Den Berg erklimmen
24.11.2023 Sport, RingenRingen, NLA, Halbfinal, Rückkampf: RS Freiamt – RS Kriessern (Samstag, 20 Uhr, Bachmatten)
Sieben Punkte. Die Ringerstaffel Freiamt ist nach dem Hinkampf weit entfernt vom Final. Die Hoffnung bleibt, der Glaube ebenso. «Wir müssen über uns ...
Ringen, NLA, Halbfinal, Rückkampf: RS Freiamt – RS Kriessern (Samstag, 20 Uhr, Bachmatten)
Sieben Punkte. Die Ringerstaffel Freiamt ist nach dem Hinkampf weit entfernt vom Final. Die Hoffnung bleibt, der Glaube ebenso. «Wir müssen über uns hinauswachsen», sagt Trainer Michael Bucher.
Stefan Sprenger
Der Unterschied zwischen einem Berg und einem Hügel liegt in der Perspektive. Die Freiämter Ringer müssen im Rückkampf sieben Punkte aufholen. Egal, welche Perspektive man wählt: Dieser Berg ist riesig. «Wenn wir das noch drehen wollen und es in den Final schaffen wollen, dann braucht es von allen eine Topleistung, es braucht Exploits, vermutlich gleich mehrere», sagt Trainer Michael Bucher.
«Negative Gedanken ablegen»
21:14. So hoch verlor die RS Freiamt auswärts bei der RS Kriessern. Ein Schlamassel, den man sich selbst einbrockte. Nach den ersten drei Duellen stand es 12:0 für die Ostschweizer. River Perlungher und Flurin Meier, sie werden beide von der Matte gefegt. Roman Zurfluh disqualifiziert. Bereits nach der ersten 0:4-Pleite von Perlungher wirkte das Team verunsichert. «Der ganze Auftritt war ernüchternd», sagt Bucher. Hatte er seit der Pleite am letzten Samstag daran zu beissen? Der sonst so wortgewandte Bucher ringt nach Worten und überlegt lange. «Ich muss es akzeptieren. Ich darf diesem Kampf nicht nachtrauern. Wir müssen nach vorne schauen, hoffnungsvoll. Etwas anderes bleibt uns nicht übrig.» Die Chancen gegen Kriessern wurden von beiden Seiten und von Ringerexperten mit «50 zu 50» prognostiziert. «Wir haben unsere Leistung nicht gebracht. Und so ist es im Sport. Dann stehst du mit dem Rücken zur Wand.»
Die Hoffnung ist nicht weg. Sieben Punkte, das ist eine Packung, eine Hypothek, das wird schwer, aber nicht unmöglich. Routinier Pascal Strebel brachte in seinem letzten Kampf etwas Hoffnung zurück. «Sein 4:0-Sieg brachte uns zurück in eine Lage, wo immerhin Träumen erlaubt ist», sagt Bucher.
Der mentale Aspekt ist aktuell nicht unwichtig. Am Dienstagabend war die Freiämter Mentaltrainerin Renate Wieland zu Gast im Training. Köpfe leeren war angesagt. «Negative Gedanken ablegen. Die nützen uns nichts. Wir müssen uns an die guten Gefühle erinnern.»
«Defizite schamlos aufgedeckt»
Diese guten Gefühle sind rar geworden. Dieses berühmte Momentum im Sport, es ist gekippt zuungunsten der Freiämter. Vermutlich war es im letzten Qualifikationskampf gegen Willisau. Zur Halbzeit führte Freiamt deutlich. Es schien, als würde die Festung Willisau nach vielen Jahren wieder fallen. Doch die Luzerner schlugen zurück. 17:17 hiess es am Ende. Statt des angenehmen Gegners Einsiedeln heisst der unangenehme Halbfinalkontrahent Kriessern. Im entscheidenden Moment versagten den Freiämtern die Nerven. Das Momentum, es kippte in jenem Kampf, in jenen Minuten. Und es kam auch gegen Kriessern nicht zurück. Mit Ausnahme von Marc Weber, Pascal Strebel und Nino Leutert blieben alle anderen sieben Freiämter Kämpfer unter ihren Erwartungen. Nach zehn Kämpfen in der Qualifikationsphase schafft es das Team nicht, im entscheidenden Moment die Leistung auf die Matte zu bringen. «Im letzten Kampf wurden einige Defizite schamlos aufgedeckt», sagt Bucher.
Doch es ist, wie es ist. «Dieses Momentum müssen wir wieder auf unsere Seite kippen, zwingen, reissen. Wir müssen uns auf unsere eigenen Stärken besinnen. Vertrauen haben.» Bucher wird umstellen, Optionen prüfen, die beste Aufstellung machen. «Die richtigen Leute am richtigen Ort», wie er es nennt. Im Hinkampf hat das nicht geklappt. «Da trägt auch der Trainer eine Mitschuld», sagt er selbstkritisch. Im Rückkampf muss die RS Freiamt sieben Punkte aufholen. Vorteil Nummer eins: Der Stilartenwechsel kommt den Freiämtern entgegen. Vorteil zwei: die Heimhalle, die eigenen Fans. «Wir brauchen jetzt jeden Support», sagt er. Nur Willisau konnte die Freiämter in dieser Saison zu Hause besiegen (17:19). «Der Final ist noch nicht weg», sagt Bucher.
Was sagen die Kriesserer?
Vom Gegner aus Kriessern sind vor diesem Duell doch eher überraschende Worte zu vernehmen. In der Vorschau heisst es: «Im besten Fall zeigt die Truppe von Trainer Michi Bucher nun die erhoffte Trotzreaktion und findet vor heimischem Publikum aus der Minikrise. Den Freiämtern kommt der Stilartenwechsel entgegen und es ist unbestritten, dass die Höhe der Niederlage im ersten Kampf nicht den Qualitäten der Mannschaft entspricht. Besinnen sie sich auf ihre Stärken und glauben an eine Wende, können die 7 Zähler aufgeholt werden.» Kriessern spricht davon, in Muri den «Sack zuzumachen» und man werde «nicht den Fehler machen, zu glauben, den Final schon auf sicher zu haben».
«Kämpferherz auf Matte»
Die gebeutelten Freiämter, die in den letzten beiden Kämpfen gegen Willisau und Kriessern untendurch mussten, müssen irgendwie aus ihrer Minikrise finden. Ihnen wird dabei Nils Leutert (Fussverletzung) fehlen. «Die Hoffnung ist aber da», sagt Routinier Randy Vock. «Jeder Kampf beginnt bei null. Jeder Kampf muss gerungen werden. Kleine Details können im Ringen verheerende Auswirkungen haben», sagt er weiter. Die RS Freiamt kriegte das zuletzt zu spüren. «Doch das Wettkampfglück kann auch schnell drehen», weiss Vock. Und wie heisst es so schön: Das Geheimnis des Erfolgs kennen nur jene, die einmal Misserfolg gehabt haben.
Trainer Bucher drückt es so aus: «Wir werden alles versuchen. Jeder Einzelne soll nun sein Kämpferherz auf die Matte werfen und das Bestmögliche herausholen.» Und dann wird man sehen, ob die sieben Punkte aufgeholt wurden oder nicht.