Immer nach vorn geschaut
31.12.2024 Region BremgartenMenschen mit einem besonderen Jahr: Renate Ballmer, Gemeindeammann von Fischbach-Göslikon
Sie hat ein sehr intensives Jahr erlebt – Renate Ballmer. Die Fischbach-Gösliker Gemeinderätin wurde im März zur Frau Gemeindeammann gewählt und leitet ...
Menschen mit einem besonderen Jahr: Renate Ballmer, Gemeindeammann von Fischbach-Göslikon
Sie hat ein sehr intensives Jahr erlebt – Renate Ballmer. Die Fischbach-Gösliker Gemeinderätin wurde im März zur Frau Gemeindeammann gewählt und leitet seither die Geschicke des Dorfes. In ihrer neuen Rolle ist sie endgültig angekommen.
Roger Wetli
«Ich glaube nicht, dass ich mich in diesem Jahr stark verändert habe», lacht Renate Ballmer. Sie fügt an: «Eine solche Einschätzung durch mich selbst ist aber auch schwierig. Das sollen andere beurteilen.» Hört man sich herum, trifft man immer wieder Aussagen im Stil an, dass Renate Ballmer im Vergleich zur Sommer-«Gmeind» an der Winter-«Gmeind» deutlich selbstsicherer aufgetreten ist. Das vermutet auch die Frau Gemeindeammann. «Vor der ersten Gemeindeversammlung absolvierte ich einen Kurs zur Leitung einer solchen Versammlung. Ich erhielt den Tipp, mit meiner ersten «Gmeind» ein «Fahrschüler-L» an den Tisch zu hängen und habe das an der «Gmeind» auch umgesetzt. Das gab die ersten Lacher und löste die Spannung.» Sehr gefreut hat sie sich, als nach der Versammlung ein Bürger das «L» vom Tisch löste, ihr übergab und meinte: «So, das brauchst du jetzt nicht mehr.» Selbst kritische Bewohner hätten ihr nach dieser Versammlung Komplimente gemacht. «Das freute mich und gab mir sicher Selbstvertrauen», ist Renate Ballmer überzeugt.
Zu dritt und ohne Budget
Dabei hatte Renate Ballmer kein einfaches Jahr zu bewältigen. Nach dem Rücktritt per sofort von Andreas Wyss Anfang November 2023 und ein paar Wochen später von Gemeindeammann Hans Peter Flückiger auf Ende Jahr startete der Fischbach-Gösliker Gemeinderat das Jahr 2024 nur zu dritt. Da die Gemeindeversammlung im November 2023 zudem das Budget 2024 abgelehnt hatte, verfügte die Gemeinde zu Beginn des Jahres über kein gültiges Budget. «Es traf damit ein Horrorszenario ein. Ich konnte trotzdem über Weihnachten und Neujahr abschalten», ist sie froh. «Als Mutter von Kindern im Alter von 9, 12 und 14 Jahren ist diese Zeit Ende Jahr immer etwas sehr Spezielles.» Sie verfüge zudem über die Eigenschaft, auch mal etwas Abschliessen zu können. «Fehler passieren nun mal. Man sollte danach einen Strich ziehen und wieder nach vorn schauen.» Nach diesem Motto lebt sie.
Dass der Neujahrsapéro ohne gültiges Budget trotzdem stattfinden konnte, weil dieser durch Vizeammann Thomas Rohrer, sie und durch Finanzkommissionsmitglieder bezahlt wurde, sei in der Bevölkerung sehr gut angekommen.
Weil die Ersatzwahlen für den Gemeinderat erst Anfang März anstanden, galt es, zu dritt zusammen mit der Finanzkommission und der Verwaltung ein Budget zu erstellen und für die ausserordentliche Gemeindeversammlung Mitte Februar vorzubereiten. «Wir kannten die Forderungen der Finanzkommission. Sie waren transparent und nicht gegen den Gemeinderat gerichtet, sondern zugunsten der Gemeinde», weiss sie. Die Situation Mitte Februar präsentierte sich dann auch ganz anders als Mitte November. Lehnte damals die Finanzkommission das Budget 2024 ab, unterstützte sie es diesmal. Die Stimmberechtigten sagten Ja. «Das war für uns eine riesige Erleichterung und zeigte, dass wir auf dem richtigen Weg sind», ist Renate Ballmer froh. «Wir haben jetzt aufgeräumt und mit der Finanzkommission eine Vertrauensbasis aufgebaut.»
