Der totale Einbruch
29.04.2025 Sport, FussballFussball, 1. Liga classic: FC Wohlen – FC Solothurn 1:3 (1:1)
Sehr stark in der ersten Halbzeit. Sehr schwach im zweiten Umgang. Der FC Wohlen fängt sich eine verdiente Heimpleite in dieser wichtigen Partie ein. «Nach dem 1:1 war das Feuer weg – ich ...
Fussball, 1. Liga classic: FC Wohlen – FC Solothurn 1:3 (1:1)
Sehr stark in der ersten Halbzeit. Sehr schwach im zweiten Umgang. Der FC Wohlen fängt sich eine verdiente Heimpleite in dieser wichtigen Partie ein. «Nach dem 1:1 war das Feuer weg – ich verstehe das nicht», sagt Captain Alban Pnishi.
Stefan Sprenger
Gilles Yapi hat in seiner Fussballkarriere schon vieles erlebt. Doch selbst für ihn war solch ein Spielverlauf irgendwie besonders. Zufrieden schlendert der Solothurn-Trainer nach dem Spiel aus den Niedermatten und ist «glücklich über den verdienten Sieg» seines Teams. Nach der ersten Halbzeit konnte man kaum damit rechnen, dass der Ex-Profifussballer, dreifache Schweizer Meister mit dem FC Basel und Nationalspieler der Elfenbeinküste so zufrieden das Stadion in Wohlen verlassen würde.
Das 1:1 verändert alles
Nach den ersten 30 Minuten wirkt Yapi noch ratlos. Er muss mit ansehen, wie sein Team dominiert wird vom FC Wohlen. Solothurn hat kaum Luft, um zu atmen. Dramane Sissoko (8. Minute) und Javi Gabathuler (10. Minute) lassen beste Torgelegenheiten aus. Nach 14 Minuten klappt es mit der Führung dank einem Energieanfall von Edison Golaj. Seinen Abschluss lässt der Solothurn-Goalie nach vorne abprallen. Sissoko steht richtig, 1:0 für Wohlen. Der FCW jubelt bei der Kammerbar.
Und spielt weiter stark auf. «Die ersten 30 Minuten waren richtig geil. Wir waren spielerisch eine Klasse besser als Solothurn, haben uns Chancen erarbeitet», sagt Captain Alban Pnishi. Einziger Makel: Man verpasst, das Skore zu erhöhen. Sissoko lässt nach 21 Minuten per Heber eine Topchance aus. Und nach 25 Minuten sucht Gilles Gauchat – alleine vor dem Tor – zu offensichtlich den Elfmeter, anstatt abzuschliessen. Auch wenn es «nur» 1:0 steht: Der FC Wohlen tritt im Stil eines Topteams auf. Die Heimstärke im Jahr 2025 wird demonstriert.
Und dann folgt die 34. Minute. Wohlens Mittelfeldakteur Gilles Gauchat sieht gleich mehrmals schlecht aus. Der starke Solothurner Damir Mehidic schlägt den Ball zur Mitte, Loris Vernocchi trifft zum 1:1. Ein Tor aus dem Nichts. Angesichts des Spielverlaufs hätte man jetzt vermuten können, dass dieses Tor kaum Auswirkungen haben würde auf den Sieger der Partie. Zu sicher tritt Wohlen auf. Doch es kommt anders als gedacht. «Nach dem 1:1 war das Feuer weg. Aus welchem Grund auch immer, von uns kam nichts mehr, ich verstehe das nicht», sagt Pnishi.
Goalie-Fehler führt zum 1:2
Nach dem Seitenwechsel sind grosse Torszenen Mangelware. Doch der FC Wohlen zerbröckelt immer mehr. Nach 69 Minuten rennt Joshua Ochsenbein über den halben Platz, die Wohler lassen ihn gewähren. Glück: Sein Schuss trifft nur die Latte. Es hätte ein Weckruf sein können für das Heimteam. Doch beim FC Wohlen folgt der totale Einbruch. 79. Minute: Wieder ist es der omnipräsente Mehidic, der in den Strafraum flankt. Wohlen-Goalie Joel Bonorand kann den Ball nicht festhalten, der aufgerückte Innenverteidiger Ian Schläppi muss nur noch einschieben. 1:2. Ein krasser Fehler des FCW-Goalies. In der Nachspielzeit macht Mehidic seinen Assist-Hattrick perfekt. Er tankt sich auf der Aussenbahn durch, spielt zur Mitte, wo Mica Zimmermann zum 1:3 einschiebt. Der Schlusspunkt. Die Solothurner jubeln an der Eckfahne der Kammerbar, die Wohler Heimstärke ist verpufft. «Dass wir nach den ersten 30 Minuten so ein Spiel aus den Händen geben, ist kaum in Worte zu fassen», sagt Captain Pnishi. «Ein Auftritt wie Tag und Nacht. Zuerst stark, dann schwach», fügt er hinzu.
