Freude am Fuss
12.08.2025 Mutschellen, WidenSchuhmacher in 3. Generation
2013 gründeten Anna und Thomas Schär ihr eigenes Unternehmen. Er war damals über 50 Jahre alt. Die Werkstatt in Widen bezog das Paar 2019. In der Serie «Mein eigener Chef» erzählen die beiden über die ...
Schuhmacher in 3. Generation
2013 gründeten Anna und Thomas Schär ihr eigenes Unternehmen. Er war damals über 50 Jahre alt. Die Werkstatt in Widen bezog das Paar 2019. In der Serie «Mein eigener Chef» erzählen die beiden über die Herausforderungen einer orthopädischen Schuhmacherei. --rwi
Sommerserie «Mein eigener Chef»: Anna und Thomas Schär von der Schär Schuhtechnik in Widen
Thomas Schär arbeitet als Orthopädie-Schuhmachermeister in dritter Generation. Anders als sein Vater und Grossvater richtet er sein Hauptaugenmerk aber nicht auf Alltagsschuhe, sondern auf solche für Menschen, die mit ihren Füssen Probleme haben. Lange angestellt, wagten seine Frau und er vor zwölf Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit.
Roger Wetli
«Ich tat mich zuerst schwer mit dem Gedanken, selbstständig zu werden», schmunzelt Thomas Schär. Der Orthopädie-Schuhmachermeister aus Oberrohrdorf mit Geschäft in Widen wuchs zwar als Sohn und Enkel einer kleinen Schumacherdynastie auf, trotzdem arbeitete er als Angestellter bis zu seinem 53. Lebensjahr. «Wir prüften zuerst verschiedene Optionen, zum Beispiel ob wir ein bestehendes Geschäft übernehmen könnten. Das klappte aber alles nicht», blickt Schär zurück. Als das Paar im Juli 2013 seine «Schär Schuhtechnik» in Schlieren eröffnete, war der Zeitpunkt ideal. «Finanziell lag es jetzt drin, selbstständig zu werden, da unsere Kinder jetzt erwachsen waren», so Schär. Seine Frau Anna war lange Zeit Hausfrau und suchte damals eine Arbeitsstelle. Also unterstützt sie ihn seither in der Buchhaltung und in der Kundenbetreuung. Im Geschäft sind sie meist zu zweit anzutreffen.
Angestellte hatte das Paar nie. «Ich dachte eigentlich, dass ich mit der Zeit zwei bis drei zusätzliche Personen beschäftigen kann und einen Lehrling ausbilde. Dazu kam es aber nie. Die Auftragslage liess das schlicht nie zu», bedauert er. Schär sieht aber auch die Vorteile dieses Kleinunternehmens. «Ich habe jetzt keine Verantwortung für mögliche Angestellte. Und der Kunde erhält den Schuh aus einer Hand, da ich vom Massnehmen der Füsse, zum Schuhumbauen bis zur endgültigen Anpassung alles selbst mache. Ich kann für meine eigene Qualität stehen.»
Faszination für das Medizinische
Dabei wollte Thomas Schär eigentlich gar nie Schuhmacher werden. «Ich liebäugelte mit einer Lehre auf dem Bau», schmunzelt er. «Klar schaute ich als Kind immer wieder in der Werkstatt meines Vaters vorbei. Das eigentliche Schuhmachen interessierte mich aber nicht so. Spannend finde ich aber die medizinische Sicht auf die Füsse. Deshalb absolvierte ich einige Jahre nach der Lehre noch Zusatzausbildungen.» Sein Berufsweg führte ihn von Burgdorf für sechs Jahre nach Zürich und danach für weitere sieben Jahre in den Bally-Schuhkonzern. «Dort stellte ich unter anderem Schuhprototypen her», erinnert sich Schär. Nach einem weiteren Abstecher nach Zürich arbeitete er für 19 Jahre in der Rehaklinik in Bellikon. «Dort passte ich fast ausschliesslich Schuhe für Personen mit Unfall an – dies in enger Zusammenarbeit mit den Physiotherapeuten, Ärzten und Patienten. Das war eine sehr spannende Zeit.»
