Die Grosse Kunst von Kleinkunst
29.09.2023 BremgartenKellertheater vor der Saison
58. Spielzeit mit 18 Gastspielen
Die Verantwortlichen des Kellertheaters präsentieren ein reichhaltiges und kunterbuntes Kulturprogramm.
Nach der Sommerpause startet das Gastspielprogramm des ...
Kellertheater vor der Saison
58. Spielzeit mit 18 Gastspielen
Die Verantwortlichen des Kellertheaters präsentieren ein reichhaltiges und kunterbuntes Kulturprogramm.
Nach der Sommerpause startet das Gastspielprogramm des Kellertheaters nach den Herbstferien mit einer Dienstagslesung. Danach geht es Schlag auf Schlag. Woche für Woche wird den Kulturbegeisterten der Region ein vielfältiges Programm aus Literatur, Theater und Musik geboten – und nicht selten auch mehrere Genres davon miteinander vermixt. Gegenüber dieser Zeitung haben die Verantwortlichen im Vorfeld ihre ganz persönlichen Favoriten und Perlen der neuen Spielzeit vorgestellt und erklärt, weshalb sie sich so darauf freuen. --huy
Vorschau auf die 58. Spielzeit des Kellertheaters
Insgesamt 18 verschiedene Gastspiele präsentiert das Bremgarter Kellertheater von Herbst bis Frühling. Die Verantwortlichen blicken mit uns auf einige der ganz besonderen Perlen voraus.
Marco Huwyler
«Wir haben das grosse Privileg, dass wir nicht bloss garantierte Saalfüller präsentieren müssen in Bremgarten», lächelt Ursula Bosshard. Gemeinsam mit vier Mitstreitern hat sie an diesem frühherbstlichen Abend dazu eingeladen, um einige besondere Perlen des Gastspielprogramms für diese Saison vorzustellen. Ein paar Wochen später als üblich – denn auch die Saison startet mit leichter Verzögerung. «Bevor wir loslegen können, muss erst einmal der Boden des Theatersaals erneuert werden. Das ist bitter nötig», erklärt Silvan Melchior. Ab Montag zwei Wochen lang soll dies geschehen. «Alles ist eng getaktet; wir hoffen, dass es pünktlich nach den Herbstferien losgehen kann.»
Am ersten Wochenende der Saison – nach einer Dienstagslesung der Autorin Lidija Burcak zum Auftakt – sind Amélie Putain, Vio la Cornuta und Miss Moe Tivation am 21. Oktober zu Gast in Bremgarten. Drei schrille Dragqueens mit ihrer bunten und glitzernden Show «Farben fürs Freiamt». Und die queeren Diven stehen ein wenig exemplarisch für das, was Bosshard eingangs meinte. Denn als die Queens vor gut einem Jahr zum ersten Mal im Kellertheater zu Gast waren – mitten im Sommer, während einer an sich spielfreien Zeit – da waren sie eine richtige Blackbox. «Wir hatten keine Ahnung, wie das in Bremgarten ankommen würde», lächelt Patrick Honegger, der mit seinen langen violetten Kunstfingernägeln und dem in gleicher Farbe melierten Rossschwanz selbst mal wieder einen Hauch jener Extravaganz versprüht. «Die Vorstellung dann war ein Riesenerfolg. Der Saal zum Bersten voll.»
Es ist seit jeher das Konzept, das die Gastspielgruppe beim Zusammenstellen des Programms vor einer neuen Saison anstrebt. Der gute Mix zwischen Bekanntem und Überraschendem. Die Abwechslung zwischen den Genres Musik, Theater und Literatur.
Zwei charmante Crime-Frauen
Ein Schmankerl aus letzterer Sparte präsentiert die Gastspielgruppe anlässlich der sonntäglichen Matinee vom 22. Oktober. Der Freiämter Erfolgsautor Marcel Huwyler – der in diesen Tagen seinen neusten Roman herausbrachte – liest im Kellertheater aus den Werken der Krimireihen seiner beiden Mordsladys. Neben der Kultfigur «Violetta Morgenstern» – einer liebenswerten älteren Dame, die als Auftragskillerin im Namen des Staates mordet – hat Huwyler mit «Eliza Roth-Schild» eine zweite, ebenso faszinierende Crime-Dame erschaffen. Neben dem «Bösest-of» seiner beiden Ladys gibt der Merenschwander auch Einblicke in seine Schreibwelt. «Ich freue mich bereits jetzt sehr darauf», sagt Bosshard. «Das wird mal wieder ein lustiger und sehr unterhaltsamer Abend mit dem unvergleichlichen Huwylersound.»
Eine Woche später, am 28. Oktober, ist Brono Bieri mit «Ça joue» zu Gast in Bremgarten. Zum wiederholten Mal. «Er ist einfach gut, das wissen wir», lacht Honegger. Bieris einzigartige Mischung aus Poetry Slam und Alphorn und Hangmusik verspricht erheiternde Klänge und Geschichten nach dem Vorbild von Mani Matter.
Auch mit 81 eine grosse Nummer
Ein besonderes Highlight folgt am 11. November. Der unermüdliche und unverwüstliche Toni Vescoli. Der mittlerweile 81-Jährige hat aus seinen eigenen Favoriten und Wünschen der Fans ein neues Programm zusammengestellt, das sich «Wunschkonzert» nennt. «Vescoli ist eine unglaubliche Nummer», sagt Reini Anliker. «Er fasziniert mich, seit ich denken kann.» Auch im hohen Alter macht der Musiker noch immer alles selber. Lieder, Texte und selbst Plakate und Hüllenbilder. Wobei er mit «Ruutli» – auch sie kommt selbstredend nach Bremgarten – stets eine starke Frau an seiner Seite weiss.