Dalvand nervt sich gewaltig
«So eine schlimme Halbzeit habe ich schon lange nicht mehr gesehen», sagt FCW-Legende Pietro Vedovato nach der Partie. Es ist etwas erschreckend, dass in der zweiten Halbzeit weder auf noch neben dem Spielfeld die Führungspersönlichkeiten Verantwortung übernehmen. Mit Ausnahme von Bijan Dalvand – der ein enormes Laufpensum abspult – ist kaum bei einem Wohler der absolute Siegeswille zu erkennen. Jener Dalvand ist nach dem Spiel enorm angefressen, schreitet fluchend in die Garderobe. «Es ist extrem frustrierend und es brodelt in mir. Ich nerve mich gewaltig» , sagt der 26-Jährige. Auch wenn ihm «etwas die Worte fehlen», versucht er zu erklären: «Wenn wir verlieren, ist es immer dasselbe Muster. Wir kommen gut in das Spiel, machen dann aber zu wenig Tore aus dieser Überlegenheit. Am Ende stehen wir mit leeren Händen da, weil wir es nicht schaffen, wieder auf das Anfangsniveau ranzukommen.» Gegen Solothurn hat das Team in der zweiten Halbzeit keine einzige Torchance mehr, «das kann eigentlich nicht sein», sagt Dalvand. Beim 1:1 «kriegen wir den Ball nicht weg». Das 1:2 sei «sehr unglücklich», und «dann müssen wir hinten aufmachen und kassieren das 1:3». Solothurn ist nicht dominierend, aber geduldiger und cleverer als die Wohler.
Noch nicht reif genug
Captain Pnishi meint: «Es war eine Chance, um vorne in der Tabelle noch ein Wörtchen mitzureden. Das haben wir leichtfertig aus den Händen gegeben.» Der FC Solothurn überholt Wohlen in der Tabelle, ist neu auf dem 4. Rang. Der FCW ist auf Platz 5, der Rückstand auf den Aufstiegsplatz beträgt nun fünf Punkte. «Bitter», so Pnishi. Noch vier Spiele bleiben bis Saisonende.
Wohlen hat in der ersten Halbzeit eindrücklich gezeigt, welches Potenzial im Team steckt. In der zweiten Halbzeit wurde dann ebenso eindrücklich bewiesen, dass die Mannschaft noch nicht reif genug ist für höhere Aufgaben. «Wir müssen nächstes Wochenende wieder bereit sein», sagt Dalvand. Am Samstag (15 Uhr) geht es zu den Black Stars nach Basel – es ist das letzte Auswärtsspiel der Saison.
Piu ist «brutal enttäuscht»
«Wir dominieren die ersten 30 Minuten. Wir haben Torchance um Torchance. Und doch verlieren wir am Ende 1:3. Das ist ein Schlag in den Nacken», sagt FC-Wohlen-Trainer Piu, der «brutal enttäuscht» ist. Auch wenn die erste halbe Stunde etwas vom Besten in dieser Saison war, «nützt uns das nichts». Piu sagt: «Es waren nicht alle heiss auf das, was möglich gewesen wäre. Es war eine Chance, um vorne dabei zu sein, doch wir waren nicht richtig geil darauf. Das ist sehr schade.»
Zu Beginn macht sein Team kaum einen Fehler. «Wir verpassen es, das zweite oder gar dritte Tor zu schiessen», so Piu. Nach dem 1:1 nach 34 Minuten «machen auch wir immer mehr Fehler». Im zweiten Durchgang hofft dann jedes Team auf einen Ausrutscher des Gegners. Wohlen leistet sich diesen Fehler durch einen Bock von Goalie Joel Bonorand, der zum 1:2 führt. «Eigentlich ist diese Partie auf ein Unentschieden rausgelaufen», so Piu. Er habe mit Wechseln versucht, neue Inputs zu geben. «Und ich hatte nach dem Spiel Kopfschmerzen, weil ich so viel reingeschrien habe.» Er hat beobachtet, dass die Führungsspieler zu viel mit sich selbst beschäftigt waren. «Diese Leader sind nicht ausgebrochen in diesem Spiel», so Piu und fügt an: «Und der FC Solothurn ist auch kein Kanonenfutter. Das ist ein starkes Team.» Piu hat durch diese Niederlage den 2. Rang abgeschrieben. --spr