«Keine Chance, also nutzen wir sie»
24.01.2025 BremgartenSorgen kind Casino
Die Stadt präsentiert den Stand der Dinge
Die Auslegeordnung ist gemacht. Doch dass auf dem Casino-Areal ein Projekt umgesetzt wird, scheint in weiter Ferne zu sein. Der Stadtrat hat die Thematik vorerst auf Eis gelegt. ...
Sorgen kind Casino
Die Stadt präsentiert den Stand der Dinge
Die Auslegeordnung ist gemacht. Doch dass auf dem Casino-Areal ein Projekt umgesetzt wird, scheint in weiter Ferne zu sein. Der Stadtrat hat die Thematik vorerst auf Eis gelegt.
Marco Huwyler
Es klang alles gut und machte teilweise richtig gluschtig, was die Verantwortliche von Metron am Dienstagabend im eher spärlich besetzten Casino referierte. Rund vier Jahre lang hat sich ihr Planungsbüro nun mit der Thematik in allen Facetten beschäftigt. Die Vision eines attraktiven, begrünten Casino-Areals, das als zweites Eingangstor zur Altstadt fungiert und als belebte Begegnungs- und Aufenthaltszone floriert, wurde detailliert durchgespielt. Mit einem neuen Casino-Prunkstück als Zentrum des öffentlichen Lebens im Städtli, das modernen Anforderungen an einen zeitgemässen Veranstaltungsort gerecht wird. Dieses soll nach Möglichkeit zurückversetzt auf dem bisherigen Parkplatz zu stehen kommen, womit an der Reuss Raum zur Entfaltung frei wird.
Sanierung wäre ebenfalls teuer
Bloss: Leisten kann sich Bremgarten das Ganze nicht und wird dies auf absehbare Zeit hinaus voraussichtlich auch nicht können. Keinen Neubau – aber auch eine Sanierung nicht, wie am Informationsabend deutlich wurde. Denn die Bauzustandsanalyse hat ergeben, dass eine solche ebenfalls sehr teuer wäre und es deshalb kaum Sinn ergibt, viel Geld in den Status quo zu investieren. Deshalb würden sowohl die externen Gutachter als auch der Stadtrat eine Neubaulösung klar favorisieren. Würden: Denn bei einer solchen gäbe es weitere, schwer zu überwindende Hürden. Der Stadtrat hat das Projekt deshalb einstweilen auf Eis gelegt.
Zukunft Casino: Schwieriger Status quo nach Abschluss der Analysen
Nach dem Abschluss zweier vertiefter Studien liegen verschiedene Varianten für die Zukunft des Bremgarter Casinos und seiner Umgebung vor. Doch dass es auf dem Areal mit dem grossen Potenzial bald vorwärtsgeht, ist trotzdem unwahrscheinlich. Aus diversen Gründen.
Marco Huwyler
Wieder einmal steht das Casino im Fokus. Der Stadtrat informierte diese Woche an einem Informationsanlass über den aktuellen Stand der Dinge. Es ist eines der Themen, die Bremgarten seit Jahren beschäftigen. Nun also wieder eine Auslegeordnung. Gefühlt war man schon mehrmals an diesem Punkt. Anlass diesmal: Nach der Machbarkeitsstudie (für 150 000 Franken) ist nun auch die Vertiefungsstudie (für 95 000 Franken) abgeschlossen. Dabei wurde in den vergangenen Monaten der Bauzustand des Casinos im Detail untersucht und der Kostenrahmen einer allfälligen Sanierung ausgelotet. Mittels Verkehrserhebung wurde zudem geklärt, ob die Strasse am Reussufer für Bremgarten verzichtbar sein könnte. Wieder ist man damit ein Stückchen schlauer geworden. Doch die generelle Lage rund ums Casinoareal bleibt verzwickt.
