Eigentlich gar kein Problem
03.04.2024 Niederwil, Region UnterfreiamtRecycling Freiamt AG orientiert über ihr Bauprojekt in Niederwil
Streit und Ausschluss aus einer Arbeitsgruppe. Leserbriefe. Ein politischer Vorstoss. Rund um das Winterlager der Recycling Energie AG aus Nesselnbach gab es viel Diskussionsstoff. Jetzt äussern ...
Recycling Freiamt AG orientiert über ihr Bauprojekt in Niederwil
Streit und Ausschluss aus einer Arbeitsgruppe. Leserbriefe. Ein politischer Vorstoss. Rund um das Winterlager der Recycling Energie AG aus Nesselnbach gab es viel Diskussionsstoff. Jetzt äussern sich erstmals auch die Verantwortlichen.
Chregi Hansen
Der Stapel Unterlagen auf dem Tisch ist dick. «Ich habe selbst gestaunt, wie lange wir schon am Thema dran sind und wie viel wir bereits unternommen haben», schmunzelt Werner Humbel, bis Ende Juni noch Geschäftsleiter der Recycling Freiamt AG. Neben ihm sitzt Neffe Patrick Humbel, der im Sommer übernimmt. «Dann konzentriere ich mich nur noch auf das Bauprojekt», erklärt Onkel Werner.
Dass er dann auch wirklich bauen kann, das ist seine grosse Hoffnung. Die Chancen stehen gut. Gegen das geplante Projekt im Gebiet Buechgrindel – auf dem Areal der ehemaligen Fensterfabrik – gab es keine Einsprachen. Geplant ist der Bau eines Gärrestlagers und einer LKW-Einstellhalle samt einer Transportleitung zum Hauptsitz in Nesselnbach. «Das ist nicht unsere Wunschlösung. Aber es ist ein gangbarer Weg. Und wir sind optimistisch, dass es jetzt klappt», sagt der CEO. Damit ginge eine zehnjährige Planungsphase endlich zu Ende.
Erst war der Kanton dagegen, nachher der Bund
Seit 2011 betreibt die Recycling Freiamt AG in Nesselnbach die grösste Biogasanlage der Schweiz. Es ist eine Erfolgsgeschichte. Und der Betrieb wächst. Theoretisch. Denn am jetzigen Standort besteht keine Möglichkeit für eine Erweiterung. «Wir brauchen aber mehr Verkehrsfläche und mehr Lagerplatz», macht Humbel deutlich. Ideal wäre für ihn eine Erweiterung am jetzigen Standort. Seit 10 Jahren bemüht er sich um eine Lösung, längst belaufen sich die Planungskosten auf eine sechsstellige Zahl. Bisher erfolglos.
2014 lancierte die Firma den ersten Versuch einer Einzonung von rund 3000 Quadratmetern. Doch der Kanton lehnte das Ansinnen ab. Grund: Es handle sich beim Gebiet um ein Naturschutzgebiet von nationaler Bedeutung. Als Nächstes schlug Humbel einen Landabtausch vor mit dem Militär, welches hier über ein Gelände für Fahrtrainings verfügt. «Mit Armasuisse sind wir uns einig und haben auch kürzlich den Vertrag verlängert», berichtet Humbel. Auch die Kompensation für das allfällig eingezonte Land hat er bereits vorgenommen – auf eigene Kosten. Aber auch daraus wurde nichts.
Schliesslich ersteigerte die Recycling Freiamt AG die ehemalige Fensterfabrik. Die Idee: Das Areal dort auszonen, um dafür am jetzigen Standort Land einzuzonen. «Es geht nicht nur um uns. Auch die Hufschmid Grüngutverwertung und die Hubschmid AG platzen aus allen Nähten. Zu dritt haben wir uns starkgemacht, dass wir hier wachsen können», macht Humbel deutlich. Diesmal gab es vonseiten des Kantons grosse Unterstützung, entpuppte sich letztlich der Bund als Bremsklotz. Das Projekt widerspreche dem Bundesrecht, hiess es lapidar.
