Fürs Preisgeld gibt es einen Bikini
19.05.2023 BremgartenBremgarter Powerfrau
Nadina Schaniel hat sich die Profi-Lizenz im Bodybuilding erkämpft
Trainieren, hungern, verzichten und Vorurteile ertragen. Bodybuilding ist mit all diesen Herausforderungen verbunden. Nadina Schaniel aus Bremgarten hat ...
Bremgarter Powerfrau
Nadina Schaniel hat sich die Profi-Lizenz im Bodybuilding erkämpft
Trainieren, hungern, verzichten und Vorurteile ertragen. Bodybuilding ist mit all diesen Herausforderungen verbunden. Nadina Schaniel aus Bremgarten hat diese auf sich genommen und sich mit dem Sieg an einem Bodybuilding-Wettkampf in Schweden die Profi-Lizenz gesichert.
Josip Lasic
Es ist geschafft. Nadina Schaniel holt den Sieg am «Sweden Grand Prix Pro Qualifier». Es war lange ihr Ziel, sich eine Profi-Lizenz im Bodybuilding-Sport zu sichern. Dafür hat sie bis zu 14 Mal die Woche trainiert. Gegen Ende der Vorbereitungszeit durfte sie nicht mal mehr Kaffee oder Kaugummis zu sich nehmen. Doch all die Mühen haben sich gelohnt.
Die Profi-Lizenz ermöglicht es der 21-Jährigen allerdings nicht, von ihrem Sport zu leben. Die Preisgelder im Bodybuilding sind nämlich nicht besonders hoch. Für die Bremgarterin ist der Sport aber eine Leidenschaft.
Bösartige Kommentare
Bei dieser Leidenschaft wird «leiden» besonders betont. Den neben den körperlichen Herausforderungen ist Bodybuilding auch mental anspruchsvoll. Nicht zuletzt weil man oft bösartigen Kommentaren ausgesetzt ist. «In einer Phase der Vorbereitung muss ich an Gewicht zulegen. Da hiess es, dass ich immer fetter werde. Später musste ich mir anhören, dass ich nicht noch muskulöser werden soll, da das ja nicht schön sei. Und von anderen Bodybuildern gab es Kommentare, dass ich in meiner Kategorie ohnehin chancenlos sei.» Die Bremgarterin erklärt, dass das in einer Sportart, wo die Athleten ohnehin enorm kritisch mit ihrem Körper sind, zu Schwierigkeiten führen kann. «Viele Bodybuilder leiden mit der Zeit unter psychischen Problemen.» Die Powerfrau aus Bremgarten hat aber bewiesen, dass sie nicht nur Muskeln hat, sondern auch in anderen Bereichen über viel Stärke verfügt. Sie hat in der Vorbereitung allen Schwierigkeiten getrotzt und ihr grosses Ziel erreicht.
Die Bremgarterin Nadina Schaniel ist Bodybuilderin
Nadina Schaniel hat einen grossen Bodybuilding-Wettkampf in Schweden gewonnen. Dadurch hat sie die Profilizenz erworben. Sie erzählt von strengen Trainings und Vorurteilen im Bodybuilding-Sport.
Josip Lasic
Eine junge Frau steht vor dem Restaurant Bijou in Bremgarten. Muskulös, wie sie ist, sticht sie sofort ins Auge. Kein Wunder, Nadina Schaniel ist Bodybuilderin. Im Restaurant selbst bestellt sie einen schwarzen Kaffee ohne Zucker. Weil sie auf ihre Ernährung achten muss? «Nein. Aktuell darf ich alles essen und trinken», erklärt sie. «Da ich den Wettkampf, auf den ich hingearbeitet habe, erfolgreich absolvieren konnte, habe ich mit meinem Trainer so abgesprochen, dass ich jetzt zwei Monate lang das ‹normale Leben› geniessen soll, bevor es wieder anzieht. Ich kann mir also sogar zwischendurch eine Pizza gönnen», ergänzt sie lachend.
Der Wettkampf, bei dem Schaniel angetreten ist, heisst «Sweden Grand Prix Pro Qualifier». Bei solchen Bodybuilding-Wettkämpfen müssen die Teilnehmer ihren Körper in vorgeschriebenen Posen und einer Kür präsentieren. Dabei werden Dinge bewertet wie die Muskulösität, Symmetrie, Proportionen, die Präsentation und die Ästhetik. «Dabei liegt alles im Ermessen der Jury. Es hängt viel von ihrer subjektiven Meinung ab. Es kann sein, dass eine blonde Athletin schlechter bewertet wird, wenn die Jury unterbewusst dunkelhaarige Sportlerinnen bevorzugt», erklärt Schaniel. «Mich motiviert das aber, weiterzutrainieren und noch besser zu werden, sodass man gar nicht an mir vorbeikommt.»
