Helfen auch im hohen Alter
10.03.2023 BremgartenStephan Gottet besuchte kenianischen Slum
Das neuste Projekt des Bremgarter Hilfsvereins Projekt Synesius ist der Bau der ersten Sekundarschule eines Slums in Nairobi.
Gerne würde Stephan Gottet das 20-Jahr-Jubiläum seines Hilfsvereins mit ...
Stephan Gottet besuchte kenianischen Slum
Das neuste Projekt des Bremgarter Hilfsvereins Projekt Synesius ist der Bau der ersten Sekundarschule eines Slums in Nairobi.
Gerne würde Stephan Gottet das 20-Jahr-Jubiläum seines Hilfsvereins mit weniger Sorgen begehen. Doch die Suche nach hochwillkommenen Spenden, um in Afrika weiterhin Sinnstiftendes bewirken zu können, gestaltet sich momentan noch schwieriger, als sie es ohnehin immer schon war. Und auch den aus Bremgarten finanzierten Bau der ersten Sekundarschule von Mathare Mabatini plagen Finanzierungsprobleme. Nichtsdestotrotz weiss der 82-Jährige auch Positives aus Kenia zu berichten. --huy
«Man darf diese Kinder nicht vergessen»
Stephan Gottet zu Besuch im kenianischen Elendsviertel Mathare Mabatini
Auch mit 82 Jahren liess es sich der Synesius-Präsident nicht nehmen, persönlich vor Ort vorbeizuschauen, was mit den Hilfsgeldern aus Bremgarten in Nairobi geschieht. Obwohl der initiierte Bau einer Sekundarschule im Slum Mathare gut voranschreitet, kämpft das Projekt mit Problemen. Das Geld droht bald auszugehen.
Marco Huwyler
Herr Gottet, Anfang Februar nahmen Sie die beschwerliche Reise von Bremgarten via München, Paris und Nairobi in den Slum von Mathare Mabatini auf sich. Wie leicht fallen Ihnen solche Reisen im fortgeschrittenen Alter noch?
Stephan Gottet: Ich merke, dass ich nicht mehr 20 bin, keine Frage. Der einstige Ironman ist gerostet. Aber reisen hält auch fit, im Geist und im Körper. Die Wärme von Afrika hat mir gutgetan. Bloss habe ich mir zu Beginn einen Magen-Darm-Virus eingefangen. Das hätte nicht sein müssen.
Zumal Sie dort ja nicht bloss zum Vergnügen waren – in Kenia wartete ein reich befrachtetes Programm auf Sie.
Das ist so. Wir besichtigten erstmals die vor zwei Jahren eröffnete Zahnarztklinik in Lwanda und den Baufortschritt der entstehenden Sekundarschule in Mathare Mabatini. Da gilt es für mich viele Hände zu schütteln, Gespräche zu führen, Anweisungen zu geben und Reden zu halten. Pausieren und Kurieren ist das nicht. Zeitweise konnte ich mich kaum mehr auf den Beinen halten. Doch dann wurde es immer besser. Und irgendwie hat mein Körper irgendwann das Ganze überstanden (lacht).
Die Sekundarschule in Mabatini wird die erste weiterführende Schule im Slum. Dank der Bildung dort sollen dereinst Hunderte bettelarme Kinder eine Perspektive auf ein besseres Leben erhalten. Für die Menschen vor Ort und den Verein Projekt Synesius gleichermassen eine grosse Sache. Wie schreiten die Bauarbeiten voran?
Sehr gut. Anfang Jahr wurde damit begonnen. Nun ist man bereits am zweiten Stock. Es sind alles Einheimische, die dort mit grosser Motivation zu Werke gehen. Ich spürte viel Eifer und Leidenschaft, etwas wirklich Sinnvolles auf die Beine zu stellen und der tristen Alltagsrealität damit zu entfliehen.
Daneben hausen die Menschen zuweilen in improvisierten Wellblechhütten oder Pappkartons. Wie nachhaltig ist das entstehende Schulgebäude?
Kein Vergleich dazu natürlich – die Schule wird nach hohen Qualitätsstandards gebaut. Aus Beton und erdbebensicher. Der Bau ist auf Jahrzehnte ausgelegt. Dafür, dass dies gewährleistet ist, sorgen auch Experten vor Ort.
Trotz diesen positiven Eindrücken und Fortschritten plagen das Projekt auch Sorgen. Es fehlt massiv an Geld.
Das ist leider so. Das Projekt Synesius hat rund 50 000 Franken beigesteuert. Der Verantwortliche vor Ort, Godfrey Wafula, Mitgründer vom St. Michael Education Centre, in das auch die Sekundarschule eingegliedert sein wird, war sich sicher, dass diese Spende für den Bau des neuen Schulgebäudes reichen würde. Leider waren er und die weiteren Beteiligten naiv in dieser Annahme, wie sich nun zeigt.
Es fehlen 110 000 Franken. Andernfalls ist nach der Fertigstellung des zweiten Stocks Schluss. Der Bauplan sähe fünf Stockwerke vor … Was ist schiefgelaufen?
