Der Tod gehört zum Leben
24.03.2023 Künten, Region BremgartenThemenmorgen zur Sterbebegleitung
«Füreinander da sein am Lebensende» und «Was uns der Tod fürs Leben lehrt» war das Thema des seit 30 Jahren stattfindenden Frauenmorgens. Die Veranstaltung bot eine Plattform, um über die ...
Themenmorgen zur Sterbebegleitung
«Füreinander da sein am Lebensende» und «Was uns der Tod fürs Leben lehrt» war das Thema des seit 30 Jahren stattfindenden Frauenmorgens. Die Veranstaltung bot eine Plattform, um über die Herausforderungen und Chancen zu sprechen, die mit dem Sterben und Abschiednehmen verbunden sind.
Organisatorin Claudia Biland durfte erfreulich viele Gäste im Pfarreisaal begrüssen. Gastreferentin war Daniela Zumsteg, frühere Mitarbeiterin am Hospiz Brugg und am KSA. Das Thema ist bedeutsam, betrifft letztlich alle und zog deshalb um die 50 Besucher an.
Daniela Zumsteg, Sterbe- und Trauerbegleiterin, Pflegehelferin SRK und auch sogenannter Aufräum-Coach gelang es von Beginn weg, die Brücke zum Publikum zu schlagen. Zu diesem Zweck hielt sie auf einem Flipchart Wünsche und Erwartungen der Anwesenden fest. Anliegen wie die Frage nach Merkmalen der Sterbephasen, nach Gründen der Angst vor dem Sterben und dem Tod, nach Strategien beim Loslassen wurden vorgebracht.
«Ich bin schon in deiner Nähe, solange du lebst!», meint der Tod im Kinderbuch «Ente, Tod und Tulpe». Als Illustration zum Thema zeigte Daniela Zumsteg dann eine berührende kurze Verfilmung des Kinderbuchs von Wolf Erlbruch. Die Ente bemerkt, dass der Tod hinter ihr her ist. Sie reagiert schockiert und fragt ihn, ob er sie holen komme. Der Tod antwortet, dass er die ganze Zeit in ihrer Nähe sei. Sie kommen ins Gespräch. Dabei stellt der Tod klar, dass nicht er an Krankheiten oder Unfällen schuldig sei, sondern das Leben. Wie es denn im Entenhimmel sei, will die Ente wissen, ob sie da zum Engel werde. Das könne schon sein, meint der Tod, Flügel habe sie ja schon.
Ruhe bewahren und den eigenen Alltag vor der Tür lassen
Daniela Zumsteg sprach über ihre Erfahrungen als Sterbebegleiterin. Sie gab wertvolle Tipps und Ratschläge, wie man mit der Situation umgehen kann, wenn man am Bett eines schwer kranken oder sterbenden Menschen weilt. Wichtig sei zunächst, dass man Ruhe bewahre und den eigenen Alltag vor der Tür lasse. Einfach da zu sein, präsent, dem Betroffenen zuzuhören und damit schlicht Zeit zu schenken, habe Vorrang. Im Zimmer eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, könne hilfreich sein, gedämpftes Licht, allenfalls sanfte Musik, erwünschte Düfte. Bedürfnisse des Sterbenden dürften aber keinesfalls übergangen werden. Zurückhaltung sei auch angebracht bei gut gemeinten Berührungen. Wenn man zum Beispiel einen Arm intensiv streichelt, der sich selbstständig gar nicht wegbewegen kann, tut man nicht unbedingt das, was der Sterbende schätzt. «Viel Fingerspitzengefühl, Zurückhaltung ist hier verlangt.» Die Frage «Kann ich etwas für dich tun?» ist weitaus angemessener als blinder Aktionismus. In einzelnen Fällen können beim Schwerkranken auch depressive Phasen überhand nehmen. Alles nimmt der Betroffene dann als negativ wahr: das Pflegepersonal, das Essen, die Zimmereinrichtung etc. Hier sind Begleitende massiv gefordert, solche Phasen geduldig und sanftmütig, auch ohne Disput auszuhalten.
Kein Platz für «Exit» im Hospiz
Nach Absprache mit dem Publikum schob die Referentin noch einen Exkurs zum Thema «Exit» ein. Sie stellte klar, dass sie als Hospizmitarbeiterin und Sterbebegleiterin grundsätzlich eine mit «Exit» nicht vereinbare Einstellung habe. Im Hospiz habe diese Art von Sterbehilfe keinen Platz, ganz im Gegensatz zu Altersheimen und Pflegeinstitutionen, wo dieser letzte Schritt gemäss Bundesentscheid zulässig ist. Zumsteg gab noch zu bedenken, dass der Abschied mit «Exit» auch für die Angehörigen allenfalls schwierig zu begleiten und zu verkraften sei. So wie übrigens ein jäher Unfalltod eines Jugendlichen und ein organischer Tod einer 95-Jährigen ganz unterschiedliche emotionale Reaktionen bei Angehörigen auslösen. Die Referentin strich heraus, es gebe zu wenig Hospizplätze, wo ja durchwegs palliative Betreuung erfolgt. Der Bund habe zwar auch für Spitäler eine Palliativstrategie entwickelt, welche aber nur langsam greife.
Wer soll an meinem Bett sein, wer nicht?
Eine geäusserte Frage war, was man sich selbst für die letzte Lebensphase wünscht. Daniela Zumsteg betonte, die Auseinandersetzung mit der letzten Lebensphase könne zu jedem Zeitpunkt stattfinden. Seine Wünsche solle man in einer schlichten bis ausführlichen Patientenverfügung festlegen. «Welche persönlichen Dinge möchte ich ins Hospiz mitnehmen? Was für lebenserhaltende Massnahmen erscheinen mir sinnvoll? Wer soll an meinem Bett sein, wer nicht? Mit wem möchte ich sprechen, mit wem mich versöhnen? Will ich einen Seelsorger? Wo möchte ich am liebsten sterben?» Es hilft in jedem Fall, sich darüber Gedanken zu machen, sie schriftlich festzuhalten oder zumindest mit den Angehörigen zu besprechen. Hinterlässt man keine Wünsche, tut man den Angehörigen keinen Gefallen und eine angenehme Sterbebegleitung verkommt für diese und das Pflegepersonal zum Rätselspiel und Experimentierfeld.
In der Schlussrunde teilten die Anwesenden offen ihre eigenen Erfahrungen und Gedanken. Einzelne berichteten von ihren persönlichen Erfahrungen mit dem Sterben von Familienmitgliedern oder Freunden und wie sie sich dabei gefühlt haben. Dies war auch der interaktiven Form zu verdanken, mit welcher Frau Zumsteg geschickt Vertrauen schaffte, über ein heikles, oft auch tabuisiertes Thema zu sprechen.
Im Rückblick auf die Veranstaltung meinte eine Besucherin aus dem nahen Stetten, sie habe sich bisher kaum mit diesem Thema befasst, fühle sich aber jetzt wohltuend beruhigt.
Insgesamt war der Frauenmorgen eine inspirierende Veranstaltung, die die Bedeutung von Empathie und Unterstützung am Lebensende veranschaulichte. Die Gäste gingen mit wertvollen Erkenntnissen und einem gestärkten Bewusstsein für den Umgang mit Sterbenden und den eigenen Tod nach Hause. Die Organisation des Morgens war vorbildlich, die Wahl des Themas und der Gastreferentin gelungen. --as