Ganz ohne Plan B
15.07.2025 Arbeit, Region Bremgarten, GewerbeDer eigenen Vision gefolgt
Sommerserie «Mein eigener Chef»: Harley-Werkstattbetreiber Marc Suwald und Kevin Breitschmid
In Eggenwil haben der Dintiker Marc Suwald und der Villmerger Kevin Breitschmid ihren Traum verwirklicht. Ihre ...
Der eigenen Vision gefolgt
Sommerserie «Mein eigener Chef»: Harley-Werkstattbetreiber Marc Suwald und Kevin Breitschmid
In Eggenwil haben der Dintiker Marc Suwald und der Villmerger Kevin Breitschmid ihren Traum verwirklicht. Ihre «Stars and Chrome Custombikes GmbH» führen sie mit grosser Leidenschaft.
Roger Wetli
Ein Baby- und Kaffeebesuch markierte den Anfang einer Geschäftspartnerschaft, dank der nicht mal ein Jahr darauf die Harley-Werkstatt in Eggenwil eröffnet wurde. «Wir merkten sofort, dass wir auf der gleichen Wellenlänge ticken», ist Marc Suwald noch heute dankbar. Der gelernte Harley-Mechaniker hatte die Vision eines eigenen Unternehmens und steckte damit Kevin Breitschmid an. Dieser arbeitete damals in der Geschäftsleitung der Auto Kunz AG in Wohlen und war sofort begeistert. «Wir sahen die Synergien, die wir mit unseren unterschiedlichen beruflichen Hintergründen nutzen können», schaut Breitschmid zurück. «Und wir starteten nach einer kurzen Vorbereitungsphase sofort mit der Werkstatteröffnung von null auf hundert», lacht er.
Waren die Rollen mit Suwald als Mechaniker und Breitschmid als Administrator klar verteilt, verwässerte sich das in den letzten zehn Jahren zunehmend. So lernte Kevin Breitschmid bei Marc Suwald das Handwerk des Harley-Mechanikers. Heute legen beide zu rund 90 Prozent ihrer Arbeitszeit an den Motorrädern Hand an, um die Kundenwünsche zu erfüllen. Das kann sowohl eine Optimierung des Motors als auch des Chassis sein. «Den Schritt in die Selbstständigkeit haben wir nie bereut», betont Suwald. «Dies auch dann nicht, wenn es mal eine Flaute bei den Aufträgen gegeben hat. Wir stützen uns da gegenseitig.» Die beiden geniessen es, zusammen ihr Unternehmen zu betreiben. Zusätzliche Leute möchten sie nicht einstellen. «Es braucht bei uns diesen gewissen Biss und diese Leidenschaft für die Kunden und ihre Harley-Davidson-Motorrräder», ist Kevin Breitschmid überzeugt.
Sommerserie «Mein eigener Chef»: Marc Suwald und Kevin Breitschmid erfüllen in Eggenwil Kundenwünsche an Harleys
Vor zehn Jahren gründeten Marc Suwald aus Dintikon und Kevin Breitschmid aus Villmergen in Eggenwil ihre Harley-Davidson-Werkstatt «Stars and Chrome Custombikes GmbH». Die beiden haben den Schritt in die Selbstständigkeit nie bereut, auch wenn er mit vielen Unsicherheiten verbunden war.
Roger Wetli
«In den ersten zwei Jahren war es schon brutal», blickt Kevin Breitschmid zurück. «Die Mehrfachbelastung war gross. Wir trugen beide das finanzielle Risiko der Werkstatt, hatten beide eine junge Familie, einen Hund und in meinem Fall frisch Wohneigentum gekauft.» Marc Suwald betont: «Wir starteten von 0 auf 100, glaubten an unseren Weg. Bis heute haben wir keinen Plan B: All in.» Und noch heute staunen die beiden Geschäftspartner, wie schnell sie ihre Firma gründeten, nachdem sich beide durch Zufall kennengelernt hatten.
