«Inspiration für die Zukunft»
16.09.2025 Region Wohlen, Bremgarten, Energie50-Jahr-Jubiläum gefeiert
Bremgarter Flusskraftwerk lud ein
Den 50. Geburtstag ihres Kraftwerks Bremgarten-Zufikon nutzte die AEW, um die Bevölkerung auf ihre Anlage einzuladen, die aufgrund ihrer Geschichte und Auswirkungen auf Flora und Fauna ...
50-Jahr-Jubiläum gefeiert
Bremgarter Flusskraftwerk lud ein
Den 50. Geburtstag ihres Kraftwerks Bremgarten-Zufikon nutzte die AEW, um die Bevölkerung auf ihre Anlage einzuladen, die aufgrund ihrer Geschichte und Auswirkungen auf Flora und Fauna der Region weit mehr ist als bloss ein Kraftwerk. Anlass genug, um zurückzublicken – aber auch, um mit wichtigen Entscheidungsträgern über die Zukunft zu debattieren. --huy
Die AEW feiert 50 Jahre Kraftwerk Bremgarten-Zufikon
Mit einem kleinen Volksfest samt interessanten Ausstellungen und Führungen beging die AEW das Jubiläum seines grossen Bremgarter Flusskraftwerks. Rund 1500 Besucherinnen und Besucher erhielten so einen spannenden Einblick.
Marco Huwyler
«Ein Werk des Zusammenraufens». So titelte diese Zeitung vor einigen Tagen, als es anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums um die faszinierende gemeinsame Entstehungsgeschichte des Flusswasserkraftwerks Bremgarten-Zufikon und des Flachsees ging (vgl. Berichterstattung vom 5.9.). Und so war es ja auch. Eine beispiellose Zusammenarbeit zwischen Naturschutz, Energiebranche, Landwirtschaft und Hochwasserschutz. Ein Kraftakt, bei dem sämtliche Parteien an einem Strick zogen und bei dem die Kompromissfindung und nicht die Gegensätze im Mittelpunkt standen.
Und doch – jene, die dabei waren, mögen sich erinnern, dass damals mitnichten alles Friede, Freude, Eierkuchen war, rund um die Reusstalsanierung. Die Tatsache, dass die betroffenen Bezirke Bremgarten und Muri dagegen stimmten und vom Rest des Kantons überstimmt wurden, lässt erahnen, dass auch die Gegnerschaft des Mammutprojekts laut und zahlreich war. «Man hat die Beamten aus Aarau, die das Ganze nach dem Volksbeschluss umsetzen sollten, hier mit Beil und ratternden Kettensägen empfangen und ihnen alle Schande gewünscht», erzählt ein Zeitzeuge schmunzelnd. Anlass zur lebhaften Erinnerung ist die Feier des 50. Geburtstags der AEW. Die natürlich viel Raum bietet, um auf die faszinierende Entstehungsgeschichte zurückzuschauen. Aber welche die AEW auch nutzt, um sich selbst im besten Licht zu präsentieren. Mit Führungen, Attraktionen, Ständen und attraktiven Verpflegungsangeboten. Denn die Bratwurst kostet hier nur zwei Franken. «Wie vor 50 Jahren eben», lächelt Yvonne Kohler, Kommunikationsverantwortliche der AEW.
Die Kraft ist spürbar
Während damals, vor einem halben Jahrhundert, die Eröffnungsfeier noch von lauten Nebengeräuschen begleitet war, ist am Jubiläumsgeburtstag wirklich alles eitel Sonnenschein auf dem Kraftwerksgelände. Nicht nur des goldenen Herbstwetters wegen. Geschätzte 1500 bestens gelaunte Besucherinnen und Besucher pilgerten am Samstag zum AEW-Areal am Bremgarter Stadtrand. «Die angebotenen Führungen waren allesamt ausgebucht», lächelt Kohler zufrieden. Das entspricht 700 Personen, welche die Gelegenheit nutzten, das prägende Geburtstags-Bauwerk einmal von innen zu besichtigen. Eines, das die Reuss auf 9 Kilometern staut und damit den wunderbaren Flachsee kreiert. Eines, das pro Jahr 106 Millionen Kilowattstunden Strom produziert und damit ein Äquivalent von 24 000 Haushalten mit Strom versorgt. Und doch ist das Ganze eigentlich nur Mittel zum Zweck. «Es ist der Hochwasserschutz, der damals bei der Erstellung im Zentrum der Überlegungen stand», weiss Marc Ritter, CEO der AEW, der anlässlich der Feierlichkeiten auch auf dem Festivalgelände verweilte.
