Das Bäckerpaar geht in Pension
05.09.2023 BremgartenStädtli verliert Bäckerei
Rita und Robert Schwager hören Ende Jahr auf
Nach fast 35 Jahren zieht sich das Bäckerpaar altershalber zurück. Eine Nachfolge ist nicht in Sicht. Damit geht dem Städtli mit der Bäckerei ...
Städtli verliert Bäckerei
Rita und Robert Schwager hören Ende Jahr auf
Nach fast 35 Jahren zieht sich das Bäckerpaar altershalber zurück. Eine Nachfolge ist nicht in Sicht. Damit geht dem Städtli mit der Bäckerei Schwager ein weiteres Traditionsgeschäft in der Altstadt verloren.
Marco Huwyler
«Als ich klein war, gab es in Bremgarten alleine in der Altstadt sechs oder sieben Bäckereien», erinnert sich Robert Schwager. Der Betrieb seiner Eltern an der Marktgasse 14 war eine davon. Gemeinsam mit Frau Rita hat er ihn 1989 übernommen. Ende 2023 ziehen sich die beiden nach dreieinhalb Jahrzehnten nun altershalber zurück.
Und weil bis heute keine Nachfolgelösung gefunden wurde, sieht es so aus, dass 2024 mit Benny's Bio-Panetteria beim Rathausplatz letztlich nur noch ein Backwarengeschäft im Städtli verbleibt. Wie es mit den Räumlichkeiten der Schwager-Bäckerei im Herzen der Altstadt weitergeht, steht momentan noch in den Sternen.
Das Personal fehlte
Rita und Robert Schwager sehen die Schliessung ihres Betriebes mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Gerne hätten die beiden den Betrieb sukzessive einem Nachfolger übergeben. «Doch unter den heutigen Umständen erwies sich dies letztlich als unrealistisch», sagt Rita. Familienbäckereien wie die Bäckerei Schwager seien leider immer seltener geworden. «Der Aufwand dafür wird heute gescheut.» Nicht zuletzt auch vom dafür notwendigen Personal.
Die Schwagers haben diesen indes all die Jahre lang gerne betrieben. «Weil es auch ein sehr schöner Beruf ist.» Gerade der direkte, herzliche Kundenkontakt gebe einem viel. Zumal man über die Jahre viele Stammkunden habe gewinnen können. «Manchmal sind die Menschen einfach rasch in den Laden gekommen, bloss um zu sagen, wie gut ihnen das Brot gestern geschmeckt hat. Solche Momente geben einem viel», lächelt Rita. Dennoch freuen sich die Schwagers jetzt sehr auf die freie gemeinsame Zeit ab dem nächsten Jahr.
Im Gespräch blicken sie nochmals auf die vergangenen Jahrzehnte als Bremgarter Bäckerpaar zurück – und auf die Herausforderungen und Anekdoten, welche diese mit sich brachten.
Die Bäckerei Schwager hat nur noch bis Ende Jahr geöffnet
Schweren Herzens haben sich Rita und Robert Schwager dafür entschieden, Ende Jahr ihren Betrieb in der Marktgasse zu schliessen. Die beiden fanden zuletzt weder Mitarbeiter noch Nachfolger. Dafür freuen sie sich jetzt auf den Ruhestand und blicken auf erfüllte Jahrzehnte zurück.
Marco Huwyler
Mit einem Lächeln erinnert sich Robert Schwager. «Es war damals selbstverständlich, dass wir Kinder auch in der Backstube mithalfen. Jeder hatte sein Ämtli. Ich weiss noch, wie ich jeweils nach der Schule die Knetmaschine putzen musste.» Wobei es für den kleinen Robert meistens kein wirkliches Müssen war. «Oft machte ich mir ein Spiel daraus und konnte sehr lange daran verweilen. So ein Gerät ist für einen Buben ziemlich faszinierend.»
Schwager schwelgt in Erinnerungen, die mittlerweile rund sechs Jahrzehnte zurückliegen. Eine Zeit in den 1960er-Jahren, als noch seine Eltern August und Lotti die Bäckerei im Herzen der Bremgarter Altstadt führten. Der kleine Robert von damals ist heute 67-jährig. Und die Bäckerei war die Konstante in seinem Leben. Gemeinsam mit Frau Rita (61), die er in jungen Jahren kennenlernte und mit der er 1989 den Familienbetrieb, in dem er aufgewachsen war, übernahm. «Ich hatte grosses Glück, dass ich Rita gefunden hatte. Und wir das all die Jahre gemeinsam machen konnten.» Rita und Robert ergänzten sich wunderbar. Sie als sympathische und talentierte Verkäuferin vorne im Laden. Er als fleissiger, innovativer Bäcker hinten in der Backstube. Bald 35 Jahre machen die beiden das nun schon gemeinsam so. Und erlebten dabei auch ein Städtli im Wandel, der es den beiden nicht immer leicht machte.
