Heimspiel für die Autorin
08.04.2025 BremgartenBremgarten: Thamar Rieser hat das Drehbuch für einen Film geschrieben
Sie ist in Bremgarten aufgewachsen, stand als Kind bei einer Produktion des Kellertheaters mit auf der Bühne und ist nun für zwei Tage zurückgekehrt für Filmaufnahmen. Thamar ...
Bremgarten: Thamar Rieser hat das Drehbuch für einen Film geschrieben
Sie ist in Bremgarten aufgewachsen, stand als Kind bei einer Produktion des Kellertheaters mit auf der Bühne und ist nun für zwei Tage zurückgekehrt für Filmaufnahmen. Thamar Rieser hat das Drehbuch für den Film «Cordula» geschrieben und ist eine der Hauptdarstellerinnen.
Erika Obrist
Eine junge Obdachlose, Cordula, schlägt sich auf Zürichs Strassen durch. Eines Nachts sucht sie Schutz in einer Kirche. «Zürich hat viele Kirchen, doch als Drehort für diese Szene kam für mich nur die Stadtkirche Bremgarten infrage», erzählt Thamar Rieser. Und erklärt auch gleich weshalb. Sie ist in Bremgarten aufgewachsen. Die Familie hat gleich neben der Kirche gewohnt, im ehemaligen Organistenhaus. Als Kind war Thamar Rieser Ministrantin in der Stadtkirche. Bühnenerfahrung hat sie ebenfalls in ganz jungen Jahren gesammelt: Sie verkörperte bei der Produktion «Anna Göldi» des Kellertheaters Bremgarten im Jahr 1982 ein Kind der Familie Tschudi.
Erster Anlauf gescheitert
Rieser wohnt längst in Zürich, wo sie eine Ausbildung als Lithografin absolviert hat. Später folgten Ausbildungen in Schauspiel und Sprecherziehung. Und sie hat mit Schreiben angefangen. Als Grundlage für das Drehbuch zum Film «Cordula» diente ihr eine Kurzgeschichte, die sie verfasst hat. Erst wollte sie das Drehbuch selbst umsetzen. Sie musste die Aufnahmen jedoch abbrechen, weil es in der Crew nicht harmonierte. Dann hat die Regisseurin Caroline Wloka das Drehbuch gelesen und es zusammen mit Thamar Rieser überarbeitet. «Jetzt kommt es gut», sind beide überzeugt. Seit letzten März wird gedreht. Hauptsächlich in Zürich. Letzte Woche zwei Tage in der Stadtkirche in Bremgarten. Rieser ist nicht nur die Drehbuchautorin, sondern sie verkörpert auch eine der Hauptrollen und ist Co-Produzentin. In Bremgarten allerdings muss sie nicht vor die Kamera. Dafür kommt eine zweite Einheimische zu einem Kurzauftritt im Film «Cordula».
«Jetzt kommt es gut»
Die Bremgarterin Thamar Rieser verkörpert eine Hauptrolle im Film «Cordula»
Obdachlose junge Frauen in Zürich sichtbar machen – das will der Film «Cordula». Das Drehbuch geschrieben hat die in Bremgarten aufgewachsene Thamar Rieser. Sie verkörpert auch eine Hauptrolle und ist Co-Produzentin des Low-Budget-Films. Zwei Tage lang wurde in der Stadtkirche gedreht.
Erika Obrist
Bunte Liegestühle stehen auf dem Rasen bei der Stadtkirche. Darin haben es sich ein paar Männer und Frauen gemütlich gemacht. Sie geniessen die wärmende Mittagssonne. In der Synesiusstube gegenüber werden die Tische abgeräumt nach dem gemeinsamen Mittagessen und das Geschirr gewaschen. Alles geht ruhig und entspannt zu und her. Auf einem Tisch sind Schminkutensilien ausgebreitet. Hinten in der Ecke sind allerlei Geräte aufgestapelt, die es braucht für professionelle Filmaufnahmen.
Nach und nach brechen die Schauspielerinnen und Schauspieler auf. Gehen hinüber in die Stadtkirche St. Nikolaus, in der während zwei Tagen Aufnahmen für den Film «Cordula» gedreht werden. Thamar Rieser bleibt am Tisch in der Synesiusstube sitzen. Sie muss an diesen beiden Tagen nicht vor die Kamera. Aber als Drehbuchautorin und Co-Produzentin ist sie natürlich mit vor Ort. Und als Bindeglied zur katholischen Kirchgemeinde, die Kirche und Synesiusstube dem Filmteam zur Verfügung stellt. Und die den bekannten Ölbergschrein aus dem Jahr 1646 an der Aussenwand der St. Annakapelle, der normalerweise von Palmsonntag bis zum Weissen Sonntag geöffnet ist, für die Drohnenaufnahmen der Kirche und ihrer Umgebung ein paar Tage früher öffnet.
