Ein klarer Sieger – und die Folgen
20.06.2023 BremgartenPeter Schuppisser ist neuer Bezirksrichter
Der wilde Mitte-Kandidat aus Bremgarten gewinnt die Wahl zum neuen Bezirksrichter ausser in Wohlen in sämtlichen Gemeinden. Damit verliert die SP ihren einzigen Bezirksrichtersitz – und ist darob alles andere als ...
Peter Schuppisser ist neuer Bezirksrichter
Der wilde Mitte-Kandidat aus Bremgarten gewinnt die Wahl zum neuen Bezirksrichter ausser in Wohlen in sämtlichen Gemeinden. Damit verliert die SP ihren einzigen Bezirksrichtersitz – und ist darob alles andere als glücklich. Die Mitte bringt der Wahlausgang derweil in die Bredouille.
Marco Huwyler
Es war eine ziemlich ungewöhnliche Situation, die sich diesen Sonntag ereignete. Denn insgeheim muss Karin Koch Wick, Co-Präsidentin der Mitte Bremgarten, ein wenig darauf gehofft haben, dass der Kandidat ihrer eigenen Partei der SP-Frau Monica Imhof unterliegt. Nicht bloss, weil die Mitte Imhof eigentlich die Unterstützung zugesagt hatte und die nicht abgesprochene Last-minute-Kandidatur eines der ihrigen die eigene Partei, aber auch die SP auf dem falschen Fuss erwischte – die Wahl Schuppissers bringt die Partei nun auch bezüglich künftiger Wahlen in eine schwierige Situation.
«Intern in Schieflage»
«Ich mag es Schuppisser sehr gönnen und habe ihm natürlich auch gratuliert», sagt Koch Wick. «Aber dass wir intern deshalb ein wenig in Schieflage geraten, will ich nicht verhehlen.» Denn eigentlich steht man bei der Mitte hinter den Spielregeln des Proporzes und damit hinter dem Anspruch der SP auf einen der sechs Bezirksrichterposten. Nun hat man, zählt man Schuppisser hinzu, bei der Mitte plötzlich drei und bei der SP keinen.
Die Krux mit der Gesamterneuerungswahl
Eine Situation, die bei den einen Unbehagen und bei den anderen Unzufriedenheit auslöst. «Für uns ist es klar, dass wir diesen Sitz so schnell wie möglich zurück möchten», sagt Sandro Covo, SP-Bezirkspräsident. «Im Sinne eines ausgewogenen Richtergremiums braucht es zum Ausgleich zwingend auch eine Stimme von links. Und ich bin froh, dass dies grundsätzlich auch die Mitte anerkennt.»
Eine günstige Gelegenheit zur Korrektur der Verhältnisse böten an sich die Gesamterneuerungswahlen der Bezirksrichter 2024. Die Mitte könnte dann mit einem ihrer Bisherigen nicht mehr antreten und auf eine eigene Ersatzkandidatur zur Behebung dieser Vakanz zugunsten der SP verzichten.
Ein Szenario, das von den Sozialdemokraten gefordert werden dürfte. Bloss: So einfach gestaltet sich das Ganze wohl nicht. Nicht nur, weil noch nicht restlos geklärt ist, ob überhaupt einer der beiden bisherigen Mitte-Richter Bruno Sekinger und Eduard Huber kürzertritt – intern bei der Mitte gibt es auch einige Kandidaten, die auf eine solche Vakanz bei den ihrigen seit Jahren warten. Dass sie nun aufgrund des Vorpreschens von Schuppisser und zu Zwecken der Wahrung der parteiübergreifenden guten Zusammenarbeit weiterhin verzichten müssen, dürfte nicht von allen schulterzuckend hingenommen werden.