Wurzeln im 19. Jahrhundert
In einem sind sich alle einig: Das Areal hat riesiges Potenzial und ist wichtig für Bremgarten. Das Gebäude für Veranstaltungen aller Art ist gut ausgelastet und aus dem öffentlichen Leben nicht wegzudenken. Die Umgebung rundherum zu Füssen der Reuss mit dem herrlichen Panorama der Bremgarter «Schoggisiite» im Hintergrund könnte eigentlich so viel mehr sein als Parkplatz, Umschlagplatz und Durchfahrtsstrasse. Kommt hinzu: eigentlich herrscht ziemlich dringender Handlungsbedarf. Das Gebäude – 1836 als Schützenhaus gebaut – erhielt sein jetziges Gesicht als «Casino» im Jahr 1935. Von 1996 bis 1997 wurde das Gebäude zwar renoviert (nachdem damalige Neubaupläne gescheitert waren), doch die damaligen Arbeiten waren auf einen Zeithorizont von rund 15 Jahren ausgelegt. Mittlerweile sind fast 30 ins Land gezogen. Vieles ist veraltet und bald am Ende seiner Lebensdauer.
Zwei Studien von «Metron»
«Das Casino schreit schon heute nach Sanierung», drückte es Vizeammann Doris Stöckli in ihren einleitenden Worten am Dienstagabend aus. Das hat der Stadtrat schon seit Längerem erkannt und die Möglichkeiten auszuloten begonnen. Bereits Ende 2019 wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, um den Zustand des Gebäudes zu prüfen und eine Sanierung einem allfälligen Neubau gegenüberzustellen. Wobei vor gut einem Jahr nochmals Geld dafür gesprochen wurde, da die Analyse des Status quo im Rahmen der Machbarkeitsstudie noch nicht in der gebührenden Tiefe erfolgt war. Nun liegen die Resultate beider Abklärungen vor, für welche die Stadt zweimal das externe Planungsbüro «Metron» beauftragt hatte.
Drei Varianten geprüft
Deren Vertreterin Ines Schmid stellte die kumulierten Ergebnisse der beiden Studien am Dienstag der interessierten Bevölkerung vor. «Wir haben im Wesentlichen drei Varianten geprüft», erklärte sie. 1. Eine umfassende Sanierung des bestehenden Casinos (mit oder ohne zusätzliche Anbauten) 2. Einen Casino-Neubau. 3. Einen Casino-Neubau mit Einbezug des Reussbrückesaals und weiterer umliegender Bauten.
Für die Umgebungsgestaltung (Parkplatz, Strasse, Weg, Reussufer) hat das Planungsbüro bei allen drei Varianten 3,7 Millionen Franken veranschlagt – womit das Areal belebt, einladend und zu einem Ort von «hoher Aufenthaltsqualität» umgestaltet werden soll.
Wie Schmid ausführte, sei die dritte Variante als erste ausgeschieden. Der in diesem Zuge geprüfte Erwerb der Liegenschaft des «El Mosquito» sei momentan nicht realistisch. Der Reussbrückesaal zudem so, wie er jetzt daherkommt, ausreichend und mit Potenzial. «Alles in allem wäre die Variante mit Einbezug des Reussbrückesaals Stand heute massiv zu teuer und daher unrealistisch.»
Umbau würde aufwendig und teuer
Bleibt der Fokus bezüglich Bauten auf dem Casino selbst (Sanierung oder Neubau), wobei es auch hier zahlreiche unterschiedliche Planspiele und Untervarianten gab. Fokussiert bei einem möglichen Umbau hat man sich letztlich auf eine Variante ohne jeglichen Schnickschnack als Basis mit optionalen Erweiterungsbauten für Wünschenswertes. Dabei zeigte sich im Rahmen der Bauzustandsanalyse, dass bereits eine 08/15-Sanierung nach heutigen Standards äusserst hohe Kosten mit sich bringen würde.