Andere Angestellte seines Unternehmens sind hier jeden Tag vor Ort. 7 Mitarbeiter unter der Führung von Marcel Bieri sorgen dafür, dass die zwei gewaltigen Turbinen ständig brummen und ihre Aufgabe reibungslos erledigen. Am Tag der offenen Tür führen sie die Besucher durch die Anlage. Die Kraft des Flusskraftwerks ist beim Betreten spürbar. Der Boden vibriert. Die Luft dröhnt. Eine Führung unter diesen Umständen ist gar nicht so einfach. Der Führende braucht eine laute Stimme. Und je näher man zum Kernstück der Anlage kommt, desto mehr ist der Rundgang nicht jedermanns Sache. Menschen mit Herzschrittmachern müssen umkehren. Den Grund kann auch ein Normalo spüren – die elektromagnetischen Schwingungen rund um die dröhnenden Wassermassen und Maschinen merkt man nicht bloss in der Brust, sondern im ganzen Körper.
400 Tonnen Treibgut
Drei Stöcke darüber ist es deutlich leiser und angenehmer. Hier, mit Blick auf die ganze Anlage inklusive der 11 Meter hohen Wasserfälle bei geöffneten Schleusen, liegen die Schaltzentrale und das Büro des Flusskraftwerks. Die Funktionen des Strombetriebs werden hier laufend überwacht, die Fliessmengen geregelt und bei den kleinsten Abweichungen Massnahmen ergriffen.
Für den Super-GAU eines Dammbruchs oder dergleichen gibt es einen auffälligen roten Notfallknopf, der bei Bedarf sofort die Sirenen in der ganzen Region erklingen lassen würde. Doch glücklicherweise musste er in 50 Jahren noch nie betätigt werden. Meistens sind es kleine Dinge, die bei einer Störungsmeldung anfallen. «Beispielsweise Schwemmgut der Rechenreinigungsmaschine, das überprüft werden muss», erklärt der Bremgarter Teamleiter Marcel Bieri den Schaulustigen. Denn der Fluss liefert tagtäglich nicht nur Wasser ans Kraftwerk. 200 bis 400 Tonnen Treibgut werden jährlich angeschwemmt und rausgefiltert. Das meiste davon natürlichen Ursprungs, wie beispielsweise Äste bis hin zu Baumstämmen. Aber auch Menschengemachtes. Zumeist Abfall, aber teilweise auch Verlorengegangenes. «Der Klassiker sind Fussbälle», erzählt Bieri. «Jeder Mitarbeiter hier hat sicher schon mindestens fünf noch tadellose davon nach Hause genommen. Ein ideales Geschenk für Kinder in unserem privaten Umfeld», lacht der Kraftwerksbetriebsleiter.
Ein rundes Bild vom Ganzen
Und so erfährt man an dieser Jubiläumsfeier nicht nur eindrückliche Fakten rund um den in Bremgarten erzeugten Strom und die Kräfte der Reuss, sondern auch so manche kleine Episode aus dem Kraftwerksalltag zum Schmunzeln. Ein rundes Bild vom Detail bis zum grossen Ganzen, das ein Paradebeispiel für gelungene Synergien darstellt. «Auch heute angesichts der Herausforderungen rund um das Thema Strom müssen wir uns wieder in vielerlei Hinsicht zusammenraufen», sagt AEW-CEO Marc Ritter. Das Kraftwerk Bremgarten-Zufikon und den Flachsee sieht er deshalb weiterhin als lobendes Beispiel, das ein Vorbild sein kann. «Eine Inspiration für das Miteinander der Zukunft.»
Wie weiter mit unserem Strom?
50 Jahre AEW Bremgarten-Zufikon: Grosse Podiumsdiskussion am Rande der Feierlichkeiten
Die AEW nutzte die Gelegenheit des Jubiläums und lud in Bremgarten zu einer hochkarätigen Diskussionsrunde zum Thema Wasserkraft und Energiezukunft.
