Im Kleinen viel bewirken
21.02.2025 Eggenwil, Widen, Region BremgartenAngela Grüsner und ihr Team retten Frösche und Kröten
Sobald die Temperaturen über 3 bis 4 Grad steigen, beginnt die Amphibienwanderung. Auf der Nebenstrasse zwischen Eggenwil und Widen sorgen Angela Grüsner und ihr Team dafür, dass die Tiere ...
Angela Grüsner und ihr Team retten Frösche und Kröten
Sobald die Temperaturen über 3 bis 4 Grad steigen, beginnt die Amphibienwanderung. Auf der Nebenstrasse zwischen Eggenwil und Widen sorgen Angela Grüsner und ihr Team dafür, dass die Tiere sicher in ihrem Hochzeitsgewässer ankommen. Sie stossen dabei auf Widerstand.
Roger Wetli
«Leider fehlt einigen Autofahrern das Verständnis», schüttelt die Eggenwilerin Angela Grüsner den Kopf. Sie steht auf der Nebenstrasse zwischen Eggenwil und Widen. Schilder signalisieren seit dem 13. Februar von beiden Seiten, dass hier während zirka sechs Wochen nachts zwischen 19 und 5 Uhr ein allgemeines Fahrverbot herrscht. Dies, damit die wandernden Amphibien nicht überfahren werden. Trotzdem kreuzt sie und den Journalisten gerade ein Auto. «Das kommt leider oft vor, auch mit Fahrverbotssignalisierung», bedauert Grüsner. Bleibt es diesmal beim langsamen Vorbeifahren, haben sie und ihr Team nicht immer so viel Glück: «Ab und zu werden wir trotz Leuchtwesten fast umgefahren. Manche schimpfen lauthals über uns und fluchen uns an.»
Jährlich bis 2000 Tiere
Kraft gibt allen Helferinnen, Helfern und ihr diese ehrenamtliche Arbeit trotzdem. Jetzt, in der 17. Saison, betreuen sie und ihr Team diese Amphibienzugsstelle zwischen Eggenwil und dem Gyreweiher in Widen. In zwei Schichten ab zirka 18 und 19.30 Uhr laufen sie je zu zweit die Nebenstrasse mit Kesseln ab, kontrollieren die provisorisch aufgestellten Amphibienwände und tragen die Tiere zum Gyreweiher. Dort werden sie am Gewässerrand rausgelassen. «Die Kröten, Grasfrösche und Molche sollen selbst entscheiden, wann sie ins Wasser wollen», lacht Angela Grüsner.
In intensiven Zugnächten könne ein Einsatz schon mal drei bis viereinhalb Stunden dauern. «Und am nächsten Tag müssen ein Grossteil der Helferinnen und Helfer wieder für die Arbeit fit sein», atmet sie einmal tief durch. Grüsner weiss, dass der Gyrenweiher für die Amphibien der Umgebung ein wichtiges Laichgewässer ist. Sobald im Februar die Temperaturen über 3 bis 4 Grad steigen und die Luft feucht ist, wandern die Tiere nachts aus ihren Unterschlüpfen in den umliegenden Wäldern zum Weiher. Ist das Kulturland für sie kein Hindernis, droht ihnen auf den Nebenstrassen Gefahr, überfahren zu werden. «Deshalb gibt es dann das Allgemeine Fahrverbot.»
In der Regel sind es in sechs Wochen rund 2000 Tiere, die sie einsammeln. Wobei die Zahlen vor zehn Jahren mit über 2300 Amphibien höher waren als heuer. «2024 zählten wir gar nur knapp 1000 Tiere. Das war aber wohl auch dem sehr trockenen Wetter geschuldet», vermutet Angela Grüsner. Zu rund 80 Prozent sammeln sie Erdkröten, dazu kommen viele Grasfrösche, einige Molche und vereinzelt Feuersalamander und Ringelnattern. «Es sind sehr schöne Erlebnisse», strahlt sie. «Wir sehen nachts auch andere Tiere wie Rehe, Füchse oder Igel.»
Kröte fand Gefallen an Arm
Eindruck machte ihr an einem Abend ein Erdkröten-Männchen, das sich entschied, die rettende weibliche Helferinnen-Hand nicht mehr loszulassen. «Es klammerte sich so fest ums Handgelenk und wärmte sich sogar im Jacken-Ärmel etwas auf. Erst zu Ende der Schicht hatte es dann ein Einsehen und tauschte seine 2-beinige Auserkorene gegen eine Erdkröten-Dame ein, welche sich bereits im Wasser befand», lacht sie. «Das war im wahrsten Sinne des Wortes eine hautenge Begegnung mit den Amphibien.»
Auch am Abend mit dem Journalisten werden Erdkröten-Männchen gefunden. Diese zeigen sich aber unkompliziert. «Der schönste Lohn nach erfüllter Schicht ist für alle Helferinnen und Helfer immer wieder der Blick in den Gyrenweiher», erklärt die Eggenwilerin. «Man sieht von Abend zu Abend immer mehr Laichschnüre der Erdkröten sowie Laichballen der Grasfrösche. Und jeder fühlt sich ein bisschen wie eine Hebamme.»
Hier konkret Einfluss nehmen
Sie bedauert, dass sich das Team aktuell in einem Schrumpfprozess befindet. «2024 bestanden wir noch aus 24 Personen. Heuer sind wir nun noch 16. Es wäre toll, wieder mehr Helfer zu haben, um die Einsätze auf mehr Leute zu verteilen.» Alle Gyrenweiher-Teammitglieder motiviert an dieser Tätigkeit, dass sie konkret an ihrem Wohnort etwas für die Natur machen können und auch somit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten. «Es ist ein kleiner Tropfen auf den heissen Stein der globalen Umweltprobleme. Aber einer, auf den jeder Einzelne aktiv Einfluss nehmen kann», ist sie begeistert. «Wir alle vom Gyrenweiher-Team hoffen, dass unser Einsatz künftig auch von den Fahrzeuglenkern respektiert wird. Es sind ja nur während sechs Wochen einige Stunden, in denen sie diese Nebenstrassen nicht befahren dürfen und damit viele Amphibienleben retten.»
Wer aktiv vor Ort mithelfen möchte, dass die Hochzeitsreise der Amphibien ein «Happy End» nimmt, kann sich per E-Mail an kroeten@bluewin.ch wenden.
Sporadische Kontrollen durch die Polizei
«Auf dieser Nebenstrasse zwischen Eggenwil und Widen machen wir während der Amphibienwanderung Kontrollen, um das Nachtfahrverbot durchzusetzen», erklärt Werner Jappert Stellung. Der 1. stellvertretende Chef-Stv. der Regionalpolizei Bremgarten betont: «Diese Kontrollen erfolgen sporadisch. Wichtig ist dabei, dass wir entsprechende Meldungen erhalten. Darauf sind wir angewiesen.»