Das Leben in seiner Vielfalt
30.12.2025 Bremgarten, Literatur, Bücher, PorträtVielseitiger Autor
Der Bremgarter Autor Riccardo Bonfranchi veröffentlichte Fachliteratur zu Verhaltensauffälligkeiten, Lern- und geistigen Behinderungen und über 250 Aufsätze. Zum Schreiben von Romanen hat er erst vor ein paar Jahren gefunden. Im ...
Vielseitiger Autor
Der Bremgarter Autor Riccardo Bonfranchi veröffentlichte Fachliteratur zu Verhaltensauffälligkeiten, Lern- und geistigen Behinderungen und über 250 Aufsätze. Zum Schreiben von Romanen hat er erst vor ein paar Jahren gefunden. Im Pensionsalter tut er dies ohne Stress. In seinen Romanen verarbeitet Riccardo Bonfranchi Persönliches und vermischt dieses mit Fiktion. Aktuell schreibt er eine Geschichte, in der seine Eltern im Mittelpunkt stehen werden. --red
Autor Riccardo Bonfranchi arbeitet an einem neuen Buch
Er hat über 250 Aufsätze veröffentlicht und Fachliteratur zu Lernbehinderung, Geistigbehinderung und Verhaltensauffälligkeit. Seit einigen Jahren schreibt Riccardo Bonfranchi auch Romane. In seinem letzten Werk spürt er seinem eigenen Dasein nach.
Erika Obrist
«Ich bastle nicht, ich koche nicht gut, ich rauche nicht – aber ich schreibe gern», nennt Riccardo Bonfranchi den Grund für seine Leidenschaft fürs Schreiben. Wobei das Geschichtenerzählen nur eine seiner Leidenschaften ist. Weitere sind Judo und natürlich die Sonderpädagogik. Dazu die Familie und der Aufenthalt draussen in der Natur.
Aufgewachsen ist Bonfranchi in Zürich. Sein Grossvater war einst aus dem Tessin in die Grossstadt gezogen, um sich zum Lokführer ausbilden zu lassen. Daher der italienische Nachname. Seine Mutter war Jüdin. Die Kinder wurden weder katholisch noch jüdisch erzogen. «Wir sollten später selber entscheiden können, nach welcher Religion wir unser Leben gestalten wollen», blickt Bonfranchi zurück. Sein Entscheid: weder katholisch noch jüdisch.
Studium und Sport in Köln
Schon früh zog es den jungen Riccardo in die Turnhalle, wo er leidenschaftlich und erfolgreich Judo trainierte. Als der Judowettkämpfer das Elternhaus verliess, zog er nach Köln. Zehn Trainings pro Woche, dazu Wettkämpfe mit dem dortigen Bundesligateam. «Um den Lebensunterhalt zu verdienen», erteilte er nachmittags Judokurse für Kinder. Dabei zeigte sich rasch, dass er ein besonderes Talent hat, Kinder zu unterrichten, die wenig Spass hatten an dem, was sie taten. Kinder, die störten; Kinder, die geistige Defizite aufwiesen. Das mag mit ein Grund gewesen sein für die Wahl seiner Studienrichtung: Sonderpädagogik und Studium fürs Lehramt. Lediglich neun Semester brauchte er für den erfolgreichen Abschluss. Die Diplomarbeit drehte sich um Judo mit Behinderten. Fünf Jahre später promovierte er in Sonderpädagogik.
Der Einstieg ins Berufsleben war nicht einfach; die Bezahlung bei den angebotenen Stellen entsprach nicht seinen Vorstellungen, musste er doch die Familie versorgen. «Es waren schon zwei Kinder da.» Also ging er als Wirtschaftsflüchtling, wie er es selbst ausdrückt, zurück in die Schweiz. Er wurde Sonderschullehrer für lern-, geistig behinderte und verhaltensauffällige Jugendliche am Werkjahr in Pratteln.
An der Höheren Fachschule in Bern folgte die Ausbildung zum Fachlehrer Psychologie, Sonderpädagogik und Heilpädagogische Soziologie. Bonfranchi war in diversen Leitungsfunktionen tätig und er schrieb eifrig: An die 250 Aufsätze hat er veröffentlicht zu Lernbehinderung, Geistigbehinderung und Verhaltensauffälligkeit. «Weil es Spass macht.» Zudem war er ein gefragter Referent. Seit seiner Frühpensionierung im Jahr 2010 ist er freiberuflich tätig als Gastdozent, Supervisor und Coach. Und Bonfranchi ist auch ehrenamtlich tätig. Zehn Jahre lang bei der Dargebotenen Hand, danach bei der Caritas Aargau, bei der reformierten Kirche Bremgarten-Mutschellen. Er leistet administrative Unterstützung, erteilt Deutschunterricht und begleitet Menschen in schwierigen Lebenssituationen.
Ethischen Fragen nachspüren
Das Leben in seiner ganzen Vielfalt treibt ihn auch bei seinem belletristischen Schreiben an. Kurzgeschichten sind es, Romane. Dazu Werke, in denen Bonfranchi ethischen Fragen nachspürt. Sie tragen Titel wie «Stolz», «Bewunderung» oder «Treue». Sein letzter Roman «Der alte Mann und seine Frauen» erzählt die Geschichte eines alten Mannes, der über seine drei Ehen sinniert. Es könnte seine eigene Geschichte sein, denn Bonfranchi selber ist zum dritten Mal verheiratet. «Und zum letzten Mal», bekräftigt er. Seit vier Jahren lebt er mit seiner Frau, die ursprünglich aus Stetten stammt und ebenfalls Heilpädagogin ist, in Bremgarten.
Sein nächstes Buch ist bereits in Arbeit. Seine Eltern werden darin im Mittelpunkt stehen. «Ich habe viele Gespräche mit meiner Mutter geführt und so einen ganz neuen Zugang zum Leben meiner Eltern erhalten», sagt der inzwischen 70-Jährige. Wann das Werk gedruckt vorliegen wird, steht noch nicht fest. Er schreibe zwar täglich, jedoch ohne Zeit- oder Umfangvorgabe. «Ich will keinen Stress mehr.» Spass haben am Schreiben und Sinnieren möchte er. Mit der Coronapandemie seien die Einladungen zu Vorträgen und Lesungen weniger geworden, so Bonfranchi, der verständlich und leidenschaftlich erzählen kann. Wer das einmal persönlich erleben möchte, der hat die Möglichkeit dazu an der Volkshochschule Bremgarten. «Wie wird man im Alter weise?» heisst sein dreiteiliger Kurs, der am 8. Januar beginnt. Die Teilnehmenden beschäftigen sich mit der Frage, was es überhaupt heisst, «weise» zu sein. Es werden Erfahrungen und Einsichten ausgetauscht über die letzten Abschnitte des Lebens und die Teilnehmenden erfahren, was die grossen Philosophen zum Altern gesagt haben. Ein Kurs also für «ältere Semester». Näheres zu diesem Kurs findet man auf der Homepage der Volkshochschule Bremgarten.