Eine ähnlich bekannte Kulturschaffende eines anderen Genres folgt dann eine Woche später am 18. November. Hildegard E. Keller, bekannt unter anderem als langjährige Stammkritikerin im SRF-Literaturclub. Am von der Volkshochschule organisierten Abend erzählt die Autorin und Literaturdozentin von fünf Frauen aus neun Jahrhunderten, die der Menschheit grosse Werke hinterlassen haben.
Ähnliches könnte man auch über Paul Haller und Hermann Burger sagen. Die beiden gehören zu den Grössen der Schweizer Literatur und waren in ihren Texten auch stets inspiriert und durchdrungen vom Aargauer Lokalkolorit. Michael Wolf, Stephan Hunziker und Benno Ernst setzen sich am 24. November im Kellertheater mit den Texten der beiden grossen verstorbenen Dichter und Literaten auseinander. Und damit die Fülle und Dichte der Texte besser bewältigt werden kann, wird auch die Musik eine zentrale Rolle im Auftritt der drei spielen. «Ich bin wahnsinnig gespannt, wie die Herren das machen werden», sagt Markus Gehrig, seit diesem Jahr neu im Team der Gastspielorganisatoren. «Es ist eine grosse Kunst, alte Texte neu anzugehen und auf eine ganz eigene Art und Weise wieder zum Leben zu erwecken, und ich weiss, dass die drei dies hervorragend können.»
Den ersten Auftritt im neuen Jahr organisiert das Kellertheater 2024 erneut im Exil bei Nauer Weinen – weil die Theaterbühne für die Vorbereitungen der Eigeninszenierung vom Februar und März gebraucht wird. «Wir freuen uns sehr, dann wieder bei Patrik zu Gast sein zu dürfen», sagt Anliker. «Der intime Rahmen zwischen den Eichenfässern ist immer etwas ganz Spezielles.» Heuer bei Nauer auftreten wird Musikerin Nadja Stoller mit Spoken-Word-Künstler Rolf Hermann. «Musik und Poetry Slam funktionieren einfach. Das ist eine bewährte Kombi und passt ideal in diesen Rahmen», finden die Kellertheater-Verantwortlichen.
Faszinierende Kombos
Nach den zwei Monaten der Eigeninszenierung läutet Jaap Achterberg gemeinsam mit Klezmer Kapelye am 6. April den Gastspiel-Frühling ein. Das Ensemble um den Klarinettisten Franco Mettler spielt jüdische Weisen – fröhlich und melancholisch zugleich. Sie begleiten Jaap Achterbergs Lesung der Erzählung «Rothschilds Geige» des Dichters Anton Tschechow. «Achterberg ist ein begnadeter Erzähler», findet Gehrig. Kürze, Wahrhaftigkeit, Kühnheit und menschliche Herzlichkeit erwarten die Kellertheater-Besucher an diesem Abend, wie die Verantwortlichen befinden. «Es lohnt sich, diese Darbietung für sich zu entdecken», sagt Anliker.
Zwei Wochen darauf liest Walter Sigi Arnold aus seiner gekürzten Romanfassung des Werks «Die grosse Angst in den Bergen» von Ferdinand Ramuz – einer Geschichte rund um das Thema Seuche und was mit uns dabei geschehen kann. Sigi Arnold wird dabei begleitet vom Musiker Albin Brun. «Einem virtuosen Multiinstrumentalisten», wie Ursula Bosshard schwärmt. Ein sehens- und hörenswerter Auftritt.
Genauso wie eine Woche später am 27. April das Gastspiel von «Duo Wigger» gemeinsam mit dem «Marc Hunziker Trio». Hier trifft Volksmusik auf Jazz. Jodelgesang vermischt sich mit Trompete, Alphorn, Klavier, Kontrabass und Schlagzeug. «Eine richtig faszinierende Kombination», findet Patrick Honegger. «Und das sage ich, der sonst mit diesen Musikstilrichtungen eigenlich gar nicht so viel anfangen kann.»
Besonderes selbst entdecken
Am 18. Mai dann endet die diesjährige Gastspielsaison mit der grossen «Ein-Frau-Show» von Frölein da Capo. Eine Saison, mit der es dem Kellertheater einmal mehr gelingen soll, sämtliche Geschmäcker der Kulturfreunde der Region zu treffen. «Ich bin zuversichtlich, dass wir es hinbekommen haben, ein Programm auf die Beine zu stellen, das für sehr viele Menschen viele Highlights bietet, aber auch viele Perlen zum Entdecken beinhaltet», sagt Gehrig. «Schliesslich haben wir den Anspruch, aufzuzeigen, wie sehr Kleinkunst richtig grosse Kunst sein kann.»
Theaterfunken sprüht
Auch dieses Jahr ermöglicht es das Kellertheater im Rahmen des Jugendkulturprojekts «Theaterfunken» Schulklassen vom Kindergarten bis zur Oberstufe, im Oktober und November insgesamt vier jeweils altersgerechte Theateraufführungen zu erleben. So soll die Begeisterung für die Theaterwelt geweckt werden. Das Angebot stösst heuer auf so viel Resonanz wie noch nie. «Die Aufführungen werden in sämtlichen Altersstufen sehr gut gefüllt sein, das lässt sich bereits heute sagen», berichtet Ursula Bosshard zufrieden. «Bei einigen Aufführungen liegen wir sogar bei über 100 Prozent, da werden wir zusätzlich Bänkli aufstellen müssen.» Dass der Theaterfunken heuer dermassen gut sprang, ist gemäss Bosshard auch ein Resultat der sukzessiven Informations- und Überzeugungsarbeit bei Lehrpersonen und Schulklassen. «Dies beginnt sich nun auszuzahlen. Das ist sehr schön.» --huy