Eine gefühlte Niederlage
28.10.2025 Sport, Fussball1. Liga classic: FC Wohlen – SR Delémont 1:1 (1:0)
Der FC Wohlen zeigt gegen Delémont eine starke Leistung – und belohnt sich nicht. Ein Lucky Punch der Gäste kostet den FCW den Sieg. Was die Freiämter aber gewonnen haben, sind einige ...
1. Liga classic: FC Wohlen – SR Delémont 1:1 (1:0)
Der FC Wohlen zeigt gegen Delémont eine starke Leistung – und belohnt sich nicht. Ein Lucky Punch der Gäste kostet den FCW den Sieg. Was die Freiämter aber gewonnen haben, sind einige Erkenntnisse.
Josip Lasic
Schlusspfiff im Spiel zwischen Wohlen und Delémont. Anhand der Körpersprache der Teams lässt sich das Resultat kaum erraten. Die Jurassier feiern und sind überglücklich. Bei den Freiämtern hängen die Köpfe. Dieser Kontrast macht es schwer zu glauben, dass die Mannschaften 1:1 unentschieden gespielt haben. Eigentlich wäre das Ergebnis auch keine Schande für das Heimteam. Delémont ist eine gute Mannschaft. Gemessen am Spielverlauf darf Wohlen mit der Punkteteilung aber nicht zufrieden sein. «Wir haben gegen Ende zu viele Standardsituationen zugelassen. Trotzdem dürfen wir das Spiel nie so aus der Hand geben», sagt FCW-Captain Alban Pnishi.
Eine dieser Standardsituationen wird Wohlen zum Verhängnis: In der 87. Minute fliegt ein Freistoss in den Strafraum der Gastgeber. Delémonts Florent Hushi trifft den Ball mit dem Hinterkopf und verpasst ihm so eine unberechenbare Flugbahn. Nico Ammann im Tor der Freiämter ist machtlos. Es ist ein Spiel, in dem Wohlen sehr viel richtig macht – und am Ende trotzdem keinen Sieg feiern kann. In der ersten Halbzeit neutralisieren sie die Jurassier komplett. Delémont strahlt kaum Gefahr aus. Torchancen der Gäste haben Seltenheitswert. Das Heimteam hingegen hat bereits nach 50 Sekunden durch Edison Golaj die erste Möglichkeit, in Führung zu gehen. Weitere Gelegenheiten folgen. Das Problem: Auch Wohlen erzielt keine Tore.
Erst in der 34. Minute bricht Captain Alban Pnishi das Eis und köpfelt nach einem Eckball zur Führung ein. Danach stehen die Weichen aber auf Sieg. «Wir hätten aber eine der Chancen nutzen müssen, um auf 2:0 oder gar 3:0 zu erhöhen. Das haben wir nicht und wurden bestraft.»
Es fehlen einige Prozent
Nach dem 0:4 gegen die Old Boys Basel wurde beim FCW betont, dass die meisten Punkte in erster Linie durch eine gute Defensivarbeit geholt wurden und man wieder besser verteidigen muss, um auf die Erfolgsspur zurückzukommen. Nach dem Spiel gegen die Jurassier müssen sich die Freiämter aber eingestehen, dass die Offensive keine vernachlässigbare Grösse ist. Die Abwehr überzeugt über weite Strecken. Der Angriff ist zu harmlos. Ein Tor mehr hätte dem Gegner den Wind komplett aus den Segeln genommen. Chancen dafür waren da. Insbesondere in den ersten 45 Minuten. Ankreiden lassen muss sich der FCW in erster Linie, dass sie nach der Pause offensiv einen Gang runterschalten und nicht mehr mit der gleichen Intensität das 2:0 suchen. Ein weiterer Kritikpunkt: die von Pnishi angesprochenen Standardsituationen. Dem Gegner so viele Freistösse in Strafraumnähe zu ermöglichen, war gemessen an den Wetterverhältnissen und der Qualität der Gäste sehr hoch gepokert. Die Gefahr war da, dass der Ball irgendwie doch noch ins Wohler Tor fällt, so wie es in der 87. Minute dann passiert ist.