Aufgrund von Ufernähe und Denkmalschutz wären die Arbeiten kompliziert. Hinzu kommt, dass man viel Geld in dringende Massnahmen investieren müsste. So zeigte sich etwa, dass das Gebäude nicht mehr den heutigen Standards bezüglich Erdbebensicherheit genügt. Hier wäre ein grosser Eingriff nötig. Ebenfalls kompliziert wäre es, das Dach bezüglich Tragsicherheit auf Vordermann zu bringen. Die Haustechnik müsste rundum erneuert werden und grössere Investitionen in den Brandschutz und die Energieeffizienz würden notwendig.
Hinzu kommt, dass bei der Analyse vereinzelt Asbest festgestellt wurde. «Es ist davon auszugehen, dass bei einem Umbau noch mehr davon zum Vorschein käme», sagte Schmid. Auch dies würde die Arbeiten verteuern. Alles in allem geht das Planungsbüro von konservativ geschätzten Grundkosten von 9,5 Millionen Franken für eine Casino-Gebäudesanierung aus (ohne Mehrwert zum Status quo). Hinzu kämen optional Erweiterungsbauten für Wünschenswertes (wie beispielsweise ein grösseres Foyer oder eine Küche, in der auch gekocht werden könnte) von maximal 6 Millionen. Mit den 3,7 Millionen der Umgebungsgestaltung käme man so auf Gesamtkosten eines Sanierungsprojekts mit Erweiterungen von bis zu 19,2 Millionen Franken.
Neubau wäre sinnvoller
Ein Neubau hätte demgegenüber den grossen Vorteil, dass das Casino nicht am selben Ort zu stehen hätte. So könnte dieses auf dem heutigen Parkplatz gebaut werden und würde zum Reussufer hin Raum zur Gestaltung frei machen. Und: Man wäre frei in Grösse, Raumanordnung und Gestaltung. Schätzungen des Planungsbüros gehen davon aus, dass für einen Neubau nach heutigen Anforderungen und Bedürfnissen rund 16,1 Millionen Franken aufgewendet werden müssten. Optional liesse sich für 5 Millionen zusätzlich eine Tiefgarage unter dem Casino realisieren.
Vergleicht man die Umbau- und Neubauvarianten (inkl. allfälliger Erweiterungsbauten und Umgebungsgestaltung – ohne Tiefgarage), stehen also 19,2 Millionen (Umbau) 19,8 Millionen (Neubau) gegenüber. Kein Wunder, kommen sowohl Planungsbüro als auch Stadtrat zum Schluss: Ein Neubau wäre sinnvoller und würde idealerweise so bald als möglich aufgegleist.
4 bis 7 Steuerprozente
Leider aber ist angesichts der Projektkosten weder ein Umbau noch eine Sanierung wirklich realistisch. Denn dafür fehlt schlicht das Geld in der Stadtkasse. «Es wären rund 4 bis 7 Prozentpunkte, die wir die Steuern Stand jetzt alleine für ein Casinoprojekt erhöhen müssten», rechnete am Dienstag Stadtrat Stephan Troxler vor. Da einige noch dringendere Ausgaben anstehen – wofür ebenfalls teilweise das Geld fehlt mit dem aktuellen (bereits erhöhten) Steuerfuss (Stichwort Bärenmatte) – und die Steuern auch ohne neues Casino weiter steigen dürften, mutet das geradezu abenteuerlich an. Und bringt die Verantwortlichen in eine ungemütliche Lage. «Wir wissen, dass wir eigentlich jetzt das Casino anpacken müssten, können es aber nicht. Das ist nicht schön», sagte Troxler unverblümt.
Die Krux mit dem Denkmalschutz
Hinzu kommt, dass einem Casino-Neubauprojekt eine weitere grosse Hürde im Wege stünde. Denn mittlerweile gehört das bestehende Gebäude zum kantonalen Inventar der schützenswerten Bauten. Heisst: Abreissen könnte man das jetzige Casino nicht einfach so mir nichts, dir nichts. Der Stadtrat müsste dafür mit einem durch Fachgutachten gestützten Projekt darlegen können, dass die Vorteile eines neuen Casinos diejenigen des bestehenden in hohem Masse überwiegen. Dafür wäre ein ordentliches Verfahren notwendig. Und, vorgängig, ein konkretes Neubauprojekt.