«Als die Umfahrungsstrasse kam, spürten wir das brutal», erzählt Rita beispielsweise. Der Absatz sei damals, 1994, regelrecht eingebrochen und habe sich nur langsam erholt. Und auch die Essensgewohnheiten der Bewohner Bremgartens hätten sich über die Jahrzehnte gewandelt – nicht immer zum Vorteil einer Bäckerei. «Die Menschen essen heute definitiv weniger klassisches Brot als früher», berichtet Rita. Und doch hat die Bäckerei dank dem Herzblut, dem Fleiss und der Innovationskraft der beiden immer rentiert. Auch dank den vielen Stammkunden, die bis heute regelmässig ihre Lieblingsbrote bei Schwagers besorgen und nicht selten noch für einen kurzen Schwatz stehen bleiben.
Keine Nachfolge
Doch mit alledem ist bald Schluss. Obwohl es wirtschaftlich nicht schlecht lief (für einen kleinen Altstadtbetrieb heutzutage alles andere als selbstverständlich), funktioniert das Geschäftsmodell mit der familiären Kleinbäckerei so für die Schwagers nicht länger. Robert, altersmässig eigentlich längst pensioniert, möchte auch wegen gesundheitlicher Probleme kürzertreten. «Schliesslich sollen sie mich nicht auf der Bahre hinaustragen müssen», wie er lachend sagt. Während Rita etwas ernster hinzufügt: «Ich bin sehr froh, dass er das nun auch so sieht.»
Lange haben die Schwagers nach Entlastung für die Bäckerstube gesucht. Doch statt eine solche zu finden, hat sich das Personalproblem in den vergangenen Jahren nur noch mehr verschärft. Fähige, tüchtige und langfristig helfende Hände sind rar und werden immer rarer. Und auch eine Nachfolgelösung mit Sohn Marco, der das Handwerk in den vergangenen Jahren von seinem Vater lernte, ist schlussendlich gescheitert. Den Aufwand einer Bäckerei wollte er sich ohne genügend Fachkräfte an seiner Seite langfristig nicht antun.
Seine Eltern verübeln ihm dies keineswegs. «Er soll nun seinen eigenen Weg gehen, das ist schon gut so», sagt Rita. Denn auch in Zukunft sei es unwahrscheinlich, dass es für einen kleinen Bäckereibetrieb wieder einfacher werde, Angestellte für die Backstube zu finden. Der Schichtbetrieb beim Grossverteiler sei für gelernte und angehende Bäcker und Konditoren heute viel attraktiver. Dort müsse man nicht in jeder Nacht schon um 1 oder 2 Uhr aufstehen und trage auch sonst weniger Verantwortung. «Das führt schlussendlich dazu, dass kleine Bäckereien wie die unsrige leider aussterben», sagt Robert. Genauso wie sich das Kaufverhalten der Kunden verändert, die heutzutage ihre Backwaren oft nebenbei rasch im Grosseinkauf besorgen.
Den Marktstand abgefackelt
Für Robert und Rita Schwager dagegen käme solcherlei nicht infrage. «Das Brot beim Grossverteiler? Nein, nie im Leben», sagen die beiden unisono. Auch wenn es in Bremgarten dereinst keine Bäckerei mehr gäbe, wäre das für die Schwagers keine Option. «Für ein gutes Brot würden wir notfalls weit fahren», sagt Rita und Robert stimmt ihr nickend zu.
Noch können sich die beiden selbst versorgen. «Und wenn wir Ende Jahr die Bäckerei schliessen, behalten wir sicherlich einen schönen Vorrat im Tiefkühler», sagt Robert. Zudem bleibe der mobile Holzofen – zumindest für den Privatgebrauch – in Betrieb. «So schnell geht uns das Brot also zum Glück nicht aus», sagt Rita lachend.
Der definitive Entscheid zum Rückzug ist in den beiden lange gereift. Und als sie ihn nach vielen Gesprächen untereinander vor ein paar Monaten dann definitiv fällten, fiel auch eine Last von den Schultern. Im Mai, nach dem Pfingstmarkt – dem letzten Einsatz der Schwagers an einem Bremgarter Markt, nachdem sie 34 Jahre ohne Unterbruch immer dabei gewesen waren –, da hat Robert den Marktstand verbrannt, der all die Jahre lang treu seinen Dienst geleistet hatte. «Es war irgendwie ein gutes Gefühl. Und er hat ausgezeichnet gebrannt», sagt er lächelnd.