Karin Koch Wick erwartet deshalb im Vorfeld dieser Wahlen nächstes Jahr noch einiges an Diskussionen – sowohl intern bei der Mitte als auch mit der SP. «Wir werden schon bald zusammensitzen, eine Auslegeordnung machen und die Situation besprechen», sagt Koch Wick. Und auch Covo ist froh, wenn das gute Einvernehmen zwischen den Parteien keinen bleibenden Schaden nimmt. «Diese Wahl war ein Einzelfall. Wir wurden ja nicht gezielt attackiert», sagt er. «Deshalb denke ich, dass wir eine gute Lösung finden.»
Deutlichkeit überrascht
Dass Schuppisser diesen Sonntag das Rennen machte, erstaunt vor allem in der Deutlichkeit. Denn dass Imhof nur gerade in ihrer Heimatgemeinde Wohlen mehr Stimmen als der Bremgarter machte, ist angesichts der Vorgeschichte und der Tatsache, dass die Mitte auf einen Wahlkampf verzichtete und Schuppisser ohne Parteiunterstützung antrat, erstaunlich. «Ich war doch sehr überrascht», sagt Koch Wick. Während Covo meint, dass man in dieser Konstellation damit habe rechnen müssen. «In einem Bezirk mit sehr vielen bürgerlichen Gemeinden wählt man im Zweifel nicht SP, sondern lieber jemand, der politisch neutral antritt.»
Doch für die Gesamterneuerungswahlen nächstes Jahr sieht er bessere Vorzeichen. «Ich hoffe sehr, dass sich die Verhältnisse dann wieder einpendeln.» Wie dies konkret gelingen soll, muss sich indes erst noch weisen.
Ergebnis der Ersatzwahl für Erika Melliger (SP): Monica Imhof (SP) 6307 Stimmen, Peter Schuppisser 7887 Stimmen.
«Für mich kein politisches Amt»
Peter Schuppisser ist neuer Bezirksrichter
Für den 52-jährigen Bremgarter geht mit der Wahl ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Er freut sich auf die neue Aufgabe.
Peter Schuppisser, Mitte-Parteimitglied, dreifacher Familienvater und Wachtchef der Zürcher Wasserschutzpolizei, kandidierte erst innerhalb der Nachmeldefrist und sorgte dafür, dass es überhaupt zu einer Urnenwahl kam. Nun ist ihm mit dem relativ klaren Wahlsieg ein kleiner Coup gelungen.
Herr Schuppisser, als Kandidat der «letzten Minute», ohne Wahlkampf und ohne Parteiunterstützung stiegen Sie ohne grosse Erwartungen in den Ring. Nun sind Sie neuer Bezirksrichter. Überrascht?
Peter Schuppisser: Überrascht wäre das falsche Wort. Ich habe aus der Bevölkerung gespürt, dass man froh ist, dass ich kandidiere, und dass ich als neutraler Kandidat durchaus Chancen habe. Es ist aber sicher so, dass ich die Wahl nicht erwartet habe. Ich hätte eher damit gerechnet, dass es knapp nicht reicht. Es war unglaublich schwer einzuschätzen im Vorfeld. Umso glücklicher und dankbarer bin ich, dass offenbar so viele Menschen Vertrauen in mich setzen.
Was hat letztlich den Ausschlag zu Ihren Gunsten gegeben?
Ich denke, dass ich die Wähler davon überzeugen konnte, dass ich die notwendige Objektivität und den nötigen Rucksack für ein Richteramt mitbringe. Ich sehe diesen Erfolg auch als ein Lob an meine Berufsgattung. Die Polizei geniesst ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung. Das ist schön. Und natürlich habe ich durch meine neutrale Kandidatur auch in jenen Gemeinden gepunktet, die traditionell eher nicht SP wählen.
Haben Sie keine Gewissensbisse, dass Sie als Mitte-Politiker der SP einen Sitz weggeschnappt haben?
Nein, überhaupt nicht. Ich sehe die Wahl um ein Richteramt nicht als den richtigen Ort für Parteipolitik. Es ist in meinen Augen kein politisches Amt. Deshalb bin ich auch nicht als Mitte-Parteimitglied angetreten, sondern als neutraler, unparteiischer potenzieller neuer Richter.