Es ist eine verpasste Chance. Durch Niederlagen der Spitzenteams GC U21 und Muttenz hätte Wohlen mit einem Sieg bis auf zwei Punkte an Rang 2 heranrücken können. Mit dem Unentschieden bildet man punktgleich mit Delémont, Langenthal und Concordia Basel das erweiterte Verfolgerfeld auf den Rängen 3 bis 6. Den Freiämtern fehlen momentan noch einige Prozent, um definitiv zu den Spitzenteams der Liga zu gehören. Pnishi: «Ich bin der Ansicht, dass unser Platz vorne in der Tabelle ist. Man darf nicht vergessen, dass Delémont abgestiegen ist. Sie sind eine gute Mannschaft. Wir hatten sie klar im Griff. Auch in den Spielen gegen Muttenz oder Langenthal haben wir gezeigt, dass wir uns vor niemandem in der Liga verstecken müssen.» Doch auch der Captain räumt ein: «Es fehlen die paar Prozente, die den Unterschied machen, ob man solche Spiele gewinnt. Diese wirken sich am Ende auch auf die Punktzahl aus.»
Kein Spielraum zum Nachlassen
Wohlen hat sich weiterentwickelt und spielt mittlerweile deutlich besser als zu Saisonbeginn. Dennoch gibt es noch Baustellen. «Ich bin zuversichtlich, dass wir noch besser werden», sagt Pnishi. «Die Einstellung gefällt mir. Niemand gibt sich jetzt mit dem Punkt zufrieden. Der Mannschaft ist klar, dass das zwei verlorene Zähler sind. Wir können und wollen mehr.»
Wohlen kann es sich auch nicht leisten, nachzulassen. Am nächsten Sonntag, 15 Uhr, spielt der FCW bei Courtételle. Die Jurassier haben nur zwei Punkte weniger als die Freiämter. Die Teams liegen in der Rangliste eng beieinander. Besa Biel auf Rang 9 ist beispielsweise nur drei Zähler von der erweiterten Spitzengruppe entfernt. Wohlen hat das Potenzial, die Aufstiegsspiele im Sommer zu erreichen. Doch jeder Punktverlust könnte sie ins Niemandsland der Tabelle werfen. Gegen Delémont war die Qualität der Mannschaft sichtbar. Ebenso wie der Umstand, dass noch einiges an Arbeit vor ihr liegt.
Knackpunkt Offensive
FCW-Trainer Piu ist zwiegespalten – Die Leistung passt, das Resultat nicht
Die SR Delémont ist aus der Promotion League abgestiegen und strebt den Wiederaufstieg an. «Gemessen daran wäre unser Auftritt gegen diesen Gegner ein Grund, stolz zu sein», sagt Wohlen-Trainer Piu, relativiert aber sofort: «Das gelingt mir vermutlich erst morgen. Jetzt, nach dem Schlusspfiff, überwiegt der Frust. Es ist bitter, dass wir den Sieg verpasst haben.» Der Trainer ist grundsätzlich zufrieden mit der Leistung seiner Mannschaft, bemerkt jedoch, dass sie in der zweiten Halbzeit nachgelassen hat. Der Knackpunkt ist für ihn aber ein anderer: «Uns fehlt die Torausbeute. Im Abschluss kommt zu wenig. Wir leben aktuell von Dramane Sissoko.» Der Franzose hat bisher sieben Mal für die Freiämter getroffen. In dieser Saison haben sich neben ihm neun weitere Wohler in die Torschützenliste eingetragen. Mit Ausnahme von Noel Romano (zwei Tore) aber alle nur einmal. Diese Schwäche wird auch gegen Delémont sichtbar. Sissoko bleibt gegen seinen Ex-Club torlos. Abgesehen von Alban Pnishi kann niemand die Lücke füllen und den gegnerischen Goalie bezwingen.
«Sissoko braucht Unterstützung. Ich erwarte nicht, dass jeder im Team sieben Mal trifft. Aber auch andere müssen Torgefahr ausstrahlen.» Beispielsweise die Stürmer Noah Lüscher-Boakye und Nicola Assaiante. Beide zeigen viel Kampfgeist und Einsatzfreude gegen die Jurassier. Es ist ihnen allerdings anzusehen, dass sie ein Erfolgserlebnis benötigen. «Sie sind Stürmer und werden an Toren gemessen. Wir arbeiten mit ihnen dran, dass sie ihre aktuelle Torflaute beenden. Vielleicht müssen wir uns im Winter auf dieser Position auch verstärken. Bei unserer offensiven Spielweise kann es nicht sein, dass die Verantwortung auf einem Spieler lastet.»
Insgesamt sieht der Trainer seine Mannschaft aber trotz aller Mängel auf dem richtigen Weg. «Auch wenn es sich nach diesem Spiel erst wieder so anfühlen wird, wenn wir eine Nacht drüber geschlafen haben.» --jl