Ein Heimspiel
Für Thamar Rieser sind die beiden Drehtage ein Heimspiel. Sie ist im ehemaligen Organistenhaus gleich neben der Stadtkirche aufgewachsen und im Isenlauf zur Schule gegangen. Zur Kirche hat sie eine enge Beziehung: Ihr Vater hat Religionsunterricht erteilt, sie selber war in jungen Jahren als Ministrantin tätig. Dass sie dereinst auf den Brettern, welche die Welt bedeuten, und vor der Kamera tätig sein wird, hat sich womöglich schon früh abgezeichnet. 1982 wirkte die damals Achtjährige in der Produktion «Anna Göldi» des Kellertheaters Bremgarten mit. Sie verkörperte dabei ein Kind der Familie Tschudi. Eine Ausbildung hat sie jedoch auf einem ganz anderen Gebiet absolviert: Sie lernte Lithografie in Zürich. In diese Stadt ist sie dann auch gezogen, in der sie heute noch lebt.
Theater und Film haben sie jedoch nicht losgelassen. Anfang der 2020er-Jahre absolvierte sie diverse Ausbildungen auf den Gebieten Schauspiel und Sprecherziehung. Und sie hat mit dem Schreiben begonnen. «Ich hatte die Idee, eine Kurzgeschichte zu verfassen», blickt Thamar Rieser zurück. Diese biete die Grundlage des Drehbuchs für den Film «Cordula», das sie geschrieben hat. Im Mittelpunkt steht die junge obdachlose Cordula, die auf Zürichs Strassen lebt. Da diese Cordula auch eine Nacht in einer Kirche verbringt, stand für Thamar Rieser schnell fest: Es muss in «ihrer» Kirche in Bremgarten gedreht werden.
Frauen im Mittelpunkt
Anfänglich wollte Thamar Rieser den Film «Cordula» selber produzieren. Das ging schief. «Wir haben den Aufnahmeversuch abgebrochen, weil es nicht stimmte in der Crew», blickt sie zurück. Danach hat sie zusammen mit der Zürcher Regisseurin Caroline Wloka das Drehbuch überarbeitet. Diese war rasch der Überzeugung, dass sich die Geschichte umsetzen lässt mit ihrer eigenen Produktionsfirma Cine Royal Productions GmbH. Damit der Inhalt auch authentisch ist, liessen die beiden Frauen das Drehbuch von der Stiftung Sozialwerk Pfarrer Sieber überprüfen. «Jetzt kommt es gut», ist sie überzeugt.
«Frauen stehen im Mittelpunkt des Films», erklärt Caroline Wloka. Da ist die Autorin Maja, die von Thamar Rieser verkörpert wird. Sie hat einen Bestseller geschrieben und ist am Verfassen eines neuen Werks. Doch sie kommt nicht vorwärts. Plötzlich steht die Hauptfigur des Bestsellers, Cordula, leibhaftig in ihrer Schreibstube und fragt die Autorin: «Warum hast du mein Leben zerstört?»
«Im Film geht es um das Sichtbarmachen von jungen Frauen, die auf der Strasse leben», zeigt Caroline Wloka auf. Gedreht wird der Film mit ganz wenig Geld; es wird ein Low-Budget-Film. Die Schauspielerinnen und Schauspieler erhalten eine Entschädigung, aber keinen Lohn, mit dem man das Leben bestreiten könnte. Fürs Beschaffen von Requisiten, Kostümen, Technik und für die Einrichtung der Wohnung, in der gedreht wird, wurde ein Crowdfunding lanciert. So kamen die erhofften 10 000 Franken zusammen. Das Sammelziel wurde sogar leicht übertroffen.
Insgesamt sind von März bis Mai 20 Drehtage angesetzt. «Wir haben eine ganz tolle Crew, die voll mitzieht», versichert Caroline Wloka. Sind die Aufnahmen im Kasten, folgen das Schneiden und Vertonen. Ein Komponist für die Filmmusik ist auch schon gefunden. Caroline Wloka hat den Mann auf der Berlinale letzten Februar kennengelernt. «Er hat sich selber anerboten, die Musik zum Film zu komponieren.» Fertiggestellt sein soll das Werk noch dieses Jahr mit dem Ziel, dass es am Zürcher Filmfestival gezeigt werden kann. Oder dann halt an den Solothurner Filmtagen im nächsten Jahr.
Kurzauftritt für zweite Bremgarterin
Nach dem Gespräch geht es hinüber in die Kirche. Proben für eine nächste Aufnahme stehen an. Mit dabei auch die Sakristanin Helen Stierli. Sie hilft, wo sie benötigt wird: Bringt eine Leiter herbei, füllt ein Gefäss mit Wasser, zeigt der Schauspielerin, wie man sich richtig bekreuzigt. Und sie kommt zu einem Kurzauftritt im Film. «Es hat etwas mit einer Zahnbürste zu tun.» Mehr weiss Helen Stierli noch nicht. Aber sie wird die Aufgabe schon meistern, war sie doch lange Jahre Mitglied der Theatergruppe der Kolpingfamilie Bremgarten und hat dem Publikum im Casino mit ihren Kolleginnen und Kollegen manch vergnüglichen Abend beschert. Und sie verbindet nicht nur die Liebe zum Theater mit Thamar Rieser: Stierli wohnt gleich neben dem Haus, in dem die Drehbuchautorin aufgewachsen ist.



