«Ein sehr spezieller Moment»
21.11.2023 BremgartenTriumph für Troxler
Klarer Wahlausgang im Kampf um den frei werdenden Stadtratssitz
Der parteilose Stephan Troxler macht in der Ersatzwahl für den abtretenden Theo Rau über 400 Stimmen mehr als Mitte-Präsidentin Karin Koch ...
Triumph für Troxler
Klarer Wahlausgang im Kampf um den frei werdenden Stadtratssitz
Der parteilose Stephan Troxler macht in der Ersatzwahl für den abtretenden Theo Rau über 400 Stimmen mehr als Mitte-Präsidentin Karin Koch Wick. Damit zieht der BT-Präsident überraschend deutlich in die Bremgarter Regierung ein.
Marco Huwyler
2147 Bremgarterinnen und Bremgarter haben in den vergangenen eineinhalb Wochen ihre Stimme abgegeben und darüber befunden, wer künftig das fünfköpfige Regierungsgremium im Rathaus ergänzt. Und ihr Votum ist klar. Mit rund zwei Dritteln aller Stimmen macht Stephan Troxler das Rennen.
Politisch ist er zwar ein Quereinsteiger. Doch einer, den man kennt. Als Bremgarten-Tourismus-(BT)-Präsident engagiert er sich seit Jahren an verschiedensten Fronten für das Städtli, in dem er seit Kindesbeinen lebt. Ein Engagement, das die Wählerinnen und Wähler offensichtlich überzeugte. Troxler, der von sich sagt, dass er gerne Dinge anpackt, traut man es zu, dass er die Herausforderungen, mit denen sich Bremgarten in den nächsten Jahren konfrontiert sieht, auch auf politischer Ebene anpacken kann. Viele gaben ihm seine Stimme, weil er sie mit seiner Person überzeugt hat. Ob politisch links oder rechts spielte dabei kaum eine Rolle.
Vollblutpolitikerin hat das Nachsehen
Das Nachsehen hat derweil Karin Koch Wick. Seit Jahrzehnten engagiert sie sich in der Lokalpolitik in verschiedensten Ämtern. Schritt für Schritt hat sie genommen und sich emsig auf der politischen Karriereleiter hochgearbeitet. Sie ist Präsidentin der Ortspartei. Co-Präsidentin der Bezirkspartei. Und seit 2019 Mitglied im Grossen Rat des Kantons. Mit ihrer Vita wäre sie prädestiniert für den Sitz gewesen. Zumal mit Theo Rau jemand von ihrer Partei abtritt. Stattdessen muss Koch Wick nun die grösste Niederlage ihrer politischen Laufbahn verdauen.
Der «BBA» hat sich am Tag der Wahl mit den beiden Kandidaten an ihrer jeweiligen Wahlfeier getroffen. Im Gespräch rekapitulieren Troxler und Koch Wick die Geschehnisse, versuchen sich an einer ersten Analyse und blicken in die Zukunft. In ihre persönliche und diejenige Bremgartens.
Stadtratsersatzwahl: Stephan Troxler im Gespräch nach dem Wahlsieg
Der glückliche Gewinner über eine schlafarme Nacht, seine überraschend klare Wahl, die Gründe dafür und die Vorfreude auf die neue Herausforderung als Stadtrat im Namen seines Bremgartens.
Marco Huwyler
Natürlich ist die Stimmung am Sonntagnachmittag in Nauers Weinlounge ausgelassen. Hier treffen sich die Freunde und Unterstützer des Ur-Bremgarters Stephan Troxler, um einen triumphalen Wahlsieg zu feiern. Ein symbolisches Hemd bekommt der abtretende BT-Präsident unter anderem. Weil er immer betont hatte, sein «letztes Hemd» für seine «Partei» Bremgarten geben zu wollen. Troxler ist bewegt und dankbar für die Unterstützung. Und verspricht, den Worten Taten folgen zu lassen.
«Stephan Troxler – Stadtrat» steht auf dem Pin, den Sie eben angesteckt bekamen. Wie liest sich das für Sie?
Stephan Troxler: Noch ungewohnt natürlich, aber wahnsinnig schön. Ich bin immer noch ein wenig perplex (lächelt).
Wann, wie und wo haben Sie heute vom Wahlausgang erfahren?
Ich bin gegen 10 Uhr aufgewacht und hatte ein paar unbeantwortete Anrufe von Doris Stöckli auf dem Handy. Natürlich habe ich sofort mit Herzklopfen zurückgerufen. Und so hat mir Frau Vizeammann die frohe Botschaft verkündet.
Sie konnten also ausgeschlafen in diesen feierlichen Tag starten.
