Ende nach über 160 Jahren
30.12.2022 Oberwil-Lieli, MutschellenWohnungen statt «Metzgerstübli»
In seiner über 160-jährigen Geschichte wurde das «Metzgerstübli» unter verschiedenen Namen geführt und war lange Zeit als «obere Wirtschaft» im Gegensatz zur «Pinte» als «untere ...
Wohnungen statt «Metzgerstübli»
In seiner über 160-jährigen Geschichte wurde das «Metzgerstübli» unter verschiedenen Namen geführt und war lange Zeit als «obere Wirtschaft» im Gegensatz zur «Pinte» als «untere Wirtschaft» bekannt. Im «Metzgerstübli» wurden Versammlungen und kulturelle Veranstaltungen durchgeführt, als es dafür noch keinen anderen Ort im Dorf gab. Jetzt werden in die Restaurant-Flächen drei Wohnungen gebaut. Sein letzter Wirt, Jusuf Bekiri, zieht 150 Meter weiter in die «Pinte».
Ende der «oberen Wirtschaft»
Aus dem Restaurant «Metzgerstübli» werden Wohnungen
Über 160 Jahre lang bildete das Restaurant «Metzgerstübli» einen wichtigen Treffpunkt in Oberwil-Lieli. Jetzt hat das zuletzt als «RistoranteIl Tricolore» geführte Lokal geschlossen. Aus dem Beizenteil werden drei Wohnungen. «Tricolore»-Wirt Jusuf Bekiri haucht dafür der «Pinte» neues Leben ein.
Roger Wetli
«Ich öffnete das «RistoranteIl Tricolore» das letzte Mal am 23. Dezember», bedauert der Wirt Jusuf Bekiri. Er führte diese als «Metzgerstübli» bekannte Beiz neun Jahre lang. Der Oberwil-Lieler Bevölkerung bleibt er aber erhalten. «Ich eröffne am 1. Februar die ‹Pinte›, die nur wenige Schritte vom ‹Metzgerstübli› entfernt liegt. Am neuen Ort werde ich mit dem gleichen Konzept wirten und ich hoffe, die Vereine und meine Stammkundschaft dahin mitnehmen zu können.» Die «Pinte» wurde in den letzten Jahren nur noch als Bar betrieben. «Ich werde wieder das ganze Restaurant nutzen», verspricht Bekiri.
Selber acht Jahre lang gewirtet
Besitzer des «Metzgerstübli» ist der 83-jährige Hans Stadtmann aus Wetzikon. Er wirtete in diesem Lokal selber mal acht Jahre lang zusammen mit seiner Frau. «Ich bin mit Herz und Seele Oberwiler und war selber Beizer in dritter Generation. Deshalb bedaure ich das Ende des ‹Metzgerstübli› sehr», erklärt er. Die Flächen, welche das Restaurant heute beansprucht, wird er in zwei 3,5-Zimmer-Wohnungen und in eine 2,5-Zimmer-Wohnung umbauen lassen. Als Gründe für die Schliessung dieser Traditionsbeiz erwähnt er: «Die behördlichen Auflagen an ein Restaurant werden immer grösser. So müsste ich zum Beispiel einen neuen Küchenboden einbauen lassen. Zudem wird es immer schwieriger, mit dem ‹Metzgerstübli› Geld zu verdienen.»
Das Ende dieses Begegnungsortes bedauert auch Rita Brem-Ingold, Ur-Oberwilerin und als Gemeinderätin von Oberwil-Lieli für das Ressort Kultur zuständig: «Hier endet ein unwiederbringliches Stück Geschichte unseres Dorfes», weiss sie. «Das ‹Metzgerstübli› wurde früher einfach ‹obere Wirtschaft› genannt und ist geschichtsträchtig. Es erhielt den Namen, da Restaurant und Metzgerei miteinander verbunden waren.» Es habe als Vereinslokal, Mehrzweckraum und Treffpunkt für alle gedient, als Oberwil-Lieli noch nicht über eine Turnhalle, Aula oder einen Kindergarten mit Vereinsräumen verfügte. Der Ortsbürger und geschichtsinteressierte Pius Wetli weiss, dass bis 1970 das kulturelle Leben des Dorfes im ‹Metzgerstübli› stattfand. «Gebaut wurde das Gebäude vor 1850 und als Restaurant wurde es spätestens ab 1858 geführt. Eine gewisse Zeit wurde es als Speiserestaurant ‹Koller Wetli› geführt.» Rita Brem Ingold fühlt den Puls der Bevölkerung: «Das ‹Metzgerstübli› wird von der ansässigen mittleren und älteren Generation sehr vermisst werden, wird es doch mit unzähligen Erinnerungen und Emotionen verbunden.»
Immer noch in beiden Dorfteilen ein Restaurant
Die Gemeinderätin schaut voraus: «Der Dorf kern wird sich optisch durch die neue Nutzung verändern.» Und sie erklärt, warum das «Metzgerstübli» einst als «obere Wirtschaft» bezeichnet wurde: «Der Ortsteil Oberwil verfügte in den vergangenen Jahrzehnten über zwei Restaurants. Die ‹untere Wirtschaft› war die ‹Pinte›.» Die Gemeinderätin freut sich, dass die «Pinte» jetzt durch Jusuf Bekiri wieder eröffnet wird, und betont, dass zwischen dem «Metzgerstübli» und der «Pinte» nur 150 Meter liegen. «Für Oberwil-Lieli ist es ein Glücksfall, dass wir dank der ‹Pinte› immer noch in beiden Ortsteilen über ein Restaurant verfügen.» Die Einwohnerinnen und Einwohner würden die Schliessung des «Metzgerstübli» mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten. «Wichtig ist nun, dass die neue ‹untere Wirtschaft› rege besucht wird, damit uns auch in Zukunft in beiden Ortsteilen je ein Restaurant erhalten bleibt», unterstreicht sie.