Beim Kinderpräsentieren kennengelernt
«Marcs Ex-Frau ist meine Cousine», schmunzelt Kevin Breitschmid. «Unsere Söhne wurden 2014 mit einem Abstand von drei Monaten geboren. Und so trafen wir uns bei Kaffee und Kinderpräsentieren», lacht er. Der ausgebildete Polymechaniker und Motorradtechniker Suwald arbeitete bereits damals als Angestellter einer Harley-Werkstatt. «Seit ich als zirka 14-jähriger Jugendlicher im Fernsehen die Serie ‹Orange County Choppers› gesehen hatte, träumte ich von einer eigenen Harley-Werkstatt. Ich wollte das auch machen – einfach besser.» Die Augen von Marc Suwald leuchten noch heute. Auch Kevin Breitschmid träumte davon, eines Tages selbstständig ein Unternehmen zu betreiben. «Ich absolvierte die KV-Lehre bei der Auto Kunz AG und war später dort in der Geschäftsleitung. Als Kaufmann wusste ich nur nicht, was ich als Selbstständiger tun könnte. Da kamen mir die Begeisterung und Geschäftsvision von Marc gerade recht.»
Beide sahen sofort das Potenzial und die Synergien, die sich durch eine Zusammenarbeit auftun würden. «Und wir beide waren und sind von den Harley-Motorrädern begeistert», strahlt Breitschmid. Nach dem ersten Treffen ging es schnell: Bald schon standen ein Geschäftsmodell und ein vorsichtig gerechneter Finanzplan, der Raum in Eggenwil wurde gefunden und ab Dezember 2014 eingerichtet. «Einzige Bedingung war bei mir der Firmenname ‹Stars & Chrome›, so Suwald. Und Breitschmid betont: «Mit diesem war ich sofort einverstanden.» Offiziell eröffnet wurde die Werkstatt im März 2015. Wobei Marc Suwald sofort anfing, sich nur noch auf «Stars & Chrome» zu konzentrieren. Kevin Breitschmid arbeitete dagegen zuerst in einem 50-Prozent-Pensum weiter bei der Auto Kunz AG und reduzierte sein Pensum zunehmend. «Das war für alle Seiten eine Win-win-Situation», dankt es Breitschmid seinem ehemaligen Arbeitgeber noch heute.
Alles aus einer Hand
Die beiden Geschäftspartner betonen, dass sie den Weg in die Selbstständigkeit nie gewagt hätten, wären ihre beiden Frauen nicht zu 100 Prozent hinter ihnen gestanden. Zuversicht, dass es klappt, gab den beiden die Tatsache, dass Harley-Fahrer ihre Motorräder nicht primär einer bestimmten Werkstatt, sondern einem Mechaniker ihres Vertrauens überlassen. «Die Leute kannten mich bereits aus der Szene. Das war keine Garantie, hat aber teilweise funktioniert. Und so konnten wir durch Mund-zu-Mund-Werbung einen guten Kundenstamm aufbauen.» Heute fahren die Harley-Liebhaber aus der ganzen Schweiz nach Eggenwil – und gar aus Deutschland und Bulgarien.
Kümmerte sich Kevin Breitschmid zuerst vornehmlich um administrative Belange, lernte ihn sein Geschäftspartner zunehmend als Motorradmechaniker an. «Es war ein ‹Learning by doing›, erinnert sich Breitschmid. «Marc war ein strenger und ausgezeichneter Lehrmeister.» Heute schrauben beide zu 90 Prozent an den Motorrädern. Ganz wichtig: «Wer bei uns einen Kunden berät, kümmert sich danach auch um sein Motorrad. Klar tauschen wir uns aus. Aber das Motorrad bleibt bei ein und derselben Person, weil sie sich so alle Details merken kann», so Suwald.
