Freundschaft dank Miststock
23.01.2024 Mutschellen, WidenDie Misthelfer
Die «Chilli-Bikers» treffen sich nicht nur für Bike-Touren
Wie eine Gruppe Freiämter Senioren einen Geissenbauern auf seiner Alp regelmässig unterstützt – mit Muskelkraft.
Die ...
Die Misthelfer
Die «Chilli-Bikers» treffen sich nicht nur für Bike-Touren
Wie eine Gruppe Freiämter Senioren einen Geissenbauern auf seiner Alp regelmässig unterstützt – mit Muskelkraft.
Die Chilli-Bikers sind eine gutherzige Bike-Truppe. Die Freiämter haben es sich zur löblichen Tradition gemacht, dass sie jedes Jahr im Dezember einen Beitrag für einen guten Zweck spenden.
Arbeitskraft statt «nur» Geld
Vor einigen Jahren kam der Bergbauer Christian Näf zum Handkuss, der damals Geld suchte, um seinen Geissenbetrieb zu kaufen. «Wir kamen damals auf die Idee, dass wir ihm das Geld auch direkt bringen können.» Schliesslich ist so ein Besuch auf einer Alp auch ein schöner Ausflug. Als sie vor Ort die Arbeit sahen, die mit den bis zu 90 Tieren auf der Göschenenalp anfällt, kamen sie auf die Idee, dass man dem 36-Jährigen auch Arbeitskraft spenden könnte. Seit vier Jahren unterstützen die Chilli-Bikers den Geissenbauern und seine Familie im Winter nun einmal monatlich bei der Arbeit im Stall – beim Misten. Aus dem praktischen Hilfsprojekt sind mittlerweile Freundschaften entstanden. --red
Chilli-Bikers helfen im Winter einmal pro Monat einem Geissenbauern auf der Göscheneralp
Sie sind alle über 70 Jahre alt und noch fit: die Chilli-Bikers. Seit vier Jahren unterstützen sie in der kalten Jahreszeit einmal pro Monat den Geissenbauer Christian Näf und seine Familie mit praktischer Arbeit in seinem Geissenstall. Aus dem ursprünglichen Hilfsprojekt ist eine echte Freundschaft entstanden.
Roger Wetli
«Es ist jeweils ein Eintauchen in eine ganz andere Welt», erklärt Silvie Schmid aus Bremgarten. Sie, Angelo Nogaro aus Merenschwand, Werner Koller aus Oberwil-Lieli und Hannes Rohrbach aus Widen gehören zu den zwölf Personen der Chilli-Bikers, welche nicht nur regelmässig gemeinsam Bike-Touren durchführen, sondern seit einigen Jahren den Geissenbauer Christian Näf unterstützen. Dieser überwintert jeweils 80 bis 90 Tiere auf seinem Hof auf der Göscheneralp in Uri. Den Mist, den sie dabei produzieren, schaufeln die Chilli-Bikers einmal pro Monat von Hand mit Heugabeln und Karretten aus dem Stall. «Die Geissen stampfen ihn richtiggehend zusammen», erklärt Hannes Rohrbach. «Die Schicht wird rund 30 Zentimeter hoch. Es sind pro Mal rund 20 Kubikmeter Mist. Das benötigt viel Muskelkraft.» Vier bis sechs Unterländer arbeiten dabei Hand in Hand mit Christian Näf zusammen. Nach vier bis fünf Stunden ist alles wieder sauber.
Die Chilli-Bikers fahren zurück ins Freiamt und die Geissen fressen und gedeihen weiter in der Abgeschiedenheit der Göscheneralp. «Besucht man den Ort im Sommer, denkt man gar nicht, wie schwierig es im Winter ist, dorthin zu gelangen», weiss Werner Koller. «Liegt kein Schnee, können wir noch mit dem Bike ins Tal hochfahren. Später laufen wir mit Schneeschuhen oder werden durch Christian Näf mit Schneemotorrad und Schlitten abgeholt.» Der Geissenbauer lebt dort zusammen mit seiner Ehefrau Lydia und den Kindern das ganze Jahr. Wobei die Sonne während drei Monaten den Talboden nicht erreicht. Die im Sommer offene Strasse ist im Winter stark lawinengefährdet.