Na ja, wie mans nimmt (lacht). Ich hatte am Samstag Spätschicht (Troxler arbeitet als Kriminalbeamter bei der Stadtpolizei Zürich, Anm. d. Red.). Wegen einer Fahndung zog sich diese bis 4.30 Uhr hin. Mein Ausschlafen beschränkte sich also auf zirka fünf Stunden. Aber mit solchen Neuigkeiten startet man natürlich trotzdem beschwingt in den Tag.
Wie haben Sie diesen bislang verbracht?
Bevor ich hierherkam, mit Kaffee und viel Handy. Innert zwei Stunden erreichten mich auf Whatsapp gegen 400 Nachrichten. Hinzu kommen unzählige andere Rückmeldungen auf den diversen Social-Media-Plattformen. Das war alles schon ziemlich überwältigend. Es ist sehr schön, zu sehen, wie viele Menschen sich in diesem Moment mit mir freuen und mit mir gebibbert haben.
Hat dieses riesige private Netzwerk in Bremgarten letztendlich den Ausschlag gegeben?
Ja, vermutlich schon. Ich denke, ich habe gut mobilisiert. Auch viele Menschen an die Urne gebracht, die sonst nicht unbedingt wählen. Deshalb hätte ich auch eine höhere Wahlbeteiligung erwartet.
Was denken Sie – weshalb haben sich «nur» 39,1 Prozent an der Wahl beteiligt? Den Wahlzettel zur Ständeratswahl haben in Bremgarten mit 39,4 Prozent sogar leicht mehr Menschen eingereicht.
Schwer zu sagen. Schade wäre natürlich, wenn es Gleichgültigkeit gegenüber der Lokalpolitik wäre. Aber das denke ich eher nicht. Ich könnte mir dagegen vorstellen, dass es Leute gab, die angesichts zweier valabler Kandidaten bewusst nicht gewählt haben.
Nach dem Motto ob Koch Wick oder Troxler – es kommt ja eh gut für Bremgarten.
Genau. Karin war eine starke Gegnerin. Wenn ich nicht selbst angetreten wäre, hätte ich sie gewählt. Und ich würde mich freuen, wenn sie bei anderer Gelegenheit wieder antreten würde und wir allenfalls dereinst gemeinsam im Rat für Bremgarten Lösungen finden könnten.
Ab dem 1. Januar werden nun aber erst mal Sie neuer Teil des Gremiums. Was bleibt zu tun vor dem ersten Tag im Amt als Stadtrat?
Ich werde versuchen, mich, so gut es geht, in die Themen einzulesen, die mich als Regierungsmitglied erwarten. In den besinnlichen Tagen habe ich dafür ja hoffentlich ein bisschen Zeit. Es warten einige g rosse Herausforderu ngen au f Bremgarten. Da möchte ich bereit sein.
Eine davon ist der Umstand, dass Bremgarten je nachdem im neuen Jahr ohne abgesegnetes Budget dastehen könnte. Wie ist Ihre Haltung in der Debatte rund um die beantragte Steuerfusserhöhung von 6 Prozent?
Auch hier möchte ich mich erst einmal ganz in die Thematik vertiefen, bevor ich öffentlich Stellung dazu nehme. Ich bin mir aber sicher, dass der amtierende Stadtrat das Budget nach bestem Wissen und Gewissen verabschiedet hat. Ich kenne die Menschen dahinter und weiss, dass sie sich den Entscheid gewiss nicht leicht gemacht haben und intensive Diskussionen und Abwägungen dazu geführt haben.
Bald werden Sie Teil jener Diskussionen sein. Mit welchem Gefühl und mit welcher Einstellung blicken Sie dem ersten Tag im Amt entgegen?
Mit grosser Vorfreude. Aber auch Respekt. Ich werde voll motiviert sein und versuchen, von Anfang an alles aufzusaugen. Ich freue mich sehr auf die Arbeit im Kollegium. Es ist ein tolles Stadtrats-Team und ich bin glücklich, bald einer von ihnen sein zu dürfen.
Heute feiern Sie unter anderem auch mit Ihrem Vater, der einst selber neun Jahre lang Bremgarter Stadtrat war. Was bedeutet das für Sie beide?
Es ist ein spezieller Moment. Mein Vater ist natürlich stolz auf mich, wie ich damals stolz auf ihn war. Uns eint ganz offensichtlich das Bestreben, etwas für Bremgarten zu bewirken, und die grosse Liebe zum Städtli.
Das Resultat
Troxler Stephan (parteilos): 1284 Stimmen. Gewählt.
Koch Wick Karin (Die Mitte): 842 Stimmen. Nicht gewählt. Wahlbeteiligung: 39,1 Prozent.
«Immerhin ist es ein klares Ergebnis»
Karin Koch Wick mit einer ersten Analyse unmittelbar nach der Wahl
Die Mitte-Ortspräsidentin hatte vieles daran gesetzt, Bremgarter Stadträtin zu werden. Sogar ihren Job hatte sie im Hinblick auf das mögliche Amt gekündigt. Nun hat es nicht gereicht. Karin Koch Wick über die Ursachen und Auswirkungen.
