Die «Zeichen der Zeit» erkennen
31.10.2023 Arni, KelleramtAn der Kirchgemeindeversammlung in Arni waren auch die Austritte ein Thema
Die römisch-katholische Kirchgemeinde Lunkhofen lud zur Versammlung. Nebst den ordentlichen Traktanden sorgten ein Offener Brief und ein Antrag für Gesprächsstoff.
...An der Kirchgemeindeversammlung in Arni waren auch die Austritte ein Thema
Die römisch-katholische Kirchgemeinde Lunkhofen lud zur Versammlung. Nebst den ordentlichen Traktanden sorgten ein Offener Brief und ein Antrag für Gesprächsstoff.
«Wir sind alle zutiefst erschüttert.» Bevor sie auf die ordentlichen Traktanden zu sprechen kam, schnitt Präsidentin Myriam Bürgisser in der Mehrzweckhalle Arni den jüngsten Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche an. In einem Offenen Brief ans Bistum Basel und an die römisch-katholische Zentralkonferenz haben die Präsidentenkonferenz und der Pastoralraum Bremgarten-Reusstal klar Position bezogen. Sie fordern darin schnellstmögliche Wiedergutmachung bei den Opfern, umfassende Strafverfolgung – mit Unterstützung der Kirche – bei den Tätern sowie längst überfällige Reformen in der Machtstruktur der katholischen Kirche. Dazu gehört etwa die Gleichstellung der Frau in der Kirche, aber auch die Anerkennung der verschiedenen Zivilstände und Partnerschaftsformen. Weiter solle das Pflichtzölibat abgeschafft werden – und damit das freiwillige Zölibat aufgewertet.
58 Austritte seit August
Die Menschen auch zukünftig auf dem Weg des Glaubens zu begleiten, das sei nur möglich, wenn die Weltkirche auf Missstände reagieren und die «Zeichen der Zeit» erkennen könne, heisst es im Offenen Brief, den Myriam Bürgisser den Versammlungsbesucherinnen und -besuchern in ausgedruckter Form zur Verfügung stellte. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, ist darin auch von Ungehorsam und Zurückhalten von Finanzmitteln aus der Gemeinde die Rede. In der abschliessenden Fragerunde sollte das Thema dann nochmals zur Sprache kommen. Auf die Frage der direkten Auswirkung des Missbrauchsskandals sprach die Präsidentin von 58 Austritten allein von August bis Oktober. Die Zahl der Stimmberechtigten ist im Vergleich zum Vorjahr um 96 Personen von 2008 auf 1912 Personen geschrumpft.
Von diesen 1912 Stimmberechtigten waren 69 anwesend. Ihnen durfte Michael Eichholzer eine Rechnung präsentieren, die mit einem Gewinn von 30 000 Franken abschliesst. Hauptgrund dafür: Ein Plus von fast 19 000 Franken bei den Kirchensteuern. Mit fast 90 Prozent sind diese Kirchensteuern denn auch die Haupteinnahmequelle. Mit 9 Prozent folgen die Liegenschaftserträge. Sie sollen erhöht werden, um in Zeiten von zahlreichen Kirchenaustritten die Abhängigkeit von den Steuereinnahmen zu reduzieren. Für das Budget 2024 bleibt der Steuerfuss vorerst bei 13 Prozent. Mit den entsprechenden Sparmassnahmen soll es gelingen, eine schwarze Null zu erreichen. Rechnung und Budget wurden einstimmig angenommen, wie auch alle anderen Geschäfte.
Renovationen in Arni und Islisberg
So wird die Leistungsvereinbarung mit der Caritas Aargau bis 2026 verlängert. Die Kirchgemeinde lässt sich den kirchlichen regionalen Sozialdienst demnach jährlich bis zu 78 000 Franken kosten. Für die Innenrenovation der Kapelle Islisberg sind 30 000 Franken gesprochen worden. Dazu gehören die Auffrischung der Wände und Decke, ferner die Behandlung der Handläufe, die zuletzt unter den Desinfektionsmitteln gelitten hatten. An den Renovations- und Reparaturarbeiten in der ökumenischen Kirche Arni beteiligt sich die katholische Kirchgemeinde Lunkhofen mit 10 000 Franken. Unter anderem muss hier die 25-jährige Orgel gereinigt und überholt werden. «Dazu wird in mehreren Tagen die ganze Orgel komplett auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt», erklärte Serge Rougemont vom Kirchenverein. Und schliesslich sollen für 17 000 Franken 30 neue Erstkommunionskleider angeschafft werden.
In ihrem Bericht aus der Kirchenpflege liess Myriam Bürgisser ein intensives und arbeitsreiches Jahr Revue passieren. Claudio Gabriel liess die Anwesenden dann an seinen Highlights aus dem Pfarreijahr teilhaben. In Erinnerung bleibt insbesondere das 100-Jahr-Jubiläum der Kirchglocke. «Es macht Freude, in dem Team zusammenzuarbeiten», betonte Gabriel und sprach damit nicht nur das Seelsorgeteam, sondern auch die Kirchenpflege an.
Und schliesslich gab es noch Informationen zum Baufortschritt des Wärmeverbunds. Am 8. und 9. November sollen die Leitungen eingezogen werden, jene für die Kirche und fürs Dorfzentrum im selben Graben übereinander. Mitte bis Ende November soll der Bau dann abgeschlossen sein.
Den offiziellen Schlusspunkt einer über zweistündigen Versammlung setzte dann das engagierte Gemeindemitglied Rita Staubli-Eichholzer. «Ich habe Kummer um unsere Kirche», verriet sie und forderte in ihrem Antrag die Gründung eines Vereins mit dem Ziel, Geld für den Unterhalt der lokalen Gotteshäuser zusammenzubringen. Konkret gehe es darum, dass sich auch Leute, die nicht (mehr) Mitglieder der Kirchgemeinde seien, für den Erhalt der Infrastruktur einsetzen können. In einer Konsultativabstimmung – der Antrag war nicht fristgerecht eingereicht worden – sprachen sich allerdings nur sieben Personen für den Antrag aus. 26 stimmten dagegen. Michael Eichholzer betontes, dass es jedem und jeder freistehe, für die Kirchen zu spenden – auch zweckgebunden.
Um 21.40 Uhr konnte Myriam Bürgisser die Versammlung schliessen. Und den Applaus für ihre Versammlungsführung entgegennehmen. Nach Hause musste deswegen noch niemand: Auf die Gäste wartete nun ein spätes Abendessen. --tst