Das heisst, dass die Bremgarter Bevölkerung zuerst den Entscheid «Pro-Neubau» inkl. Projektierungskosten fällen und tragen müsste – mit dem Risiko, dass das Projekt dann (bei Widerstand des Denkmalschutzes) im Extremfall vor Gericht Schiffbruch erleidet. Wieder viel Geld, das man potenziell in den Sand setzen würde. Und solcherlei kann und will man sich wohl auf absehbare Zeit im Städtli nicht leisten.
Marschhalt eingelegt
Angesichts dieser verzwickten Lage hat der Stadtrat nun «einen Marschhalt» eingelegt, wie es Troxler am Dienstag nannte. Bis zu den Gesamterneuerungswahlen lässt man das Casino-Projekt nun erst mal ruhen. Dann, in neuer Zusammensetzung, will sich der Stadtrat in der neuen Legislatur ab 2026 wieder mit dem Casino beschäftigen. Wobei auch dann guter Rat teuer sein wird.
Am Dienstagabend mündete die schonungslos desillusionierte Auslegeordnung von Stadtrat Troxler in einer munteren Diskussion, während der gehadert wurde, aber auch der Galgenhumor nicht zu kurz kam. «Wer ist eigentlich auf die bescheuerte Idee gekommen, diese Schachtel unter Denkmalschutz zu stellen?», fragte ein Anwesender etwa ins belustigte, aber zustimmende Rund (Antwort: der Kanton). Andere fanden klare Worte zum zuvor Gesagten und fassten dieses treffend zusammen: «Wir müssten in einen Neubau investieren. Dürfen aber nicht. Und Geld haben wir auch keines. Eigentlich ist es unausweichlich, dass in ein paar Jahren rote Bänder ums Casino aufgestellt sind mit der Aufschrift: Betreten verboten.»
Lösung: Utz-Arena?
So sehr den Kopf in den Sand stecken möchte der Stadtrat indes selbstredend noch nicht. «Wir müssen kreativ werden und ‹out of the box› denken», regte Troxler an. «Dabei ist jeder Bürger ebenfalls herzlich eingeladen.» Alternative Finanzierungsmethoden etwa wären gefragt. Beispielsweise durch Namenssponsoring. Die «Utz-Arena» brachte ein Votant schon einmal ins Spiel. Gewöhnungsbedürftig wäre solches alleweil, aber allenfalls ein gangbarer Weg. Denn auf klassischen Pfaden scheint man derzeit festgefahren zu sein. Oder, um es in den Worten einer weiteren Wortmeldung des Abends zu sagen: «Wir haben momentan scheinbar keine Chance, also nutzen wir sie.»
Verkehrserhebung: Strasse braucht es
Im Rahmen der Zustandsanalyse wurde auch das Verkehrsaufkommen rund um das Casino erhoben. Dabei sollte geprüft werden, inwiefern es den Strassenabschnitt am Reussufer von Holzbrücke bis Parkplatz Isenlauf in Zukunft noch benötigt.
Die Analyse ergab, dass von 600 Fahrten täglich rund zwei Drittel zu den öffentlichen Anlagen (Josef-Stiftung, Schule, Schwimmbad) unterwegs sind. «Deshalb kommen wir zum Schluss, dass es die Strasse weiterhin braucht – weil sonst das Isenlauf-Quartier über Gebühr verkehrsbelastet würde», wie Stadtrat Stephan Troxler erklärte.
Ziel sei es aber, bei der Umgestaltung der Casino-Umgebung die Strasse künftig hinter dem Casino durchzuführen. Damit aus dem Uferbereich eine Begegnungs- und Aufenthaltszone werden kann. Anstelle des jetzigen Casino-Parkplatzes wäre je nach Szenario eine Tiefgarage unter dem Casino oder ein Parkhaus auf Teilen des heutigen Isenlauf-Parkplatzes vorgesehen. --huy