Auch mal in Arbeitshosen
Nach dieser Versammlung ging es Schlag auf Schlag. Rund zwei Wochen nach der Ausserordentlichen Gemeindeversammlung wurde Ballmer zur neuen Frau Gemeindeammann gewählt. «Ich nahm dieses Amt mit Freude und einer gewissen Demut an. Natürlich macht es mich stolz, die Gemeinde führen zu dürfen. Gleichzeitig bilde ich mir auf diesen Titel nichts ein», betont Renate Ballmer. «Ich bin mir auch nicht zu schade, selbst anzupacken. Am Jahreszeitenmarkt trifft man mich zum Beispiel in Arbeitshosen an, weil ich dort Tische herumschleppe. Ich kann einfach nicht rumsitzen und den anderen bei der Arbeit zuschauen», lacht sie. Die Frau Gemeindeammann weiss , dass auch dieses Verhalten von der Bevölkerung wahrgenommen und positiv bewertet wird. «Ich tue das aber nicht deshalb, sondern weil es meinem Naturell entspricht», unterstreicht sie.
Zu diesem Naturell gehört auch, dass sie verinnerlicht hat, dass man zu Fehlern stehen muss und sich dafür entschuldigt. «Das haben mir meine Eltern beigebracht. Mein Vater sagte: ‹Es fällt dir deshalb kein Stein aus der Krone.» Nach den Turbulenzen der Vorjahre sei es ihr ein Anliegen gewesen, wieder Transparenz zu schaffen. «Manche Geschäfte dauern halt länger für die Vorbereitung als ursprünglich gedacht. Und bei manchen «Gmeinds»- Traktanden kommen kurz vor der Versammlung noch unerwartete Aspekte dazu, die man zuerst sauber abklären muss.» Das solle man dann auch kommunizieren. «Ich gehe nicht mit halbgaren Geschäften an eine «Gmeind». Ich muss dahinter stehen können, sonst bringt es nichts», betont sie. Ihr sei es zudem wichtig, ehrlich und für das Volk verständlich zu kommunizieren.
Grosser Rückhalt
Einen grossen Rück- und Zusammenhalt fühlt Renate Ballmer von den anderen Gemeindeammännern. «Das schätze ich sehr. Ich wurde sehr gut aufgenommen und darf sie auch jederzeit fragen.» Für den Rücktritt von Vizeammann Thomas Rohrer auf Ende dieses Jahres hat sie grosses Verständnis. «Bei ihm stimmte die Balance zwischen Gemeinderat, Familie und Beruf nicht mehr. Zudem kündigte er seinen Rücktritt bereits früh an.» Mit ihr, Claudia Long und Stephan Gsell seien immer noch drei erfahrene Gemeinderäte im Fischbach-Gösliker Gemeinderat im Amt. Und der neue Vizeammann Martin Iten habe sich nach seiner Wahl in den Gemeinderat Anfang März sehr gut eingearbeitet. «Es ist auch toll, welch grosses Interesse Pascal Stahl zeigt, der Anfang Januar sein Amt antritt», freut sich die Frau Gemeindeammann.
Sie fühle sich wohl in ihrer aktuellen Rolle und finde es toll, die Gemeinde aktiv mitzugestalten. «Stand heute, werde ich mich für die Gesamterneuerungswahlen für die Amtsperiode 2026 bis 2029 wieder zur Verfügung stellen. Ich freue mich, wenn ich das Vertrauen der Bevölkerung erneut gewinne.» Ihr Spagat zwischen Familie, Beruf und Amt funktioniere und sei gar weiter gefestigt als früher. «Mein Partner steht voll hinter mir und entlastet mich. Der Spruch, dass hinter jeder erfolgreichen Frau ein starker Mann steht – und umgekehrt – trifft bei mir voll zu. Mein Partner fängt mich auf. Das ist Gold wert.» Für 2025 wünscht sich Renate Ballmer, dass der Rat die Herausforderungen erfolgreich meistern kann. «Ich freue mich darauf. Und stosse auch gerne mit der Bevölkerung am 1. Januar in der Schulhausarena auf das neue Jahr an.»