«Fortuna» machts möglich
01.03.2024 Mutschellen, Oberwil-LieliGeschmack von Glück
Philipp Nesseler setzt auf Sauerteigbrot
Mit seinem Unternehmen «Sauer & Jung» hat sich Philipp Nesseler aus Oberwil-Lieli ganz der Kunst des perfekten Sauerteigs verschrieben.
Wenn ...
Geschmack von Glück
Philipp Nesseler setzt auf Sauerteigbrot
Mit seinem Unternehmen «Sauer & Jung» hat sich Philipp Nesseler aus Oberwil-Lieli ganz der Kunst des perfekten Sauerteigs verschrieben.
Wenn Wärme auf ein Mehl-Wasser-Gemisch trifft, werden Milchsäurebakterien und Hefepilze zum Leben erweckt. Sie werden zu einer Starterkultur, die für das Gelingen von Sauerteigbackwaren verantwortlich ist. Der in Oberwil-Lieli aufgewachsene Philipp Nesseler hat eine solche Mutterkultur vor fünf Jahren angesetzt – mit Namen «Fortuna».
Sauerteig-Fan mit Vision
Mit der Hilfe seiner Starterkultur hat der 28-Jährige sein Standbein als Sauerteigbrot-Bäcker aufgebaut, das er «Sauer & Jung» nennt. Er ist ein absoluter Sauerteig-Fan und hat sich in den letzten Jahren ein regelrechtes Fachwissen zugelegt. «Es interessiert und fasziniert mich halt einfach», meint Nesseler enthusiastisch. Bei einem Besuch in der Backstube in Lieli erklärt er seine Leidenschaft für das traditionsreiche Brot. --sab
Philipp Nesseler von «Sauer und Jung» hat sich auf Sauerteigbrote spezialisiert
Geschick, Geduld und viel Hingabe – mit diesen Attributen bäckt Philipp Nesseler in Oberwil-Lieli seine Sauerteigbrote. Er hat sich dem jahrhundertealten Brothandwerk mit Leib und Seele verschrieben und hat sein Hobby zum Hauptberuf gemacht.
Sabrina Salm
Sie ist lebendig, reagiert nicht selten sensibel auf ihre Umwelt und macht zum Teil, was sie will. Die Rede ist von «Fortuna». Sie ist eine Starterkultur aus Weizenmehl und Wasser. Gezüchtet wurde sie von Philipp Nesseler, der in Oberwil-Lieli aufgewachsen ist. Ihr Name sei Programm. «Manchmal braucht man eben etwas Glück, damit der Sauerteig gelingt», sagt ihr «Besitzer». Mittlerweile ist sie fünf Jahre alt und hat schon zig Köstlichkeiten produziert. Denn ein Teil von ihr wird zum Backen entnommen, der andere wird weitergeführt.
Durch Höhen und Tiefen
Mit viel Hingabe wird sie gepflegt und gehegt. Sie war mit Nesseler schon in den Ferien – sowohl im Engadin als auch in den USA. «Eine Starterkultur ist eben wie ein Haustier. Sie muss umsorgt und täglich gefüttert werden», begründet der 28-Jährige die Mitnahme seiner Züchtung. Ausserdem stattete er seiner Gastfamilie in Oregon einen Besuch ab und wollte ihnen natürlich die Kraft von «Fortuna» vorstellen. Ausser Wasser und Mehl im richtigen Verhältnis und die richtige Temperatur brauche eine Starterkultur Aufmerksamkeit und Feingefühl, um zu gedeihen. Gemeinsam gingen die beiden durch Höhen und Tiefen. Wenn man mit Philipp Nesseler spricht, merkt man schnell – sie ist für ihn mehr als «nur» der Anfang von Sauerteig-Produkten. «Fortuna» ist die Grundlage seines Unternehmens «Sauer & Jung».
Vor drei Jahren hat Nesseler seine kleine Backstube, damals noch mit einem Kollegen zusammen, auf dem Härri-Hof im Ortsteil Lieli eingerichtet. Zuerst lieferten sie ihr Sauerteigbrot regelmässig im privaten Umfeld aus. Mit der Zeit wuchs ihr Nebengeschäft – die Bestellungen erweiterten sich auf die ganze Region Mutschellen und die Wochenmärkte von Baden sowie auf dem Helvetiaplatz in Zürich wurden feste Programmpunkte in der Agenda von «Sauer & Jung». Heute führt Philipp Nesseler sein Unternehmen alleine und setzt voll auf die Karte Sauerteig-Bäcker.