Wafula liess sich wohl vom Verkäufer des Grundstückes täuschen. Dieser hat ihm aus Eigeninteresse den Floh ins Ohr gesetzt, dass man mit 50 000 Franken durchkommt. Das war allerdings von Beginn an utopisch. Es ist nicht so, dass unsere Hilfsgelder irgendwo versickert sind. Im Gegenteil, man hat zielgerichtete, solide Arbeit geleistet. Vielmehr reicht der Betrag schlicht nicht für das ambitionierte Projekt.
Wie geht es nun weiter?
Der Verein Projekt Synesius kann und will die restliche Summe nicht auf bringen. Unser Beitrag an die Schule ist auf 50 000 beschränkt, das war von Anfang an klar. Dennoch hofft der Optimist in mir, dass wir eine Lösung finden. Einen grosszügigen Privatspender mit Herz und Verstand, der sieht, was dort Sinnstiftendes im Entstehen ist. Es gibt so viele reiche Menschen in der Schweiz. Auch in der Region rund um Bremgarten. Und man kann wirklich Dümmeres mit seinem Geld anstellen, als es in die Zukunft von Existenzen zu investieren und langfristig glücklichere Leben zu ermöglichen. Ausserdem kann man die Summe ja von den Steuern abziehen (lacht).
Und was ist, wenn sich dieser weisse Ritter nicht finden lässt?
Das wäre ein Jammer. Dennoch wäre das Projekt damit nicht gestorben. Denn auch mit den zwei Stockwerken, für die das Synesius-Geld reicht, lässt sich ein Schulbetrieb realisieren. Es wären dann halt nur zirka 50 statt über 200 Kinder, die hier die Chance auf eine weiterführende Bildung erhalten würden.
Viele von diesen Kindern haben Sie auf Ihrer Reise auch angetroffen. Der Besuch der Grundschule des St. Michael Education Centre war, wie immer, wenn Sie in Kenia sind, ein Fixpunkt des Programms.
Ja, für mich sind solche Kontakte mit den Kindern die unbestrittenen Highlights. Es ist jedes Mal unglaublich schön und berührend, diese sprühende Vitalität und diese grundehrliche Fröhlichkeit in den kleinen Gesichtern zu erleben, obwohl sie wahrlich kein leichtes Leben haben.
Wie ist Ihr Eindruck generell von den Lebensumständen vor Ort, verglichen mit früheren Reisen?
Die Entwicklung ist positiv. Unbestritten. Das Engagement vor Ort und die Investitionen der Hilfswerke – auch von Synesius – zeigen langsam Wirkung. Die Armutsgrenze ist gestiegen und gesamthaft macht der Slum einen weniger beelendenden Eindruck als auch schon. Beispielsweise dünkt mich alles sauberer und hygienischer. Man ist also auf gutem Weg. Umso wichtiger wäre es, dass man nun dranbleibt. Leider ist es diesbezüglich nicht einfach momentan.
Wie meinen Sie das?
Es ist zurzeit nicht leicht für Hilfswerke wie das unsrige, die notwendigen Spenden zu erhalten. Der Fokus der Menschen liegt momentan gar nicht auf Afrika und den Menschen dort. Das Elend mit dem Ukraine-Krieg und dem Erdbeben in der Osttürkei – das ist es, wofür die Menschen aktuell Mitgefühl haben und wo sie sich finanziell einbringen. Dabei wäre es aber wichtig, dass wir andere Gegenden nicht vernachlässigen. Etwa die Kinder in Kenia. Sie verdienen es, dass man sie nicht vergisst.
Der diesjährige Besuch war Ihr 16. in Kenia seit dem Beginn der Entwicklungszusammenarbeit dort. War es auch Ihr letzter?
Solche Gedanken treiben mich auch um, das ist klar. Es ist aber so, dass ich gerne noch einmal mit einem potenziellen Nachfolger als Präsident des Projekts Synesius nach Kenia reisen würde. Ihm alles zeigen, die Leute vorstellen. Damit es möglichst reibungslos weitergeht, wenn ich einmal nicht mehr bin.
Wie lange ist Stephan Gottet noch Projekt-Synesius-Präsident?
Das weiss ich nicht. Im September feiern wir das 20-jährige Bestehen des Hilfsvereins. Mit 82 wäre es für mich langsam höchste Zeit, ins zweite Glied zu rutschen und gewisse Dinge abzugeben. Gerade Administratives. Doch als Präsident werde ich weiterhin zur Verfügung stehen, solange es Körper und Geist noch einigermassen zulassen. Ich sehe das als meine Verantwortung dem Hilfsverein Projekt Synesius und den Kindern in Afrika gegenüber. Alles, was wir gemeinsam aufgebaut haben, einfach im Stich zu lassen, das könnte ich nicht.
Weitere Informationen unter: www. projekt-synesius.ch. Spendenkonto: PC 50-6-9, Aargauische Kantonalbank Aarau. IBAN: CH79 0076 1016 1013 3892 1.Vermerk: PROJEKT SYNESIUS, BREMGARTEN.