Gemeinderat muss über die Bücher
24.11.2023 Künten, Region BremgartenAn den Absender zurück
Die Künter Stimmberechtigten wiesen an ihrer «Gmeind» einen Kredit über 14,79 Millionen Franken an den Gemeinderat zurück. Mit diesem Geld hätte über mehrere Jahre verteilt das Schulhaus saniert und neu gebaut ...
An den Absender zurück
Die Künter Stimmberechtigten wiesen an ihrer «Gmeind» einen Kredit über 14,79 Millionen Franken an den Gemeinderat zurück. Mit diesem Geld hätte über mehrere Jahre verteilt das Schulhaus saniert und neu gebaut sowie eine zusätzliche Turnhalle aufgestellt werden sollen. Zwei ehemalige Gemeindeammänner und ein Vizeammann verlangten eine Überarbeitung und fanden dazu eine deutliche Mehrheit. --red
«Gmeind» Künten: Grosskredit für Schul- und Sportbauten zurückgewiesen
14,79 Millionen Franken als Gesamtkredit auf Grundlage einer Studie und einer Kostenschätzung von plus/minus 25 Prozent? Das war dem Künter Souverän zu vage: Mit grossem Mehr wies er die Vorlage an den Gemeinderat zur Überarbeitung zurück. Mit ganz klaren Auflagen.
Erika Obrist
Es wird nicht gern gesehen, wenn ehemalige Ratsmitglieder eine Vorlage ihrer Nachfolgerinnen und Nachfolger bekämpfen. Der frühere Gemeindeammann Werner Fischer und sein Vorgänger Enrico Carfora sowie der frühere Vizeammann Markus Staubli hatten ihre Bedenken gegen den Gesamtkredit von 14,79 Millionen Franken für den Neu- und Umbau der Schulanlage und für eine zusätzliche Turnhalle bereits vor der Gemeindeversammlung in dieser Zeitung geäussert. Angesichts ihrer Vorbehalte und der enormen Kreditsumme erstaunt es nicht, dass vorgestern ein Grossaufmarsch zur «Gmeind» zu verzeichnen war.
«Können das stemmen»
Vizeammann Yves Moser stellte das Vorhaben ausführlich vor. Erstellt werden soll ein Neubau neben dem bestehenden Kindergarten mit Klassenzimmern für die 1. und 2. Primar, mit Räumen für Deutsch als Zweitsprache, Logopädie und Heilpädagogik sowie für die Tagesstrukturen. Das bestehende Schulhaus soll Gruppenräume sowie einen Lift erhalten. Die Vereinsräume in der Mehrzweckhalle sollen für die Schule nutzbar gemacht und in die zusätzliche Sporthalle verlegt werden, die auf dem Areal des heutigen Pavillons gebaut werden soll. Moser ging auf den Zeitplan der Umsetzung ein und auf das geplante Vorgehen. Der Finanzierbarkeit widmete er eine längere Ausführung. Sein Fazit: «Wir können das stemmen.» Zwar sei für den Bau der Turnhalle eine Erhöhung des Steuerfusses wahrscheinlich; definitiv sagen lasse sich das jetzt noch nicht. Sollte es tatsächlich dazu kommen, müsste die Gemeindeversammlung im Rahmen des Budgets darüber befinden.
«Buebetrickli»
«Eigentlich wollten wir uns aus dem Geschäft raushalten», so der frühere Ammann Werner Fischer. Doch zu vieles stimme für ihn und seine Mitstreiter Markus Staubli und Enrico Carfora nicht. «Der Bedarf für die Schule ist vorhanden, eine neue Turnhalle wäre schön», lobte er eingangs. Dann begann er Argumente gegen das Vorhaben aufzuzählen.
Zwar treffe es zu, dass die Abschreibungen übers Eigenkapital verbucht werden können und so die Erfolgsrechnung nicht belasten. Doch das sei ein «Buebetrickli». «Die Schulden sind damit aber nicht abbezahlt.» Auch im Schulvertrag mit Stetten machte er einen Schwachpunkt aus. Dieser hat eine Kündigungsfrist von drei Jahren. Er regelt, dass die Fünft- und Sechstklässler von Stetten in Künten unterrichtet werden. Was, wenn Stetten den Vertrag kündigt und die Schülerinnen und Schüler in einer Nachbargemeinde unterrichten lässt, die weniger Schulgeld verlangt?