Natürlich ist die Stimmung im «JoJo» gedämpft am Sonntagabend. Gerne hätte hier die Mitte mit Sympathisanten die erfolgreiche Verteidigung des Stadtratssitzes durch ihre Präsidentin Karin Koch Wick gefeiert. Pläne für die nächsten vier Jahre geschmiedet. Stattdessen gehört die Partei nun nicht mehr der Regierung an. «Es ist wirklich schade. Für die Partei, aber auch für Bremgarten», sagt beispielsweise der abtretende Theo Rau. «Wir verpassen eine grosse Chance. Als Grossrätin wäre Karin mit ihren Verbindungen nach Aarau Gold wert gewesen.» Für Koch Wick selbst ist das Votum der Bevölkerung ein klares Zeichen.
Frau Koch Wick, wie ist Ihr Gefühl an diesem Wahlsonntag?
Karin Koch Wick: Natürlich bin ich enttäuscht. Ich war bis zuletzt optimistisch und überzeugt von meiner Kandidatur. Doch auf der anderen Seite bin ich auch froh, dass nun das Votum da ist und alles vorbei ist. Der lange Wahlkampf. Die Zeit des Wartens.
Enttäuscht sein dürften Sie auch von der Deutlichkeit des Resultats.
Es ist mir ehrlich gesagt lieber so, als wenn es ganz knapp gewesen wäre. Ein Zufallsergebnis hätte ich schwerer verkraften können. So ist es immerhin klar. Bremgarten wollte zum jetzigen Zeitpunkt lieber Stephan Troxler als Stadtrat.
Was sind die Gründe dafür?
Sicher primär, dass Stephan Troxler ein populärer und gut verwurzelter Kandidat war. Mit vielen Kontakten. Beispielsweise auch zu den Vereinen. Und in solchen Stichwahlen hilft auch die Parteilosigkeit. Man braucht sich so nicht zu positionieren und ist für die meisten wählbar. Während ich in der Vergangenheit und der Gegenwart mit meiner Partei klar Stellung bezogen habe.
Ihre Partei hat gleichzeitig im zweiten Wahlgang für die Ständeratswahlen triumphiert. Ein Trost?
Ein bittersüsser Trost (lächelt). Natürlich freue ich mich sehr für Marianne Binder-Keller und meine Partei. Darüber, dass sie auch in Bremgarten mehr Stimmen als Benjamin Giezendanner gemacht hat. Andererseits zeigt dies, dass Mitte-Links an sich gut mobilisiert hätte – also eigentlich meine Wählerschaft (Troxler verortet sich rechts der Mitte, Anm. d. Red.). Es lag also wirklich rein an den Personen.
Troxler war also schlicht noch populärer als Sie. Schwer zu akzeptieren?
Überhaupt nicht. Natürlich kann jeder selbst wählen, wen er wählt und aus welchen Gründen. Und auch für Troxler gab es sicherlich Argumente. Nur gibt es auch Dinge, die mir schwerfallen nachzuvollziehen. Etwa, wenn ich hämisch beschimpft werde von Menschen, die ich nicht kenne. Oder fast noch schlimmer: Jemand hat mir gesagt, dass er mich gut und kompetent findet, aber nicht wählt – weil er lieber Männer im Stadtrat wolle. Mit solchen Dingen habe ich Mühe. Grundsätzlich kann ich aber damit leben, dass mich Stand jetzt keine Mehrheit in der Bremgarter Regierung will. Nun muss ich entscheiden, was das für mich bedeutet.
Ist das noch völlig offen?
Ich werde mir sicherlich neue berufliche oder politische Herausforderungen suchen.
Und welche Konsequenzen hat die Nichtwahl für die Politikerin Karin Koch Wick?
Unmittelbar einfach, dass ich jetzt nicht Stadträtin werde (lacht). Es ist nicht so, dass ich mich deswegen gleich überall zurückziehen würde. Ich bleibe im Grossrat. Und sehe auch keinen Grund, heute als Ortsparteipräsidentin zu demissionieren.
Wie geht es weiter mit der Mitte in Bremgarten? Zum ersten Mal ist man Oppositionspartei.
Das wird erst mal wenig verändern. Wir versuchen weiterhin konstruktiv zu sein und unserer Linie treu zu bleiben. Wir hatten auch mit Stadtratsvertretung klare Positionen und Haltungen. Und wie gesagt: Die jetzige Stadtratswahl drehte sich um Personen. Ich sehe sie nicht als Votum gegen unsere Partei.
Ist das Kapitel Stadtrat für Karin Koch Wick nun definitiv abgeschlossen?
Die Türe definitiv zuschlagen möchte ich nicht. Schliesslich war das Amt ein Lebensziel von mir. Doch Stand heute sieht es zumindest nicht danach aus. --huy