Fast zu viel Harmonie
07.06.2024 BremgartenOrtsbürger-«Gmeind» mit defizitären Kreditabrechnungen und Verabschiedungen
Im Casino fand am Dienstag die Sommer-«Gmeind» der Ortsbürger statt. Diskutiert wurde wenig. Obgleich es zu den traktandierten Kreditabrechnungen einiger ...
Ortsbürger-«Gmeind» mit defizitären Kreditabrechnungen und Verabschiedungen
Im Casino fand am Dienstag die Sommer-«Gmeind» der Ortsbürger statt. Diskutiert wurde wenig. Obgleich es zu den traktandierten Kreditabrechnungen einiger erklärender Worte bedurfte.
Marco Huwyler
Ganz zum Schluss hatte Stefan Birchmeier noch etwas zu sagen. Als Stadtammann Raymond Tellenbach schon drauf und dran war, die Versammlung zu schliessen, ergriff das zuvor verabschiedete Finanzkommissionsmitglied nochmals unverhofft das Wort. «Es war ja ein schöner Abend. Harmonisch und friedlich. Aber ich muss euch ehrlich sagen. Mir fehlte der Pfupf», rief Birchmeier den Anwesenden zu. «Wo waren die Wortmeldungen? Wer hat das Protokoll und die Unterlagen überhaupt gelesen?», fragte er rhetorisch ins Rund der Ortsbürger. Ihm sei es, als werde die Beteiligung an den politischen Geschäften immer weniger. «Doch wir sind nicht nur zum Essen und Trinken hier. Fragt nach. Seid kritisch. Mutig. Interessiert. Es ist nicht nur am Stadtrat, die Geschicke Bremgartens mitzubestimmen.» Den Abschiedsworten des langjährigen Fiko-Mitglieds folgte Applaus. Denn manch einer der Angesprochenen dürfte sich gedacht haben, dass es in der Tat etwas gar harmonisch gewesen war für eine «Gmeind» in den 90 Minuten davor.
Oberer Zoll/Zeughaus sorgt für leise Kritik
Zumal zwar gewiss nicht die brisantesten Geschäfte auf der Agenda gestanden hatten, aber die Traktanden trotzdem Raum für einige hinterfragende Voten geboten hätten. Denn der Stadtrat präsentierte seinen Ortsbürgern gleich zwei Kreditabrechnungen, die den einst abgesegneten Verpflichtungskredit deutlich überschritten. Tatsächlich war es denn auch wieder dem abtretenden Birchmeier im Namen der gesamten Finanzkommission vorbehalten, hier exklusiv den Finger in die Wunde zu halten. Als es um die Abrechnung des Umbaus bzw. der Sanierung «Oberer Zoll» und «Zeughaus» ging, die schlussendlich 3,04 Millionen statt der geplanten 2,45 Millionen gekostet hatte (+24%), war die Fiko für einmal nicht ganz einverstanden mit dem Vorgehen des Stadtrats. Insbesondere, dass Unterhaltsausgaben, die nicht im Budget enthalten gewesen waren, als «Projektrahmenänderung» das Projekt zusätzlich verteuerten, störte die Fiko. Künftig soll der Stadtrat in solchen Fällen zwingend einen Zusatzkredit beantragen. «Wir haben einen entsprechenden Einwand platziert», sagte Birchmeier. Ansonsten könne die Fiko nach «intensiven Gesprächen» die Kostenüberschreitungen nachvollziehen. «Und mit dem Resultat sind wir alle glücklich.» Das Zeughaus und die Bibliothek seien richtig schmuck geworden, hatte zuvor schon Raymond Tellenbach befunden. «Da haben ganz viele Bremgarter zu Recht Freude daran.»
Ein Auge auf die Kosten
Deutlich überschritten hat die Stadt auch den einstigen Verpflichtungskredit bei der Tiefgarage Fuchsäcker.
Die Sanierung des Parkhauses kostete die Ortsbürger schliesslich rund 694 000 Franken statt 460 000 (+50,8%). Auch ein Nachtragskredit von 140 000 Franken wurde damit deutlich überschritten. Aufgrund unvorhergesehener Mehrkosten im Bereich der Sicherheit und Überraschungen beim Bau (so wurde etwa ein defekter Lüftungskanal festgestellt oder unterschiedliche Bodenniveaus eruiert) konnte der Stadtrat diese indes plausibel begründen – auch zur Zufriedenheit der Fiko. Der grosse Unterschied zwischen Verpflichtungskredit und Nettoinvestition führt aber dazu, dass der Stadtrat künftig an jeder Sitzung von Baukommissionen der Ortsbürger ein Traktandum «Kostenstand an Bausitzungen» einführen will, um die Kosten stets noch genauer und transparenter im Blick zu haben.
Jede Stimme entscheidend
Die Kreditabrechnungen – wie sämtliche Geschäfte – wurden an diesem Dienstag ohne Voten und Gegenstimmen gutgeheissen. Was normalerweise eine Formalie wäre. Nicht so an dieser Gmeind. Aufgrund der aussergewöhnlichen Anomalie, dass die Anzahl der anwesenden Stimmberechtigten mit 82 genau jenen 20 Prozent aller Ortsbürger gleichkommt, die vonnöten ist, um die Geschäfte definitiv zu beschliessen, war genaues Zählen diesmal auch bei überwältigender Mehrheit von Bedeutung. Fünf von sieben Traktanden wurden schliesslich tatsächlich von allen 82 angenommen. So unterliegen schlussendlich nur jene beiden (Kreditabrechnungen und Rechnung 2022) dem fakultativen Referendum, bei denen sich der Stadtrat von Gesetzes wegen zu enthalten hatte – in der Tat ziemlich viel Harmonie.
Zwei neue Fiko-Mitglieder
Neben Vizepräsident Stefan Birchmeier, der seit 2010 mit kurzem Unterbruch als Fiko-Mitglied der Ortsbürger amtete, trat am Dienstag auch Thomas Keusch aus der ortsbürgerlichen Finanzkommission zurück. Auch Keusch nahm seit 14 Jahren in der Ortsbürger-Fiko Einsitz – bis zum Zusammenschluss 2014 noch in derjenigen von Hermetschwil-Staffeln. Ersetzt werden die beiden Abtretenden durch Serge Bütler und Thomas Tardy. Beide neuen Mitglieder wurden am Dienstag ohne Gegenstimmen in ihr neues Amt gewählt. --huy