Was bedeutet die Wahl Ihnen?
Ich freue mich riesig. Als meine Tochter als Erste das Wahlresultat auf der kantonalen Homepage entdeckte, sind wir in der Familie schon ziemlich in Jubel ausgebrochen. Es ist ein Amt, auf das ich schon lange geschielt habe und das mich schon jahrelang reizt. Nur ist es schwer, da reinzukommen. Vieles muss stimmen, die Konstellation passen. Dass es nun geklappt hat, ist grossartig.
Haben Sie das Ereignis gebührend gefeiert?
Das war nur beschränkt möglich. Schliesslich war ich danach für die Nachtschicht eingeteilt (schmunzelt). Aber angestossen haben wir schon. Man wird schliesslich nicht jeden Tag in ein solches Amt gewählt.
Was wird Peter Schuppisser für ein Bezirksrichter?
Neutral, fair, gerecht und engagiert. Wie ein guter Richter eben sein sollte. Das ist mein Anspruch und das dürfen die Menschen, die mich gewählt haben, zu Recht erwarten. --huy
«Sacken lassen»
Monica Imhof verpasst die Wahl
Die SP-Kandidatin unterlag ausser in ihrer Heimatgemeinde in sämtlichen Gemeinden des Bezirks. Für die Wohlerin eine Enttäuschung.
Lang sah es so aus, als würde Monica Imhof als unbestrittene Kandidatin mit parteiübergreifender Unterstützung still ins Bezirksrichteramt gewählt. Als es doch noch zu einer Kampfwahl kommt, ist die langjährige Leiterin des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes des Jugendheims Aarburg aber letztlich chancenlos.
Frau Imhof, wie enttäuscht sind Sie vom Ergebnis dieses Wahlsonntags?
Monica Imhof: Es ist nicht so, dass ich am Boden zerstört bin. Aber es herrscht sicher ein grosses Bedauern. Ich hätte das Amt wirklich sehr gerne ausgeübt. Es wäre quasi das Herzstück meines weiteren beruf lichen Lebenswegs geworden. Dass es nun nicht dazu kommt, muss ich erst einmal sacken lassen und verdauen.
Mit welchen Erwartungen gingen Sie in den Wahlsonntag?
Meine Wahlchancen waren im Vorfeld schwer einzuschätzen. Deshalb habe ich mit beiden möglichen Ausgängen gerechnet. In or out – wer antritt, muss auch verlieren können. Deshalb habe ich auch keine Mühe, das Ergebnis zu akzeptieren.
Mit Ihrer Wahlniederlage verliert die SP ihren Bezirksrichtersitz. Wie beurteilen Sie die Kontroverse um die Gegenkandidatur?
Ich habe das Ganze nur am Rande miterlebt. Die Diskussion wurde vor allem auf Ebene der Parteileitungen geführt. Dass Herr Schuppisser kandidierte, war sein Recht und im Rahmen unserer Demokratie legitim. Das Gleichgewicht im Gremium ist eher Sache der Parteispitzen.
Welche Reaktionen haben Sie bisher erhalten?
Von bedauernd bis hin zu total überrascht und bestürzt. Es war schön für mich, zu sehen, wie viele Menschen mit mir mitgefiebert haben und auch emotional auf meiner Seite waren.
Wie geht es für Sie nun weiter? Ist der Traum vom Bezirksrichteramt damit zu Ende?
Das ist noch zu früh zu sagen. Ich schliesse auf jeden Fall nicht aus, dass ich dereinst nochmals antreten könnte. Ich denke, ich gehe persönlich gestärkt aus dieser Kandidatur hervor. Der Wahlkampf war auf jeden Fall ein bereicherndes Erlebnis. Ob es nochmals dazu kommt, wird sich weisen. Da muss ich jetzt erst einmal drüber schlafen. --huy