Jetzt eben Plan B realisieren
Das Problem sei, so der Unternehmer, dass die drei Firmen sich in einer Spezialzone ohne jeden Anschluss an eine Bauzone befinden. «Es war der Wunsch der Behörden, diese Betriebe weit weg vom Dorf zu haben. Nun wird uns das zum Verhängnis», ärgert sich Humbel. Wobei er das nicht als Kritik am jetzigen Standort versteht. «Wir sind hier am richtigen Ort, stören niemanden», ist er überzeugt. Und man habe die Hoffnung nicht aufgegeben. Im Rahmen der laufenden Nutzungsplanungsrevision der Gemeinden Niederwil und Tägerig wolle man sich wieder einbringen. Die Hoffnung ist gross, dass diesmal etwas geht.
Doch so lange warten kann das Unternehmen nicht. Und darum baut es das Winterlager eben in Niederwil. Und unterhält in Zukunft zwei Standorte. Dass dies jetzt öffentlich zu Diskussionen geführt habe, verstehen die Verantwortlichen nicht. «Es wurde viel geredet, aber nicht mit uns. Und es wurden Sachen erzählt, hinter denen wir nicht stehen können», macht der CEO deutlich. Natürlich hätte man die Erweiterung lieber hier realisiert, aber man könne auch mit der Variante B gut leben. Dass das Projekt in Niederwil von gewissen Seiten wieder infrage gestellt wird, kann man nicht nachvollziehen. Und schon gar nicht den Vorwurf, dass sich Gemeinde und Kanton zu wenig eingesetzt hätten. «Beide standen unserem Vorhaben positiv gegenüber», betont Humbel.
Gemeinde unterstützt Pläne der Firma
Das bestätigt auch der Niederwiler Gemeindeammann Norbert Ender. «Der Gemeinderat anerkennt die Bedeutung der am ‹Schällewärch› ansässigen Betriebe für die Abfall- und Ressourcenwirtschaft», erklärt er. Man habe daher auch alle Bemühungen unterstützt, in ihrem bestehenden Werksgebiet Erweiterungsmöglichkeiten zu schaffen. Dazu wurde gemeinsam durch die Unternehmen, die Gemeinde und den Kanton zwischen 2020 und 2022 das Vorhaben «Gesamtlösung Schellenwerk» zur Anpassung des Richtplanes vorangetrieben. Weil das Gebiet aber dem Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung unterliegt, tangiert eine Zonenänderung in besonderem Masse die Interessen des Bundes. «Zur Enttäuschung aller Beteiligten wurde diese Richtplananpassung durch den Bund strikte abgelehnt mit der Begründung, dass die geplante Einzonung dem Grundsatz der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet zuwiderläuft», so Ender weiter. Darum mache es Sinn, dass die Recycling Freiamt AG nun das Projekt im Buechgrindel vorantreibe. Das Baugesuch ist inzwischen bewilligt.
Zwei Grossräte stellen dem Regierungsrat Fragen
Inzwischen haben auch die beiden Freiämter SVP-Grossräte Walter Stierli (Fischbach-Göslikon) und Mario Gratwohl das Thema aufgegriffen. Sie stellen der Regierung fünf konkrete Fragen rund um das Bauvorhaben im Gebiet «Schällewärch». So wollen sie etwa wissen, ob sich die Regierung zu wenig eingesetzt habe für die Lösung, ob es nicht im Sinne des Kantons sei, für gute Rahmenbedingungen zu sorgen für Unternehmer und warum es für das Projekt keine Bewilligung gab. «Mit diesem Vorstoss muss der Regierungsrat zum Projekt Stellung nehmen. Mit den Antworten der Regierung erhalten wir endlich Klarheit», begründet Gratwohl den Vorstoss.
Werner Humbel nimmt den politischen Vorstoss einfach zur Kenntnis. Viel Neues erwartet er bei den Antworten nicht. Immerhin: Jetzt nehme die Politik das Thema auf. Was noch fehle, sei der Tatbeweis. «Alle reden von der Wichtigkeit von erneuerbarer Energie und von der Kreislaufwirtschaft. Wenn es aber um konkrete Lösungen geht, dann gibt es immer irgendwelche Hindernisse», so seine Erfahrung. Aber aufregen mag er sich darüber nicht mehr. «Früher war ich oft frustriert. Jetzt nehme ich die Antworten zur Kenntnis und suche nach neuen Lösungen», erklärt er. Und packt die Unterlagen wieder zusammen. In der Hoffnung, dass man nun im Sommer wirklich mit dem Bauen beginnen kann. «Wenn jetzt nochmals ein Nein kommt, dann verstehe ich die Welt wirklich nicht mehr.»