Gefallen an die Natur
28.04.2023 BremgartenInitiiert durch die Ortsbürgergemeinde Bremgarten wurde in Fischbach-Göslikon ein Altarm der Reuss von tonnenweise Schlamm befreit. So entstand wertvoller neuer Lebensraum für Pflanzen und Tiere. --huy
«Eine kleine Sensation»
...Initiiert durch die Ortsbürgergemeinde Bremgarten wurde in Fischbach-Göslikon ein Altarm der Reuss von tonnenweise Schlamm befreit. So entstand wertvoller neuer Lebensraum für Pflanzen und Tiere. --huy
«Eine kleine Sensation»
Projekt Aufwertung «Stille Reuss» vor dem Abschluss
Initiiert von der Ortsbürgergemeinde Bremgarten als Fischenzinhaberin, wurde das ökologisch wertvolle Gebiet des von der Reuss abgetrennten Altarms bei Fischbach-Göslikon in den vergangenen Monaten reaktiviert und aufgewertet. Die Natur freuts – das zeigt sich schon kurz nach den umgesetzten Massnahmen.
Marco Huwyler
Der Anblick ist spektakulär. Die riesigen Säcke gleich neben dem Spazierweg sehen ein wenig aus wie gestrandete Wale. Oder wie «riesige Blutwürste», wie es Marco Kaufmann ausdrückt. Gefüllt sind sie mit tonnenweise Schlamm. «Rund 4000 Kubikmeter haben wir aus dem Gewässer geholt», sagt Kaufmann. Der Landschaftsarchitekt ist Projektverantwortlicher dessen, was hier bei der «Stillen Reuss» – einem geschützten Stillgewässer in der Auenlandschaft des Unteren Reusstals – in den vergangenen rund vier Monaten passiert ist. Nachdem der von der Reuss abgetrennte Altarm stark verlandet und an einigen Stellen nur noch wenige Zentimeter hoch war, hat man die Stille Reuss wieder so hergestellt, dass sie wieder mehr Wassertiefe und Volumen aufweist.
Mit einem Saugbagger, der an einen überdimensionierten Staubsauger gemahnt, wurde der hier über die Jahrzehnte angesammelte Schlamm abgetragen. Damit konnte wertvoller Lebensraum für Fische und Amphibien wiederhergestellt werden. Denn Gewässerabschnitte wie dieser bieten zahlreichen Tierund Pflanzenarten wertvolle Laichund Rückzugsorte.
Nager als Spielverderber
Ganz ohne Komplikationen verliefen die Arbeiten indes nicht immer. An einigen Stellen war das Material dermassen wassergesättigt und instabil, dass es nach dem Saugen gleich wieder nachrutschte und sich neuer Schlamm am Grund des Gewässers ansammelte. «Wir haben deshalb mehrere Durchgänge in gewissen Zeitabschnitten durchgeführt», berichtet Kaufmann. Zudem kämpfte man im Winter mit Eis, einem zeitweilig defekten Boot – und dem Biber. «Der fühlt sich offensichtlich wohl hier», schmunzelt Kaufmann. Währenddem der Mensch in seinem Refugium herumwerkelte, war auch der Nager sehr fleissig. Durch seine Staudämme sorgte er immer wieder für hohe Wasserstände, behinderte damit die Saugarbeiten und sorgte für «Schlammnachschub». «Er war ein wenig unser Gegenspieler», lacht der Projektverantwortliche. «Letztlich kamen wir aber beide aneinander vorbei und lassen ihn nun einstweilen in Ruhe.»
Seltene Molchart kehrt zurück
Obwohl das Projekt noch kaum abgeschlossen ist – am Ufer bei Fischbach-Göslikon sieht es immer noch aus wie auf einer grossen Baustelle –, zeigen sich bereits die positiven und beabsichtigten Auswirkungen auf die Natur. Mehr noch sogar. «Das Resultat hat unsere kühnsten Erwartungen übertroffen», lächelt Christoph Flory von Pro Natura, der das Projekt eng begleitete. «Bereits jetzt wimmelt es hier nur so von Laubfröschen. Das Konzert, das sie veranstalten, ist kaum zu überhören.» Der lautstarke knallgrüne Winzling, der gerne auf Büsche und Bäume klettert, war einst omnipräsent in Europa, ist aber heute vom Aussterben bedroht, seit sein Lebensraum – die Stillgewässer – vom Menschen weitgehend eliminiert wurde. Dank dem Reaktivierungsprojekt der Bremgarter Ortsbürger findet er hier wieder ein optimales Habitat.
Noch stärker überrascht war Flory indes, dass er hier bereits jetzt wieder alle vier einheimischen Molcharten im Gebiet nachweisen konnte. «Vor allem, dass wir den Teichmolch angetroffen haben, ist sehr speziell und hat mich riesig gefreut. Man kann schon sagen, dass das einer kleinen Sensation gleichkommt.»
Nach kurzer Zeit kann man also bereits konstatieren, dass das Projekt der Bremgarter Ortsbürger ein voller Erfolg war. «Wir haben damit offensichtlich das Bedürfnis der Natur getroffen», sagt Raymond Tellenbach. «Ich möchte daher allen Beteiligten meinen grossen Dank aussprechen, dass das möglich war.» Neben den Gemeinden Bremgarten und Fischbach-Göslikon haben sich auch der Bund, der Kanton und die beiden Kraftwerkbetreiber EWZ und AEW mit ihren Naturfonds finanziell am Projekt beteiligt. Die Reaktivierung und Aufwertung des Stillgewässers bei Fischbach-Göslikon war der Auftakt eines von vielen ähnlichen Projekten im Auenland der Reuss, die in den nächsten Jahren noch folgen sollen.
Was die riesigen gestrandeten Wale neben dem Wanderweg betrifft, lagern diese mitsamt ihrem Schlamminhalt noch bis im Sommer neben der Stillen Reuss. «In dieser Zeit fliesst das gesamte Restwasser ab, sodass wir danach trockenes Sediment haben», sagt Kaufmann. Dieses wird danach abgeholt und bei diversen Bauern der Region als Dünger verteilt. Dass hier 4000 Kubikmeter Schlamm abgesaugt wurden, werden Eingeweihte also bald nur noch an den lebensfrohen Schreien der Frösche erkennen.