.» Und es treffe längst nicht nur die Älteren, auch wenn diese bevorzugt als Opfer ausgewählt werden. So wird etwa in Telefonbüchern gezielt nach Menschen mit alt klingenden Vornamen gesucht. Abgezockt werden kann man etwa auch auf dem Kleinanzeigenmarkt oder am Parkautomaten, wenn man für die Bezahlung arglos auf einen QR-Code klickt. Schnell sind via Twint einige Hundert Franken weg.
Fälschungen werden dank KI immer besser
Betrügereien über Internet oder auch per Telefon – diese Straftaten nehmen enorm zu, wie die Kantonspolizei an diesem Infoabend deutlich macht. Schätzungen gehen von einer erbeuteten Summe von jährlich weltweit acht Billionen Franken aus. Damit liegen diese Verbrecher salopp gesprochen auf Platz 3 der weltweiten Wirtschaftsmächte – hinter den USA und China. Und die Zahlen werden mit dem Aufkommen der künstlichen Intelligenz wohl noch zunehmen. «Denn die Fälschungen werden immer besser», weiss Hitz.
Seine Ausführungen stossen im Oberen Seetal auf grosses Interesse. Rund 200 Zuhörer lassen sich von ihm auf den neusten Stand bringen, mit welchen Tricks die Verbrecher arbeiten. Und bekommen Tipps, wie man sich dagegen schützen kann. Grundsätzlich hilft Misstrauen. «Vor allem dann, wenn es um Geld geht. Wenn knappe Fristen gesetzt werden. Oder wenn mit schockierenden Nachrichten gearbeitet wird», macht Experte Hitz deutlich. In solchen Fällen soll man sich nie dazu drängen lassen, etwas zu tun. Sondern den Kontakt abbrechen und in Ruhe überprüfen, ob an der Meldung etwas dran ist. «Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen ein Unbekannter vier Millionen überweisen will oder die Fedpol Ihnen persönlich ein Mail schreibt, ist sehr gering wenn nicht gleich null», so Hitz, der selbst schon entsprechende Mails erhalten hat. «Auf die Millionen warte ich bis heute», fügt er schmunzelnd an.
Nicht einfach auf Links klicken
In seinem rund 90-minütigen, mit vielen Beispielen gewürzten Vortrag, zählt er die verschiedenen bekannten Methoden auf. Etwa das sogenannte Phishing, bei dem Täter per Mail versuchen, an Daten zu kommen. Hier rät der Fachmann, zuerst einmal die Mailadresse des Absenders zu überprüfen oder auch die Adresse des Links, auf den geklickt werden soll. Meist merkt man dann sofort, dass etwas nicht stimmt. «Vor allem, wenn im Mail mit negativen Konsequenzen gedroht wird, sollte man misstrauisch werden», so der Kantonspolizist. Phishing funktioniert aber nicht nur per Mail, sondern kommt auch via SMS oder Whatsapp vor.
Hitz warnt aber auch vor Investitionen über dubiose Seiten. Da werden meist horrende Profite versprochen, und oft erfolgt am Anfang tatsächlich eine Auszahlung, damit das Opfer noch mehr Geld nachschiebt. Wer unsicher sei, solle die betreffenden Firmen im Internet überprüfen, beispielsweise über Bewertungsplattformen. Zudem soll man nie jemandem einen Fernzugang auf den eigenen Computer erlauben – «ausser Sie haben Softwareprobleme und selbst um Hilfe angefragt». Die Jüngeren wiederum warnt Hitz vor dubiosen Jobangeboten, bei denen am Computer von zu Hause aus angeblich viel Geld verdient werden kann. Oft handelt es sich dabei um Geldwäsche – und damit wird das Opfer auch zum Täter.
Opfer schämen sich meist
Ein spezielles, weil sehr emotionales Thema ist der sogenannte Romance Scam. «Es ist eine moderne Form des Heiratsschwindels», erklärt Hitz. Dabei wird den Opfern über Chat eine Liebesbeziehung vorgegaukelt. Meist über eine lange Zeit – bis irgendwann Geld benötigt wird. Für den Flug. Für ein Visum. Für eine OP. Auch hier geht die Schadenssumme schnell einmal in einen sechsstelligen Bereich. So berichtet Hitz von einer Frau, die über sechs Jahre immer wieder Geld geschickt hat – insgesamt 350 000 Franken. Selbst als sie informiert wurde, dass sie Opfer eines Betrügers geworden war, wollte sie es nicht glauben.
59 «Romance Scam»-Fälle wurden der Kapo letztes Jahr gemeldet. Doch die Dunkelziffer dürfte hoch sein, «denn viele Opfer schämen sich», so Hitz. Aber die Täter würden eben sehr raffiniert vorgehen und mit den Gefühlen des Gegenübers spielen, «die geben sich richtig Mühe». Dahinter stecke ein ganzes Wirtschaftsunternehmen, diese Scams werden professionell betrieben. Auch hier gelte es misstrauisch zu werden. Und man solle sich immer überlegen: Würde ich einem Menschen auf der Strassen, den ich noch nie gesehen habe, auch Tausende von Franken geben? Vermutlich käme das niemandem in den Sinn.
Codewörter vereinbaren
Im Laufe des Abends kommt Bernhard Hitz noch auf die Schockanrufe zu sprechen. Hier wird vorgegaukelt, die Tochter oder der Sohn sei in einen Unfall verwickelt oder verhaftet worden und brauche nun dringend Geld. Hitz rät dazu, solche Telefonate möglichst schnell zu beenden und andere Wege zu nutzen, um mit den vermeintlich Betroffenen in Kontakt zu kommen. «Man kann innerhalb der Familie auch ein Codewort vereinbaren, wenn man unsicher ist», so sein Rat. Und ganz zuletzt ruft der Experte dazu auf, sich bei den Passwörtern mehr Mühe zu geben. Noch immer benutzen viele einfach zu entschlüsselnde Kombinationen. «Damit machen wir es den Verbrechern einfach», so seine Warnung. Sein Tipp: Mindestens 12 Zeichen, Gross- und Kleinbuchstaben, Zahlen und Sonderzeichen. Da benötigt das Entschlüsseln mehrere Tausend Jahre. Daran beissen sich die Täter also die Zähne aus.