Konkretes Projekt gefunden
Der Ursprung dieser praktischen Berghilfe liegt im Fachgeschäft Chilli Sport von Hannes Rohrbach. «Wir spendeten jedes Jahr im Dezember einer gemeinnützigen Organisation einen Betrag. Ende 2016 sah ich, dass Christian Näf per Crowdfunding Geld suchte, um den Geissenbetrieb zu kaufen. Wir kamen dann auf die Idee, dass wir Christian Näf das Geld direkt bringen könnten – unabhängig vom Crowdfunding.» Also stellten sie den Kontakt zum Geissenbauern her und besuchten ihn. Dabei kam die Idee auf, künftig anstelle von Geld Arbeitskraft zu spenden. «Mir gefällt, dass wir hier ganz konkret jemanden unterstützen können, ohne dass etwas in der Administration verloren geht», ist Angelo Nogaro begeistert.
Rasch erfuhren die Chilli-Bikers, dass der heute 36-jährige Christian Näf aus dem Toggenburg stammt, bereits als kleiner Junge auf diesem Hof mithalf und mit 21 Jahren den Hof pachtete. Dies, weil keines der Kinder des Besitzers in die Fussstapfen des Vaters treten wollte. 2017 konnte er ihn schliesslich kaufen.
«Es ist eine richtige Freundschaft entstanden», schwärmt Hannes Rohrbach. «In diesen Jahren durften wir erleben, wie er heiratete und Vater von zwei Kindern wurde.» Näfs Frau Lydia stammt aus Ostdeutschland und ist studierte Öko-Agrarmanagerin. Beiden gemeinsam ist, dass sie immer wieder auf der Suche nach neuen Ideen sind. So produzieren sie mit der Geissenmilch Käse, schlachten Tiere selber und bieten Hofführungen an. «Sie verkaufen ihre Produkte direkt ab Hof den vielen Wanderern im Sommer. Ich steuere dazu meine Holzsachen bei, die ich zu Hause produziere», so Rohrbach.
Gitzi-Geburten erlebt
Bei ihren monatlichen Wintereinsätze auf der Göscheneralp erleben die Chilli-Bikers, wie die Geissengruppe ab Januar stetig wächst. Dann werden die Gitzi geboren, welche als Ostergitzi verkauft oder zur weiteren Zucht behalten werden. «Wir konnten beim Misten bereits Geburten selber miterleben», ist Silvie Schmid begeistert. Im Sommer dagegen helfen die Chilli-Bikers nur einmal, wenn es darum geht, den grössten natürlichen Staudamm von Europa zu heuen. Christian Näf hat den Auftrag, diesen zu bewirtschaften. In dieser Jahreszeit sömmert er neben seinen Geissen auch solche von anderen Landwirten. Die Tiergruppe wächst dann auf über 250 Geissen an. «Dafür stellt er erfahrene Saisonniers an. Unsere Hilfe ist dann weniger gefragt», erklärt Werner Koller. Angelo Nogaro resümiert: «Aus unserer Direkthilfe für Christian Näf ist deutlich mehr geworden – eine schöne Beziehung mit grossem gegenseitigem Respekt. Er legt uns gar seine Buchhaltung offen und nimmt auch kritische Fragen und Kritik gut an.» Alle vier bezeichnen ihr Gruppenprojekt als Herzensangelegenheit. «Wir freuen uns auf jeden Einsatz.»
Wer der Gruppe beim Misten helfen möchte, darf sich bei Hannes Rohrbach per E-Mail an hannes@chillisport.ch melden. Weitere Informationen über Christian Näf und seine Familie gibt es auf www.geissenparadies.ch.