Endlich wieder Fasnacht
07.02.2023 BremgartenDie Bremgarter Schpitelturm-Clique freut sich auf die fünfte Jahreszeit
Seit Bremgarten zum letzten Mal offiziell in Konfetti getaucht wurde, sind mittlerweile drei Jahre vergangen. Die Schpitelturm-Clique hat seither bewegte Zeiten durchgemacht und stand zeitweise vor ...
Die Bremgarter Schpitelturm-Clique freut sich auf die fünfte Jahreszeit
Seit Bremgarten zum letzten Mal offiziell in Konfetti getaucht wurde, sind mittlerweile drei Jahre vergangen. Die Schpitelturm-Clique hat seither bewegte Zeiten durchgemacht und stand zeitweise vor dem Nichts. Umso grösser ist die Vorfreude auf die kommenden Tage.
Marco Huwyler
Die Redewendung «wie Phönix aus der Asche» trifft selten auf etwas so gut zu wie auf den Werdegang der Bremgarter Schpitelturm-Clique. Denn das Hab und Gut der Bremgarter Fasnachts-Instanz lag tatsächlich in Asche. Bei einem verheerenden Brand im Lagergebäude der Clique ging unter anderem der langjährige Fasnachtswagen in Flammen auf.
Nun hat der Verein aber einen neuen Wagen, der die Dimensionen des alten bei Weitem überstrahlt. «Vor ein paar Tagen waren wir damit beim Strassenverkehrsamt zur Abnahme. Wir haben alle gebibbert, dass er doch bitte die Zulassung erhalten möge», lacht Sandro Schmid. Und die Behörden erwiesen sich nicht als Spielverderber. Der Eigenkonstruktion der Fasnächtler wurde die Bewilligung erteilt. Sie wird der Bremgarter Bevölkerung am «schmotzige Donnschtig» ein erstes Mal präsentiert, wenn sich der Stadtrat der Anklageschrift des Stubenmeisters stellen muss.
Nachwuchs mit an Bord
Dieser ist voll der Vorfreude. Sandro Schmid hat mit seiner Schpitelturm-Clique in den letzten Jahren einen Generationenwechsel vollzogen. Die 15 Mitglieder sind im Durchschnitt jünger geworden. «Ich bin seit 2014 dabei und schon am zweitlängsten mit von der Partie», lächelt er.
Die Bremgarter Fasnächtler sprudeln dementsprechend vor Tatendrang und neuen Ideen. «Es ist schön, dass es in Bremgarten kein Nachwuchsproblem in diesem Bereich gibt», findet Schmid. Das liegt gewiss auch daran, wie stark die Schulkinder im Städtli mit dem Brauch vertraut und in die Fasnacht involviert sind. Am grossen sonntäglichen Fasnachtsumzug sind sie fester Bestandteil und mit dem «Usrüere» ist ihnen auch heuer ein langjähriges Ritual gewidmet. «So stellen wir sicher, dass die Bremgarter Fasnacht mit ihrer schönen Tradition weitergelebt wird.» Eine Tradition, der letztlich selbst ein verheerender Brand nichts anhaben konnte – im Gegenteil.
«Von heimatlos bis richtig geil»
Die Schpitelturm-Clique hat sich nach schwierigen Jahren neu aufgestellt und freut sich diebisch auf die Narrenzeit
In neun Tagen beginnt die erste Bremgarter Fasnacht seit drei Jahren. Die Vorfreude bei den Verantwortlichen ist bereits riesig. Denn die Aufmachung der Schpitelturm-Clique soll so imposant werden wie nie zuvor. Genauso wie der grosse Fasnachtsumzug am 19. Februar.
Marco Huwyler
Im März 2020 standen die Bremgarter Fasnächtler vor dem Nichts. Die «Turbine» in der Unterstadt, die der Schpitelturm-Clique als Lager und Bastelwerkstatt diente, war in Flammen aufgegangen. Obwohl die Feuerwehr den Brand löschen konnte, wurden dabei Gebäude und Interieur fast gänzlich zerstört. «Wir verloren fast all unser Hab und Gut», sagt Stubenmeister Sandro Schmid. «Und vor allem waren wir plötzlich obdachlos. Eine Zeit lang wussten wir gar nicht mehr weiter.»
Denn solche grosszügigen Räumlichkeiten zum ständigen Werkeln und Deponieren mitten in der Altstadt findet man nicht einfach ein zweites Mal. Monatelang war die Clique vergeblich auf der Suche.
Hinzu kam, dass auch der Fasnachtswagen zu den Habseligkeiten des Vereins gehörte, die den Flammen zum Opfer fielen. «Falls es 2021 eine Fasnacht gegeben hätte, wären wir bestenfalls mit einem Leiterwägeli aufgetreten – wenn überhaupt», lächelt Schmid.
Mit neuem Elan, jetzt erst recht
Doch 2021 gab es keine Fasnacht. Genauso wenig wie 2022. «Im Nachhinein hat uns Corona fast ein wenig geholfen», findet Schmid. «Die Pandemie gab uns als Verein Zeit zum Durchschnaufen, die Dinge sacken zu lassen und uns neu aufzustellen.»