Er erklärt, dass sie von Anfang an eine klare Vision gehabt hätten, wie eine Werkstatt funktionieren soll. «Diese umzusetzen und zum Beispiel die Abläufe zu optimieren, dauerte dann aber doch», schaut Kevin Breitschmid zurück. «Entscheidend ist, dass unsere Kunden nur möglichst kurz auf ihre Harley verzichten müssen. Haben wir ein Projekt abgemacht, bringt der Kunde sein Motorrad und wir bauen es um. Wir haben auch gar keinen Platz, zum Beispiel 50 Motorräder hier zu lagern.»
Die beiden optimieren die Harleys nach den Kundenwünschen, passen die Motoren und Getriebe an und sorgen für ein individuelles Aussehen. Lackierer- und Spenglerarbeiten vergeben sie an vertrauenswürdige externe Profis. «Eigentlich sind wir eine Mischung aus Monteuren und Architekten», schmunzelt Kevin Breitschmid. Beide pflegen einen unkomplizierten und freundschaftlichen Umgang mit ihren Kunden. Und beide besitzen auch selber eine Harley. «Leider kommen wir nur eher selten dazu, diese zu fahren», lacht Marc Suwald.
Heute gelassener als früher
In den zehn Jahren Selbstständigkeit lernten beide, abzuschalten, sobald sie die Werkstatt Eggenwil verlassen. «Das war nicht immer so», schaut Kevin Breitschmid zurück. «Zu Beginn gönnten wir uns auch nur selten Ferien. Nur zwischen Weihnachten und Neujahr schliessen wir für zwei Wochen. Sonst fahren wir heute vielleicht in der warmen Jahreszeit mal einzeln für ein bis zwei Wochen mit unseren Familien in den Urlaub. Dafür können wir auch mal unter der Woche etwas mit unseren Kindern unternehmen.»
Für Marc Suwald war sein Geschäftspartner auch immer dann ein Auffangnetz, wenn es finanziell einmal schwierig wurde und Zweifel am Erfolg aufkamen. «Eine Harley ist ein Luxusprodukt. Es gibt Faktoren, die wir beide schlicht nicht beeinflussen können», weiss Marc Suwald. Er zählt dazu die allgemeine Wirtschaftslage und das Wetter auf. «Regnet es wie im letzten Sommer über längere Zeit oder wird es im Herbst bereits im September kalt, spüren wir das anhand der Aufträge. Da hilft es, dass wir mittlerweile die Gewissheit haben, dass sich die Qualität unserer Werkstatt herumspricht.» Entsprechend würde er es gelassener nehmen, wenn sich wieder einmal eine Auftragsflaute anbahne.
Blindes Vertrauen
Beide betonen, dass es zwischen ihnen seit Tag eins immer harmoniert. «Es kann trotzdem mal laut werden. Aber wir hegen gegenseitig keine Missgunst und wissen, dass wir aufeinander angewiesen sind. Da herrscht blindes Vertrauen», ist Kevin Breitschmid dankbar. «Und wir haben beide gleich viel zu gewinnen und zu verlieren.» Marc Suwald betont: «Für uns bedeutet diese Harley-Werkstatt nach wie vor pure Leidenschaft. Wir werden damit nicht finanziell reich, dafür reich an Lebensqualität. Jeder Morgen hier ist geil, ein Abenteuer. Wir sind beide mit dieser Werkstatt verwachsen.» Breitschmid ergänzt: «Wir hegen auch keine Gedanken an Alternativen. Und wir möchten diese Firma weiterhin ausschliesslich zu zweit betreiben.» Sie bleibe damit authentisch. «Es braucht den Biss, den wir beide haben», gibt Suwald zu bedenken. «Wir haben diese Firma gemeinsam aus dem Nichts erschaffen. Das und die tägliche Arbeit machen unglaublich zufrieden.»
Die Serie
In der Sommerserie «Mein eigener Chef» oder «Meine eigene Chefin» porträtiert die Redaktion Menschen aus dem Freiamt, die sich selbstständig gemacht haben, ohne die Einmischung eines Vorgesetzten ihr eigenes Unternehmen führen. --red