Trotzdem wollte er nach fast 20 Jahren wieder mal etwas anderes machen und gelangte so über verschiedene Umwege in die Selbstständigkeit. «In Schlieren lief das Geschäft zuerst sehr gut, dann plötzlich nicht mehr», wundert er sich. Also suchte das Paar nach einem neuen Standort und fand ihn 2019 in Widen. «Das Ärztezentrum ging hier gerade auf und wir kannten noch einen Arzt aus meiner Reha-Zeit», so Schär.
Standardschuhe anpassen
Anna Schär betont, dass der allergrösste Teil ihrer Kunden durch Ärzte zu ihnen geschickt wird. «Das bringt immer wieder neue Klienten», erklärt sie. Anna Schär kümmert sich dabei um die nicht-fachlichen Belange, während sie das Expertenwissen ihrem Mann überlässt. Dieser gibt zu bedenken: «In der Regel passe ich normale Schuhe so an, dass die Kunden wieder schmerzfrei laufen können. Es gibt zum Beispiel Personen, die aufgrund von Unfällen nicht gleich lange Beine haben. Da erhöhe ich den einen Schuh, damit sie wieder gerade laufen können.»
Bis 70 arbeiten
Auf Wunsch erstellt Thomas Schär auch Schuhe nach Mass von Grund auf. Dazu gipst er den Fuss des Kunden zuerst ein und erstellt danach ein Negativ. «Das ist sehr aufwendig und kostet für das erste Schuhpaar zwischen 1500 und 2000 Franken. Es gibt zwei bis drei Kunden, die solche Massschuhe von mir wünschen. Sie haben keine Standardfüsse für die Serienschuhe.»
Reich wird das Paar mit ihrer Schär Schuhtechnik nicht. «Ich verdiene gar weniger als in der Rehaklinik», gesteht Thomas Schär. «Trotzdem möchte ich nichts anderes machen. Ich schätze die Abwechslung mit den Kundenkontakten, dem Handwerk und dem Offertenschreiben. Alles bereitet mir schlicht grosse Freude.» Und abschalten könnten beide, sobald sie den Schlüssel des Unternehmens drehen würden. «Dann ist definitiv Feierabend», betont Anna Schär. «Ich wehrte mich dagegen, Geschäft und Wohnung am selben Ort zu haben. Thomas’ Eltern hausten direkt über ihrer Werkstatt und waren dadurch fast ständig präsent.»
Seit 1. Juli versucht Thomas Schär, sein Pensum um rund 25 Prozent zu reduzieren, damit er es als Teilpensionär etwas ruhiger angehen kann. «Das wäre mein Ziel, aber eigentlich arbeite ich jetzt gleich viel wie vorher», lächelt er. «Wobei ich zu Beginn der Selbstständigkeit noch viel mehr arbeitete. Jetzt möchten wir das Geschäft noch weiter betreiben, bis ich 70 Jahre alt bin», schaut er voraus. «Natürlich klappt das nur, wenn es gesundheitlich auch geht.» Er habe nach wie vor sehr viel Freude am Beruf. «Wichtige Teile meines Jobs sind Empathie und Fachwissen. Ich betrachte es als Bestandteil meines Verdienstes, wenn ich sehe, wie meine Kunden mit den angepassten Schuhen wieder schmerzfrei und generell besser laufen können. Das bereitet mir grosse Freude.»
Die Serie
In der Sommerserie «Mein eigener Chef» oder «Meine eigene Chefin» porträtiert die Redaktion Menschen aus dem Freiamt, die sich selbstständig gemacht haben, ohne die Einmischung eines Vorgesetzten ihr eigenes Unternehmen führen. --red