Maximal zwölf Pangasius-Fische
Im Endspurt der Vorbereitung vor dem Event in Schweden hat sie 14 mal die Woche trainiert, zwei Einheiten pro Tag. Krafttraining am Morgen und dann Kardio. In der Muskel-Aufbau-Phase isst sie nach einem vorgegebenen Plan. Als es in Richtung Wettkampf geht, muss sie ihr Essen abwägen, ebenso wie viel Salz und Wasser sie zu sich nimmt. Je näher der Grand Prix rückt, desto mehr Lebensmittel dürfen nicht konsumiert werden. «Die letzte Woche vor dem Wettkampf durfte ich nur noch zwölf Pangasius-Fische zu mir nehmen. Es war hart, aber hat sich gelohnt.» Die Bremgarterin gewinnt den Wettkampf in der Wellnesskategorie und erhält dadurch eine Profilizenz.
Viele Sportarten ausprobiert
Das bedeutet, dass Nadina Schaniel künftig bei den professionellen Bodybuilderinnen antreten darf. Professionell betreiben kann sie den Sport allerdings nicht. «Davon leben ist kaum möglich. Die Preisgelder reichen gerade mal für den Präsentations-Bikini.»
Deshalb arbeitet Schaniel nebenbei auch als selbstständige Personaltrainerin. So verdient sie Geld, aber kann sich die Zeit dennoch flexibel einteilen. Essen, schlafen, trainieren. Mehr macht sie in der letzten Phase vor einem solchen Wettkampf nicht. Ihre sportliche Reise begann in jungen Jahren mit Fussball, Orientierungslauf, Judo und Pole-Dance. Ihre Ausbildung zur Fachfrau für Bewegungsund Gesundheitsförderung führte sie schliesslich zum Bodybuilding. Während ihrer Lehre in einem Fitnessstudio begann sie dann mit Krafttraining. «Zuerst etwas klischeehaft mit dem Fokus auf Bauch, Beine und Po. Mit der Zeit hat mich das Bodybuilding aber immer mehr fasziniert.»
Viel Verzicht und viel Vorurteil
Seit 2021 bestreitet sie Wettkämpfe. Die Qualifikation für die Profikategorie war ihr grosses Ziel, das sie jetzt erreicht hat. «Aktuell ist es für mich schwierig, die zwei Monate zu ‹geniessen›, wie ich es mit meinem Trainer abgesprochen habe. Ich bin es mir gewohnt, nach Plan zu essen. Egal, ob ich schon satt bin oder noch Hunger habe.»
Bodybuilding ist mit Disziplin und Verzicht verbunden. Ebenso aber mit Risiken und Vorurteilen. Schaniel hat beispielsweise eine Weiterbildung im IT-Bereich absolviert und möchte eine Arbeit in diesem Bereich suchen. Während der Vorbereitung auf Schweden wollte sie sich aber noch nicht bewerben. «Einerseits wegen der Zeit, aber andererseits auch, weil man dumm wird, während der Diät. Zumindest in dieser Phase passt das Klischee des Bodybuilders mit nur Muskeln und nichts im Kopf. Das Gehirn ist in dieser Phase auch unterernährt. Ich habe es selbst schon während der Arbeit im Fitnessstudio gemerkt, dass ich Dinge vergesse.» Die Unterernährung bringt auch andere Dinge mit sich. Beispielsweise hungern Bodybuilderinnen sich so runter, dass in dieser Phase die Menstruation aussetzt. Und vor einem Wettkampf wird darauf geachtet, dass der Körper so viel Wasser wie möglich verliert, damit die Muskeln besser zur Geltung kommen. Dadurch passiert es oft, dass Athletinnen einen Schwächeanfall erleiden. «Man geht eigentlich immer mit einer Art Kater an die Wettkämpfe. Die Kopfschmerzen nach Alkoholkonsum entstehen auch durch Flüssigkeitsverlust im Körper.»
Ebenso muss Nadina Schaniel oft Kritik an ihrem Körper ertragen. «Mir wird oft gesagt, dass das ja nicht schön sei. Ich entgegne, dass ich das ja nicht tue, um anderen zu gefallen. Als Bodybuilder hat man ohnehin einen enorm selbstkritischen Blick. Viele können mit diesem Druck und solchen Kommentaren nicht umgehen.» Nicht zuletzt ist ein Problem auch die Vereinsamung. Einfach mal so mit Kolleginnen raus und in den Ausgang ist je nach Trainingsphase nicht uneingeschränkt möglich. Die Partnersuche ist ebenfalls erschwert. «Ein Partner, der ebenfalls Bodybuilder ist, würde nicht passen. Das wären dann zwei Eigenbrötler und keine Beziehung. Und Männer, die nicht trainieren, führen sich vor mir oft wie Machos auf. Vermutlich, weil sie sich vor einer durchtrainierten Frau irgendwie beweisen wollen.»
Ziel: Ms. Olympia
Für Nadina Schaniel ist Bodybuilding aber eine Leidenschaft. Es hat ihr ein tiefes Verständnis für den menschlichen Körper, Ernährung und Training vermittelt. «Und ebenso viel Disziplin», sagt sie. Ein Fernziel von ihr wäre es, sich für die Ms. Olympia zu qualifizieren. Einen der grössten und renommiertesten Wettbewerbe im Bodybuilding. Aktuell will sie sich aber noch die zwei Monate Auszeit nehmen. «Dann lege ich mein nächstes Ziel fest, auf das ich hintrainieren werde.»