Marco Huwyler
Wenn man ein halbes Jahrhundert feiert, dann ist Knausern fehl am Platz. Dachten sich wohl jedenfalls die Verantwortlichen der AEW. Und so liess man sich auch für das Rahmenprogramm rund um das grosse Bremgarter Kraftwerk-Jubiläum nicht lumpen. Bereits am Mitarbeiterfest vergangenen Donnerstag soll es lustig zu und her gegangen sein. Und am Freitag lud der Aargauer Energieriese vor 70 geladenen Gästen zu einer Podiumsdiskussion, die in punkto Besetzung, Relevanz und Gesprächskultur so ohne Weiteres auch im Fernsehen hätte ausgestrahlt werden können.
Wasserparadies Bremgarten
Das begann schon bei der Gesprächsleitung. Karin Frei hat 30 Jahre SRF-Erfahrung auf dem Buckel und moderierte etwa jahrelang die Diskussionssendung «Club». Nun war sie zu Gast in Bremgarten. «Ein Ort, den ich immer wieder gerne besuche», lächelte sie eingangs. «Der Aargau mag ein Wasserschloss sein – aber Bremgarten ist ein Wasserparadies.» Damit hatte sie die Einheimischen natürlich schnell für sich gewonnen. Wobei es gar nicht so sehr die Bremgarter waren, die sich hier zum Austausch zusammengefunden hatten. Vielmehr trafen sich hier wirtschaftliche Entscheidungsträger und Politiker aus Region und Kanton. Und natürlich viele AEW-Vertreter.
Schwierige Ausgangslage
Deren CEO Marc Ritter war denn auch Teil der vierköpfigen Runde, die sich dem Fragenkreis stellte. Mit Regierungsrat Stephan Attiger, Andreas Stettler vom Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband (hydrosuisse) sowie Grossrat und Pro-Natura-Aargau-Geschäftsführer Matthias Betsche wurden die Energieversorgung der Schweiz und die Rolle der Wasserkraft dabei diskutiert. Bereits zuvor hatte der kantonale Leiter der Abteilung Energie Adrian Fahrni über Strategien und Herausforderungen in der Strombranche referiert. «Wir brauchen Versorgungssicherheit heute, damit die Energiewende morgen gelingen kann», sagte er. Kein leichter Spagat. «Der Ausbau der Windenergie stockt. Der Boom der Solarkraft ist rückläufig. Das Potenzial der Wasserkraft ist weitgehend ausgereizt und die Atomenergie soll zurückgefahren werden – das alles bei steigendem Energiebedarf», brachte er die Schwierigkeiten bereits vor der Podiumsdiskussion auf den Punkt.
Gegner an Bord holen
Trotz dieser Ausgangslage war die Debatte anschliessend auch von viel Zuversicht geprägt. «Wenn es uns gelingt, nicht nur alle Interessen an einen Tisch zu bringen, sondern auch den Schritt vom Dialog zur Partnerschaft zu machen, wie damals vor 50 Jahren in Bremgarten, dann ist vieles möglich», sagte Pro-Natura-Vertreter Betsche. Nur wenn man wichtige Anspruchsgruppen gemeinsam an Bord hat, könne es gelingen, beschlossene Projekte auch umzusetzen. «Denn es liegt an uns, die Bevölkerung zu überzeugen.» Während ein Publikumsvotum von Grüne-Politiker und WWF-Vorstandsmitglied Jonas Fricker sich diesbezüglich skeptisch zeigte, «angesichts der derzeitigen FDP/SVP-Mehrheit im Aargau, die im Polit-Alltag knallhart ausgespielt wird und Kompromisse verunmöglicht», gab sich Regierungsrat Attiger von ebenjener FDP durchaus konziliant. «Die Umwelt und die Natur sind letztlich für uns alle wichtig. Auch wenn manche von uns die Prioritäten manchmal anders setzen», sagte er. Komme es wirklich darauf an, seien auch heute konsensfähige Lösungen möglich. Und so soll es in den kommenden Jahren beispielsweise gelingen, auch in punkto Windenergie einen Schritt vorwärtszumachen.