Im Bann des Sauerteigs
Der Vater einer kleinen Tochter ist jedoch kein gelernter Bäcker. Er ist Quereinsteiger und ursprünglich Bio-Landwirt. Sein Grossvater aus Deutschland war ebenfalls Bauer, zu Hause in Oberwil-Lieli hatte er damals aber keine Berührungspunkte mit der Landwirtschaft. «Ich mochte es, als Bio-Bauer zu arbeiten. Ich wählte meine Ausbildung, weil es Interessant, etwas Lebendiges und Wichtiges ist. Auch weil ich gerne mit meinen Händen schaffe.» Mit den Händen arbeitet er auch heute in der Backstube. Das Handwerk hat er sich selbst beigebracht. Doch Lebensmittel und die Zubereitung von Essen im Allgemeinen haben ihn schon immer fasziniert. Kochen und Backen – Experimentieren in der Küche, waren bereits früh seine Hobbys. «Als ich dann per Zufall ein Video über Sauerteigbrot-Herstellung sah, war es um mich geschehen», erzählt er mit einem Funkeln in den Augen. Er versuchte es selbst. Bis er den Dreh raushatte. «Der ideale Sauerteig ist eine Wissenschaft für sich.» Das Hantieren mit einem Teig, der nicht zu flüssig und nicht zu fest ist, der Duft des frischgebackenen Brotes sowie dessen Geschmack zogen ihn dann vollends in den Bann von Sauerteig.
Natürlichkeit und Einfachheit
«Dies alles sowie die Natürlichkeit und die Einfachheit des Produkts finde ich genial», schwärmt der grossgewachsene Naturliebhaber. Seinen Geschmack erhält der Sauerteig vor allem durch die Milchsäureregulierung der darin enthaltenen Bakterien. «Das so entstehende Milieu beeinflusst auch massgeblich die Haltbarkeit von Sauerteigbroten», erklärt er. Ausserdem habe es weitere Vorteile – auch für die Gesundheit. «Durch die lange Gärungszeit sind Sauerteigprodukte bekömmlicher und besser für die Verdauung.» Auch für Menschen mit Allergien und Unverträglichkeiten. «Mit Sauerteig ist alles ein wenig leichter», schmunzelt er. Zwar braucht die Herstellung deutlich mehr Zeit und ist sehr arbeitsintensiv, dennoch ist die Faszination des Prozesses bei ihm ungebrochen. Er selbst isst praktisch jeden Tag Brot. «Zu 99 Prozent wähle ich ein Sauerteigbrot.»
Mittlerweile hat sich zu «Fortuna» eine weitere Starterkultur – aus Roggenmehl – gesellt. Mit den beiden Kulturen bäckt Nesseler wöchentlich an die 300 Brote und ebenso viele Brötchen. Nicht nachts, wie man es sich bei einer Bäckerei vorstellt. «Da die Sauerteigbrote eine lange Ruhezeit benötigen, kann ich den Teig einen Tag vorher machen und sie dann am Morgen frisch backen.»
Grosse Vielfalt
Im Sortiment hat er unter anderem Weizenbrot, Dinkel-Hafer-Brot oder Dinkel-Roggen-Brot sowie Sesam- und Mohn-Brötchen. Es sei nicht auszuschliessen, dass noch mehr Produkte hinzukommen. Sauerteig sei sehr divers. «Von süss bis herb kann man alles daraus machen wie mit Hefeteig.» Angedacht hat er, eines Tages auch Teigwaren aus Sauerteig sowie verschiedene Patisserie-Produkte anzubieten. Momentan fehle ihm aber die Zeit für die kreative Arbeit. Zuerst soll sich der Einmannbetrieb etablieren. «Irgendwann wäre es schön, Mitarbeiter zu haben und nicht mehr alleine in der Backstube zu stehen.»
So oder so – Philipp Nesseler möchte weiter mit anderen seine Freude an guten Lebensmitteln teilen. Er ist vom Sauerteig überzeugt und wird auch zukünftig mit Leidenschaft seine Brötchen, unter anderem mit der Hilfe von «Fortuna», backen. Und wer weiss – vielleicht bringt sie ihm nicht nur zum Gelingen seiner Kreationen Glück.