Gelebter Brauchtum
17.12.2024 Dintikon32. Regionaler Chlauschlöpf-Wettbewerb
Das Chlauschlöpfe ist ein vorweihnachtlicher Brauch aus dem Bezirk Lenzburg, der den Zweck hat, den Samichlaus zu wecken. Am regionalen Wettbewerb in Dintikon messen sich die 16 Besten aus den jeweiligen Gemeinden des ...
32. Regionaler Chlauschlöpf-Wettbewerb
Das Chlauschlöpfe ist ein vorweihnachtlicher Brauch aus dem Bezirk Lenzburg, der den Zweck hat, den Samichlaus zu wecken. Am regionalen Wettbewerb in Dintikon messen sich die 16 Besten aus den jeweiligen Gemeinden des Bezirks. Dabei werden mit den Chlausgeisseln laute Knalle erzeugt, die durch das ganze Dorf hörbar sind.
Monica Rast
Schon von Weitem hört man den Knall – mal hell und hoch, mal tief und dunkel. Dabei spielt die Länge der Geissel eine grosse Rolle. Diese variiert im Normalfall von 1,50 Meter bis 4,50 Meter, je nach Körpergrösse und Können. Es wurde auch schon eine sechs Meter lange Geissel gebaut. «Diese ist aber auch für Könner nur schwer zum Chlöpfen zu bringen», erklärt Chlauschlöpfer Franco Ortelli aus Lenzburg. Er bekam seine Geissel von seinem Grossvater vererbt und diese ist bereits über 70-jährig. Ortelli ist ein alter Hase bei den Chlauschlöpfern. «Bevor es den regionalen Wettbewerb gab, wurde nur im eigenen Dorf gchlöpft.»
Von Anfang November bis zum zweiten Sonntag im Dezember pflegt man im Bezirk Lenzburg und damit auch in Dintikon reges Chlauschlöpfer-Treiben. Es ist genauestens geregelt, wann, wo und wie lang gchlöpft werden darf. Mit dem Chlöpfen wurde ursprünglich am 11. November, dem Namenstag von Martini, begonnen. Da die Jugend aber nicht so lange warten mochte, wird heute bereits Anfang November mit dem Chlöpfen begonnen. Nach dem regionalen Chlauschlöpf-Wettbewerb am 15. Dezember bleibt die Geissel bis zur nächsten Saison stumm.
«Mir sind Chlöpfer»
In Dintikon fand der regionale Wettbewerb zum ersten Mal statt. «Ich wurde in meinen Ferien zum OK-Chef ernannt», meinte Renato Bysäth lachend. «Wir sind für eine andere Gemeinde eingesprungen», erklärt er und lobt dabei sowohl sein super OK-Team wie auch die zahlreichen Helfer. Rund 170 Chlöpfer versammelten sich am vergangenen Sonntag auf dem Schulhausplatz, um sich den Richtern zu präsentieren. «Es ist ein Brauchtum, das gelebt wird», erklärt Bysäth. Doch es war nicht immer so. Vor rund 15 Jahren aktivierte Claudio Gloor das Brauchtum wieder in Dintikon. «Seitdem sind wir wieder richtig aktiv.» Den ganzen November wurde fleissig für den Chlauschlöpf-Wettbewerb am vergangenen Samstag trainiert. Die vier Besten jeder Alterskategorie konnten dann am regionalen Wettbewerb am Sonntag teilnehmen.
Jedem Chlöpfer stehen 30 Sekunden zur Verfügung, um zu zeigen, wie gut er die Geissel schwingen kann. Dabei spielt es keine Rolle, wie alt man ist. In diesen Sekunden wird nicht nur der Knall bewertet, sondern auch der Einmarsch in den Kreis, das Auswerfen und Einholen der Geissel. Die Richter schauen auf das noch so kleinste Detail.
Besonders die jüngsten Teilnehmer sind mit voller Begeisterung dabei. Für sie spielt das Können nur eine Nebenrolle – Hauptsache, es knallt. Die Jüngsten sind fünf- und sechsjährig, die älteste Teilnehmerin bereits 71. «Wir sind alle Chlöpfer», meint Renato Bysäth strahlend und freut sich besonders über den enthusiastischen Nachwuchs.
Lebendige Tradition und immaterielles Kulturerbe
Durch das Knallen mit den Geisseln wird Lärm erzeugt, um den Samichlaus zu wecken. Die Vorfahren glaubten, dass sich zur Zeit der Wintersonnenwende das Totenreich öffne. Die Seelen der Verstorbenen traten an den Tag und verfolgten die noch lebenden Menschen auf Schritt und Tritt. Durch das ohrenbetäubende Knallen mit den Chlausgeisseln sollen nach vorchristlichem Glauben die bösen Wintergeister und Dämonen vertrieben werden.
Das Chlauschlöpfen in der Region Lenzburg gehört zum immateriellen Kulturerbe der Schweiz und ist eine lebendige Tradition, die sich wieder grosser Beliebtheit erfreut.
Rund 40 Kinder und Jugendliche gehören zu den Chlauschlöpfern Dintikon. «Dieses Jahr nehmen zudem viele Erwachsenen aus dem Bezirk am Wettbewerb teil», meint der OK-Präsi erfreut. «Wir selber haben einen starken Nachwuchs und auch fünf Frauen, die aktiv chlöpfen. Die jüngste Frau ist 20 Jahre alt und die älteste 72.»
Herstellung ist reine Handarbeit
Die Geisseln sind alle handgemacht und ohne die Geisselmacher Daniel Werren und Mario Birrer wäre diese Tradition nicht denkbar. Mit der Herstellung der gefragten und aufwendigen Geisseln wird bereits im Frühjahr begonnen. Die Chlauschlöpfer in der Region wählen vor allem die Lenzburger Geissel, weil sie besser in der Luft liegt, einen schöneren Knall erzeugt und biegsamer ist als die Innerschweizer Geisseln.
Am dickeren Ende der Geissel befindet sich das «Wybli». Es wird so mit Schnur am Stock befestigt, dass sich die Geissel ungestört drehen kann. Am anderen Ende des Seils befindet sich das «Männli». An ihm wird der Zwick, der eigentliche Knallkörper aus Nylonfasern, befestigt. Voller Stolz trugen einige der Teilnehmer die Geisseln am Körper und gaben Zuschauern immer wieder Auskunft über das Brauchtum. Nach dem Wettkampf liessen es sich die Geisselmacher nicht nehmen, ihr Handwerk zu zeigen. Seit Sonntagabend, 21 Uhr, schweigt die Geissel wieder, bis sie im November wieder zum Einsatz kommt.