Ganz sicher nicht austauschbar
07.01.2025 BoswilJugend-Sinfonieorchester Aargau feiert Jubiläum – zuerst in der Alten Kirche Boswil
20 Jahre Jugend-Sinfonieorchester Aargau. «Vogue!» heisst das Jubiläumsprogramm. Musikalische Modeströmungen des beginnenden 20. Jahrhunderts werden darin ...
Jugend-Sinfonieorchester Aargau feiert Jubiläum – zuerst in der Alten Kirche Boswil
20 Jahre Jugend-Sinfonieorchester Aargau. «Vogue!» heisst das Jubiläumsprogramm. Musikalische Modeströmungen des beginnenden 20. Jahrhunderts werden darin beleuchtet. Auch diesmal springt in der Alten Kirche der berühmte Funken aufs Publikum über. Das Jubiläumsjahr startet fulminant.
Annemarie Keusch
Es ist ein Zitat von Coco Chanel, das das aktuelle Programm des Jugend-Sinfonieorchesters Aargau gut beschreibt. «Um nicht austauschbar zu sein, musst du anders sein.» «Vogue!» ist anders. Die Komponisten Eric Coates und Darius Milhaud stellen in ihren Werken Anfang des 20. Jahrhunderts das Saxofon ins Zentrum. «Es steht exemplarisch für die Innovationskraft der Klassik in diesen wilden Jahren», beschreibt es Dirigent Hugo Bollschweiler im Konzertprogramm. Das Saxofon als Soloinstrument ist in der damaligen Zeit ungewöhnlich. Coates «Saxo-Rhapsody» und Milhauds «Scaramouche», interpretiert vom Jugend-Sinfonieorchester Aargau und Saxofonistin Lisa Wyss sorgen an diesem Morgen aber für am meisten und den lautesten Applaus. «Wahnsinn», sagt eine Frau ein klein wenig lauter, als sie es wohl will. Natürlich darf auch eine entsprechende Zugabe nicht fehlen.
Lisa Wyss ist eine junge Schweizer Kammermusikerin und Solistin. Von virtuosen Passagen bis zu schlichten Melodien – sie zeigt, wie vielfältig und prägend dieses Instrument zur Geltung gebracht werden kann.
Reine Männerbastion durchbrochen
Das Anderssein wird in «Vogue!» aber nicht nur mit den Werken verdeutlicht, die das Saxofon ins Zentrum stellen. Sondern auch mit Cécile Chaminades «Callirhoë-Suite». Die Komponistin wagt damit 1888 die grosse Form, als diese für Frauen noch völlig ungewöhnlich ist. «Die grosse Ballettsuite bewegt sich elegant zwischen verführerischem Salonton und grosser Bühnengeste und lässt leise ahnen, dass die Zeit der reiner Männerbastion Klassik sich dem Ende nähert», beschreibt Dirigent Bollschweiler. Das Jugend-Sinfonieorchester setzt damit die Reihe der Werke von Komponistinnen fort. «Diese bringen wir auch gerne zu Ihnen nach Hause», betonte Stefanie Braun, Orchestermanagerin. Natürlich nicht als ganzes Orchester, aber als Youtube-Kanal, auf dem die Werke verschiedener Komponistinnen gemütlich zu Hause nochmals zu hören sind.
Anders sind auch Camargo Guarnieris «Dansa brasileira» und «Dans selvagem». Brasilianisches Flair entert die altehrwürdige Klassik. Der Fächer wird geöffnet. Samba, Folklore und rituelle Rhythmen verschmelzen mit der klassischen Tradition. Und alles andere als herkömmlich ist auch «La Valse» von Maurice Ravel. Für Bollschweiler ist es eine «zeitlos verführerische Verbeugung vor dem Wiener Walzer». Speziell ist auch die Zugabe. Da zeigt das Orchester, dass auch moderne Werke problemlos interpretiert werden können. Britney Spears «Toxic» geht also auch auf Geige und Cello. «Vogue eben», meint Hugo Bollschweiler dazu. Schliesslich habe «Toxic» auch mal der Mode entsprochen. Übrigens haben die jungen Musikerinnen und Musiker damit dem Konzerttitel «Mode, Trends und neue Töne» alle Ehre gemacht. «Diese Zugabe haben wir spontan diese Woche aus dem Ärmel geschüttelt.»
Ein Film zum Geburtstag
Dass das Jugend-Sinfonieorchester Aargau seinen runden Geburtstag zuerst in Boswil feiert, ist dabei kein Zufall. Die rund 60 talentierten Musikerinnen und Musiker kommen hier zweimal jährlich für eine Probewoche zusammen, bevor sie auf Konzerttournee gehen. «Sie bringen jeweils diesen grünen Hügel zum Klingen und Schwingen», sagt Stefanie Braun. Gleiches soll, wie der berühmte, überspringende Funke, mit dem Publikum passieren. «Trinken Sie diese süffigen Musikmomente, nehmen Sie diese mit. Um davon zu zehren, wenn das neue Jahr für Sie eben auch eckige Momente bereithält», appellierte sie ans Publikum. Der Applaus nach jedem der Werke und erst recht jenem am Schluss liessen darauf schliessen, dass das Publikum diesem Rat auch wirklich folgte.
Braun nutzte das Jubiläumskonzert aber auch dazu, eine Herzensangelegenheit des Jugend-Sinfonieorchesters anzupreisen. Während der Pandemie begleitete ein Filmteam das Orchester. «Um zu spüren, was Musik in diesen jungen Menschen und im Publikum auslöst. Um dem Funken, der überspringt, auf die Spur zu gehen», weiss Braun. Momentan werde der entsprechende Film produziert. «Wir wollen uns diesen zum Geburtstag schenken.» Dafür sei man aber noch auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Die Werbung, die das Orchester in musikalischer Hinsicht macht, ist auch hierfür die beste.
Weitere Konzerte: Donnerstag, 9. Januar, 19.30 Uhr, Kultur und Kongresshaus Aarau; Freitag, 10. Januar, 19.30 Uhr, Französische Kirche Bern; Samstag, 11. Januar, 19.30 Uhr, Kirche St. Jakob, Zürich.