Im Kampf gegen sich selbst
07.07.2023 Radsport, Weitere Sportarten, SportReto Stuber aus Merenschwand war am Race Across The Alps
Der Merenschwander Reto Stuber hat mit dem Race Across The Alps das härteste Eintagesrennen der Welt bestritten. In etwas mehr als 32 Stunden kam er ins Ziel. Dass er bis zum Ende durchhalten konnte, ist ein ...
Reto Stuber aus Merenschwand war am Race Across The Alps
Der Merenschwander Reto Stuber hat mit dem Race Across The Alps das härteste Eintagesrennen der Welt bestritten. In etwas mehr als 32 Stunden kam er ins Ziel. Dass er bis zum Ende durchhalten konnte, ist ein grosser Erfolg für den 47-Jährigen.
Josip Lasic
Es gab Momente, da war er drauf und dran aufzugeben. Und man hätte es ihm nicht verdenken können. Reto Stuber hat sich am Race Across The Alps ins Ziel gekämpft. Ein Radrennen mit Start und Ziel in Nauders in Österreich. 525 Kilometer und 14 500 Höhenmeter in den Alpen mussten mit dem Rennrad bezwungen werden. Das Zeitlimit, das man hat, um in die offizielle Wertung zu kommen, liegt bei 32 Stunden. «Ich habe es in 32 Stunden und 43 Minuten geschafft. Damit bin ich zwar nicht mehr in der Wertung drin, aber ich habe immerhin noch einen Finisher-Pokal erhalten», sagt der Merenschwander. «Darauf bin ich sehr stolz.»
Schon beim Betreten des Wohnblocks von Reto Stuber weiss man: Hier wohnt jemand, der etwas Grosses geleistet hat. Auf einem Whiteboard beim Eingang steht eine Gratulation an «Stübi». «Ja, das hat ein Kollege von mir dort hingeschrieben und es als Überraschung vorbereitet, bevor wir zurück waren», erzählt Stuber erfreut. «Mir geht es weniger um Ranglisten. Es ist mehr die Herausforderung, ob ich es schaffe», erklärt der Freiämter. Das Mitglied im Turnverein Merenschwand begann seine sportliche Karriere mit Kunstund Geräteturnen und ging dann über Leichtathletik dazu über, zu laufen und Rad zu fahren. «Es begann mit Teilnahmen am Hallwilerseelauf und ähnlichen Wettkämpfen. Parallel dazu fuhr ich Mountainbike und Rennrad. Intensiver betreibe ich das jetzt seit rund zehn Jahren.»
Nur eine halbe Stunde Schlaf
Mit der Zeit fand Stuber seine Freude an längeren Radrennen. Mehrmals startete er am Alpenbrevet in der Platinkategorie. 267 km und 7090Höhenmeter gilt es dort zurückzulegen. «Mit der Zeit sucht man sich eine neue Herausforderung. Das Race Across The Alps ist fast exakt doppelt so lang und intensiv wie das Alpenbrevet. Mit der Zeit wird man aber natürlich immer müder. Deshalb hat es mich gereizt, das auszuprobieren.»
Die «Race Across»-Serie sind Rennen für Rad- und Extremsportler. Ziel ist es, eine längere Route innerhalb eines festen Zeitlimits zurückzulegen. «Man fährt das fast in einem Stück durch, fast ohne Schlaf oder andere grössere Unterbrüche. So schafft man es am ehesten, die Limite einzuhalten.» Der Merenschwander selbst hat während seiner 32 Stunden und 43 Minuten beispielsweise nur zwei kürzere Pausen eingelegt, wo er rund 15 Minuten geschlafen hat. Für Dinge wie Verpflegung, Pneu- oder Kleiderwechsel hat er sich allerdings doch Zeit genommen. «Es waren auch Profifahrer mit im Feld. Die haben sich direkt aus dem Auto verpflegt. Jemand fuhr neben ihnen her und hat aus dem Autofenster Lebensmittel gereicht. So gierig auf eine gute Zeit war ich dann doch nicht.» Ein Team hatte Stuber allerdings auch dabei. Es bestand aus drei Personen. Seine Partnerin Jolanda Hüsser, ihr Sohn Fabian und sein Schwager fuhren mit dem Wohnwagen hinterher. «Wir waren aber zu blauäugig. Bei gewissen Pässen in Italien kommt man mit einem solchen Wohnwagen nicht durch. Sie haben mir also unten beim Anstieg die letzte Verpflegung gegeben und fuhren dann aussenrum, während ich den Pass alleine meistern musste.» Stolz präsentiert Stuber ein Bild, wo er mitten in der Nacht allein die Spitze eines Passes erreicht hat.
Sein Team war auch wichtig, als nach rund drei Vierteln der Strecke die Kräfte nachliessen. Sie konnten ihn motivieren, nicht aufzugeben. «Wir haben ihm gesagt, dass er noch ein paar Meter fahren soll», erklärt Jolanda Hüsser. «Dann sind wir vorausgefahren und haben auf ihn gewartet. Seine Motivation sollte sein, zumindest bis zu uns durchzuhalten.»
Mit prominenter Unterstützung
Das Race Across The Alps, wo Stuber mit dabei war, ist eines der kürzeren der «Race Across»-Serie und wird deshalb als «härtestes Eintagesrennen der Welt» bezeichnet, da man es in einem Tag meistern kann. Das Race Across America gilt als Königsdisziplin in der Serie. Es ist mit seiner Strecke von 4800 bis 5000 km und einer Gesamthöhendifferenz von rund 52 000 Metern deutlich anspruchsvoller als die Alpenvariante und gilt als «das härteste Radrennen der Welt». Um dort teilnehmen zu können, muss man sich qualifizieren. Am Race Across The Alps hätte es dafür eine Zeit von 32 Stunden benötigt. Stuber ist knapp daran vorbeigeschrammt mit 43 Minuten Differenz. «Es war aber auch nie das Ziel, mich dafür zu qualifizieren. Ich wollte wirklich nur das Rennen beenden.»
Dass Stuber ins Ziel kam, hat aber indirekt mit dem Race Across America zu tun. Vor einigen Jahren haben er und seine Partnerin im Urlaub den deutschen Extremsportler Pierre Bischoff kennengelernt, der 2016 das Race Across America gewonnen hat. Mittlerweile lebt er in Nauders und ist Teil der Organisation beim Race Across The Alps. Als es bei Stuber kritisch aussah und er den Eindruck hatte, dass ihn die Kräfte verliessen, joggte ihm plötzlich Bischoff entgegen. Darauf joggte er neben dem Merenschwander her und motivierte ihn weiterzumachen. So kam Stuber doch noch ins Ziel und hat den Kampf gegen sich selbst gewonnen. Hüsser: «Er hat wirklich einen enorm starken Willen, was ihn bei solchen Rennen auszeichnet. Und das hat er einmal mehr bewiesen.» Stuber hingegen betont, dass er zwar immer wieder nach neuen Herausforderungen Ausschau hält, aber glaubt, mit dem Race Across The Alps seinen Zenit erreicht zu haben. «Ich glaube nicht, dass ich es wieder einmal mache. Aber das Gefühl, dass ich es geschafft habe, ist es wert. Und an anderen solchen Touren, wie dem Alpenbrevet, wird man mich sicher wieder antreffen.»