Gross war dann die Erleichterung, als der Stadtrat beschloss, die «Turbine», so wie sie war, wieder aufzubauen und im bisherigen Sinne weiterzubetreiben – also wieder an die Fasnächtler zu vermieten. «Das war ein Wendepunkt, der uns neuen Schwung verlieh», erzählt Schmid. Die Schpitelturm-Clique, die sich während dieser Zeit auch personell teilweise neu formierte und verjüngte, begann sich mit frischem Elan auf Kommendes vorzubereiten und die Fasnacht 2023 in Angriff zu nehmen. Dazu musste vor allem einmal ein neuer Wagen her. Und die 15 Vereinsmitglieder entschieden sich voller Tatendrang, dass dieser ein grosser Wurf werden sollte. «‹Wenn schon, denn schon› war das Motto», lacht Schmid. Teilweise aus Privatvermögen erwarben die Fasnächtler einen ehemaligen Heuballenwagen und begannen diesen in unzähligen Stunden Freiwilligenarbeit für die Fasnachtszeit auszurüsten und zu gestalten. «Wir haben seit April jede Woche zweimal einen ganzen Abend lang daran gearbeitet», erzählt Schmid.
Der Wagen als Geheimnis
Dank einer speziellen Stahlgerüst-Konstruktion ist das Ergebnis gigantisch. Vier Meter hoch, neun Meter lang und 11 Tonnen schwer ist das Gefährt geworden, das am grossen Fasnachtsumzug am 19. Februar standesgemäss den Abschluss bilden wird. Gezeigt werden soll der Wahnsinnswagen im Vorfeld der Fasnacht allerdings noch nicht. «Wir wollen das Geheimnis erst an der Fasnacht selbst lüften», sagt Schmid augenzwinkernd. «Für die Menschen, die an der Fasnachtseröffnung und am Umzug teilnehmen, soll es ein Stück weit auch eine Überraschung sein.»
Über 10 000 Menschen zum Umzug erwartet
Auch dieser grosse sonntägliche Umzug als Ganzes, den die Schpitelturm-Clique als Bremgarter Fasnachtsinstanz jeweils organisiert, soll dieses Jahr speziell schön werden. Die Euphorie, sich nach zwei Jahren der fasnächtlichen Entbehrung mal wieder ganz dem närrischen Treiben hingeben zu können, ist im ganzen Freiamt spürbar.
Mit 44 Nummern und 1500 Teilnehmern haben sich für den Bremgarter Umzug so viele angemeldet wie schon lange nicht mehr. «Wenn das Wetter einigermassen mitspielt, erwarten wir am Sonntag mehr als 10 000 Menschen im Städtli. Wir spüren das Fasnachtsfieber bereits jetzt von allen Seiten. Die Leute freuen sich riesig darauf, auf die grosse Fasnachtsbühne zurückkehren zu dürfen.»
Der Löwe unter dem Spittelzelt
Dementsprechend wurde auch das diesjährige Motto der Bremgarter Fasnacht gewählt. Dieses lautet: «Zirkus – Manege frei!» «Der Gedanke dahinter war, dass wir auf der Welt jetzt so viel Zirkus hatten in den letzten Jahren, dass auch Bremgarten nun wieder mal richtig zum Tollhaus werden soll, wo wir das Ganze humorvoll verarbeiten und das Publikum die ‹Vorstellung› richtig geniessen kann», erklärt Schmid.
Auch Fasnachtsplakat und Plakette wurden entsprechend gestaltet. Diese zeigt den Spittelturm als Zelt, in dem der Bremgarter Löwe seinen grossen Auftritt hat. «Sie ist heuer richtig schön geworden», findet Schmid. «Nun hoffen wir natürlich, dass möglichst viele diese auch erwerben und uns damit helfen, die Kosten zu decken. Geboten wird einem in den sechs Tagen ja reichlich viel dafür.»
Sprüchli und Schoggiseite
Neben dem Umzug sind traditionellerweise die Highlights der Bremgarter Fasnacht auch die Eröffnung beim Spittelturm, wo sich Sandro Schmid als Stubenmeister der Schpitelturm-Clique den Stadtrat zur Brust nehmen wird und sich mit Ammann Raymond Tellenbach ein amüsantes Rededuell liefert sowie der Städtli-Brauch des Usrüere, der auch dieses Jahr wieder Hunderte Schülerinnen und Schüler leckere Süssigkeiten, Orangen und Konfetti beschert. Geworfen werden diese heuer vom brandneuen Schpitelturm-Clique- Wagen, auf dessen Fassade das dafür obligatorische Sprüchli «Heego! Naro! Wyss ond rot – Pio» integriert wurde. Genauso wie das Panorama der Bremgarter Schoggiseite, welches von der einheimischen Künstlerin Barbara Enzler verblüffend akkurat auf den Wagen gesprayt wurde.
«Wir alle haben so richtig Bock auf die diesjährige Fasnacht. Sie wird etwas Besonderes. Auch, aber nicht nur wegen dem neuen Wagen», strahlt Schmid. «Für uns als Schpitelturm-Clique ist sie der Höhepunkt auf einer Achterbahn der Emotionen, die wir in den letzten Jahren erlebt haben. Was für eine Reise – von heimatlos bis richtig, richtig geil!» Der 36-Jährige kann es daher kaum erwarten, bis er sich in Zirkus-Fasnachts-Schale werfen kann und es in neun Tagen endlich heisst «Manege frei!».