Mühe mit Verbandsbeschwerderecht
Eine Hürde auf diesem Weg verordnet Andreas Stettler vor allem auch beim Verbandsbeschwerderecht. «Dank diesem Instrument haben wir es immer wieder mit Fundamentalopposition zu tun, egal worum es geht», ärgert sich der Wasserwirtschaftsverbandsvertreter. Als Repräsentant eines Umweltverbandes wollte dies Betsche natürlich nicht so stehen lassen. «Dass die Verbände das Problem sind, finde ich wahrlich zu kurz gedacht», sagte der Pro-Natura-Geschäftsführer. Vielmehr müsse man schauen, dass man diese eben mit einbezieht. «Denn gerade wir verschliessen uns gangbaren Kompromissen nicht. Das haben wir schon oft bewiesen.» Das musste denn auch Stettler eingestehen. «Ja, mit Pro Natura und auch dem WWF kann man diskutieren. Aber das gilt eben nicht für alle.» Weshalb er es begrüssen würde, wenn man hier rechtliche Hürden verringert.
Auch Regierungsrat Attiger weiss um das Problem des Verhinderns in der Schweiz. Im Zuge dessen wies er auf die Notwendigkeit von Übergangstechnologien, wie Gaskraftwerken hin, um in den nächsten Jahren Engpässe zu vermeiden. «Denn wir wissen alle, wie lange die Umsetzung von grossen Projekten dauert.» Auch AEW-CEO Ritter sprach in der Folge über die Pflicht, ganzheitlich zu denken. «Und das bedeutet auch, dass wir über die Landesgrenzen schauen müssen. Denn die Strom-Debatte hört dort nicht auf», sagte er – auch ein Verweis auf die Strom-Importe und -Exporte der Schweiz. «Wir müssen deshalb auch künftig Hand in Hand mit der EU arbeiten und gemeinsame Lösungen bezüglich Energieversorgung anstreben.»
Speicher und Netz
Gewachsen ist in den vergangenen Jahren im Aargau und schweizweit der Anteil der Solarenergie. Doch die Technologie bringt bekanntlich auch Schwierigkeiten mit sich. Allen voran die stark schwankende Produktivität und der eklatante Unterschied zwischen Sommer und Winter. Ein wichtiger Faktor der Energieversorgung der Zukunft ist nicht nur deshalb die Möglichkeit, Strom bei Überproduktion zu speichern und damit die Netze zu entlasten. «Deshalb müssen wir uns längst nicht nur über Produktivität Gedanken machen, sondern über Speicher und den Ausbau der Netzkapazität. Das wird in den kommenden Jahren mindestens so zentral sein wie die Steigerung der Produktion», sagte Attiger folgerichtig.
Kleines nicht unterschätzen
Eines ist an diesem Podium für alle klar: Auch aufgrund ihres vergleichsweise konstanten Outputs, aber vor allem aufgrund ihres grossen Anteils am Stromkuchen bleibt die Wasserkraft auch in Zukunft elementar wichtig. Doch das Potenzial ist begrenzt – es ist vielfach nahezu ausgeschöpft. Gerade im Aargau. «Platz für Neubauprojekte gibt es praktisch keine mehr – und wenn, wären sie schwer umzusetzen», erklärte Ritter. Bleibt die Möglichkeit, bestehende Kraftwerke noch produktiver und effizienter zu machen. «Wobei wir dies ohnehin laufend tun», wie Ritter betonte. Vieles sei heute schon auf neustem Stand. Man habe über 100 Jahre hinweg immer wieder modernisiert. «Und dennoch bleibt es wichtig, dass man hier dranbleibt», ergänzte Stettler. Denn man müsse sehen: «Wenn wir aus einem grossen Wasserkraftwerk 10 Prozent mehr herausholen können, tönt das zwar nicht nach viel – entspricht aber aufgrund der Dimensionen gleich dem Äquivalent von einem oder zwei neuen Windparks.»
«Wunschlos glücklich»
Und so wird der Aargau auch, wenn er dereinst seine Atomkraftwerke verlieren sollte, weiterhin eine zentrale Rolle in der Stromproduktion der Schweiz einnehmen. Denn schliesslich ist man ja ein Wasserschloss. Dessen Wasserparadies Bremgarten im Übrigen auch in den kommenden 50 Jahren seinen Anteil an der Versorgungssicherheit leisten soll. Moderatorin Frei fragte ebendort zum Abschluss, was man denn der AEW zum grossen Bremgarter Jubiläum wünsche. «Mit der AEW bin ich wunschlos glücklich», sagte Regierungsrat Attiger und erntete damit viele Lacher. Und auch wenn das vielleicht nicht zu 100 Prozent stimmt – zu einem runden Geburtstag darf man ja auch einmal etwas schmeicheln. Zumal Feier samt Podium tatsächlich wenig zu wünschen übrig liess.