Freie Zeiten in Turnhallen zu finden, sei reihum schwierig, nicht nur in Künten. Fischer regte an, mit anderen Gemeinden den Kontakt zu suchen mit dem Ziel, dass sich eine oder mehrere Gemeinden an der Investition in eine Turnhalle – vielleicht gar in eine Doppelturnhalle – beteiligen und sie diese gemeinsam nutzen und betreiben.
«Vereinsräume müssen bleiben»
«Es fehlt ein Gesamtkonzept für die Nutzung der bestehenden und neuen Räume», sagte Markus Staubli. Es fehle eine geteerte Strasse zum geplanten Neubau für die Unterstufe. Logistisch sei dieser Bau somit nicht erschlossen. Er schlug vor, den Neubau beim bestehenden «Känzeli» zu errichten. Der Lift im Schulhaus müsse nicht innen realisiert werden; man könne diesen auch aussen anbringen. Vor allem aber wandte er sich gegen die Verlegung der Vereinsräume. Es sei widersinnig, diese in die neu zu bauende Turnhalle zu verlegen, da gesellschaftliche Anlässe der Vereine wie Fisch- oder Racletteessen weiterhin in der Mehrzweckhalle durchgeführt werden. «Deshalb müssen die Vereinsräume am heutigen Ort bleiben.»
Das Fazit der Bedenken der beiden Redner: Sie stellten einen Rückweisungsantrag mit klaren Auflagen. So sei das Vorhaben in zwei Projekte aufzuteilen mit der Priorisierung der Schulbauten. Dafür sei eine Kommission zu bilden, in der auch die Bevölkerung vertreten ist. Es sei kein Gesamtkredit mehr vorzulegen, sondern ein abgestuftes Vorgehen mit Planungs-, Projektierungs- und Baukredit zu wählen. Weiter sollen die Schulverträge geprüft und auf stabile Beine gestellt werden. Der Bau einer zusätzlichen Turnhalle sei zu sistieren, bis Abklärungen mit Nachbargemeinden über eine allfällige Beteiligung erfolgt sind. Schliesslich sei ein realistischer Finanzplan über die nächsten 10 Jahre samt Amortisationsplan über die nächsten 20 Jahre zu erstellen.
Wenig Unterstützung für den Gemeinderat
Der Applaus nach diesen Ausführungen zeigte deutlich, dass die Teilnehmenden ihren Entscheid bereits gefasst haben. Für die Vorlage des Gemeinderats sprachen sich nur ganz wenige aus. Unter ihnen die Vertreterin des Damenturnvereins Käthi Stadler. Die Halle sei voll belegt, zwei Volleyballteams müssten deswegen auswärts trainieren. Auch der Bedarf an Schulräumen sei gegeben. «Die Investition lohnt sich. Geben wir uns einen Ruck für Schule und Vereine.» Auch der Gemeinderat verdiene eine Chance, sein Konzept umsetzen zu können.
Natürlich brauche es mehr Platz für Schule und Vereine, so ein weiterer Redner. «Aber nicht zu diesem Preis.» Die Stimmberechtigten bräuchten mehr Planungssicherheit, auch wenn es bei einem Neuanfang länger dauere, bis diese Räume zur Verfügung stehen. Der Gemeinderat solle die Argumente der Gegner aufnehmen und mit ihnen einen Kompromiss suchen, wurde weiter vorgebracht.
Nur 28 Personen dagegen
Nach fast zweistündiger Präsentation und Beratung wurde der Rückweisungsantrag mit deutlichem Mehr angenommen. Lediglich 28 Teilnehmende waren gegen die Rückweisung. Blieb die Frage, wie es nun weitergeht. «Wir bleiben dran und werden das Projekt wieder an die Gemeindeversammlung bringen», so Gemeindeammann Daniel Schüepp. «Wie, wann und zu welchem Preis, gilt es nun abzuklären.»
Die Beschlüsse
An der Gemeindeversammlung in der Mehrzweckhalle nahmen 238 von 1257 Stimmberechtigten teil. Sie fassten folgende Beschlüsse mit grossem Mehr. 1. Ja zum Protokoll vom 21. Juni. – 2. Ja zum Budget 2024 mit dem unveränderten Steuerfuss von 104 Prozent. – 3. Ja zum Kredit von 190 000 Franken für die Instandstellung der Drainageleitungen. – 4. Rückweisung des Kredits von 14,79 Millionen Franken für Neu- und Umbau der Schule und Neubau einer zusätzlichen Turnhalle (28 Nein). Die Beschlüsse unterliegen dem fakultativen Referendum. --eob