Das Feuer hatte für das Ehepaar auch etwas Definitives. Seither freuen sie sich noch mehr auf die Pension und auf das, was noch kommt. «Wir haben einiges zusammen nachzuholen. Denn wir haben viel gemeinsame Zeit verpasst in den letzten Jahrzehnten», sagt Rita. «Während der Arbeitswoche waren wir selten gleichzeitig wach und zu Hause.» Robert, der backende Nachtarbeiter, freut sich denn auch darauf, künftig nicht mehr in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett zu müssen. Anpassungsschwierigkeiten befürchtet er keine. «Mein Organismus scheint da unkompliziert zu sein. Während der Betriebsferien kann ich jeweils locker bis um 10 Uhr ausschlafen.»
Danke sagen
Die vier Monate, die noch bleiben, wollen die Schwagers nutzen, um sich bei allen Stammkunden gebührend zu verabschieden und ihnen Danke zu sagen. Die meisten davon sind schon eingeweiht. «Es war uns wichtig, dass es unsere langjährige Stammkundschaft persönlich erfährt», sagt Rita. Schliesslich seien aus den zahllosen Kontakten im Umgang mit den Bremgarterinnen und Bremgartern auch Freundschaften und bleibende Beziehungen fürs Leben entstanden. Genauso wie mit manchen der nicht weniger als 25 Lehrlinge, welche die Schwagers während ihrer Ära ausgebildet haben. «Insgesamt blicken wir auf ein wirklich schönes und erfülltes Berufsleben hier im Städtli zurück», sagt Robert.
Der Überfall mit dem Messer
So ist es fast nur das Positive, das den Schwagers in Erinnerung bleibt. Mit einer Ausnahme.
2016 wurde die Altstadtbäckerei Opfer eines Raubüberfalls. Am helllichten Tag stürmte ein Mann ins Geschäft, bedrohte Rita Schwager mit gezücktem Messer und verlangte die Herausgabe der Kasse. «Da ist mir schon einen Moment das Herz in die Hose gerutscht», erinnert sich die Konditorin. Vom Lärm angelockt, kam damals auch Robert, der in der Backstube beschäftigt war, nach vorne in den Laden, woraufhin das Ganze in einem Gerangel mündete. Am Ende flüchtete der Räuber mit der ganzen Kasse und 1500 Franken. «Zum Glück blieben wir unverletzt. Und die Polizei schnappte den Täter danach rasch. Aber wir wissen bis heute nicht, was sein Motiv war und weshalb er ausgerechnet uns ausraubte. Wahrscheinlich waren wir Zufallsopfer.» Der Überfall hinterliess bei den Schwagers lange ein mulmiges Gefühl, doch mittlerweile können sie darüber lachen. «Das Erlebnis gehört nun zu unserer Geschichte und derjenigen des Hauses dazu.»
Ein Haus, in dem die Schwagers im Übrigen auch nach der Schliessung ihrer Bäckerei wohnen bleiben werden. «Wir möchten nicht weg aus Bremgarten. Weshalb auch? Hier ist es wunderbar.» Noch haben sie auch die Hoffnung nicht ganz aufgegeben, dass im Erdgeschoss unter ihrer Wohnung weiterhin Backwaren verkauft werden. «Dass die Backstube weiterhin betrieben wird, scheint utopisch. Doch denkbar ist, dass sich eine Filiale einer Kette hier einmietet und die backfrischen Waren dann angeliefert werden», sagt Robert.
Die Erbengemeinschaft der Schwagers prüft gemeinsam mit der Stadt (vgl. Kasten) alle Möglichkeiten diesbezüglich. «Ich hoffe sehr, dass wir eine gute Lösung finden. Für Bremgarten. Aber auch für mich selber.» Denn Wohnungen, Büros oder ein Coiffeurgeschäft an dem Ort, wo er einst seine Knetmaschine reinigte, wären für Robert Schwager nur schwer zu akzeptieren.
Haus mit 200 Jahren Bäcker-Tradition
Das Gebäude an der Marktgasse14 in Bremgarten – heute die Bäckerei Schwager – besteht mit dem gleichen Dachstock sowie den dicken Grundmauern seit über 400 Jahren. Das kleinere Gebäude auf der Rückseite des Hauses war früher ein Rossstall und wurde später neu aufgebaut. Rundherum sind die beiden Häuser in der Engelgasse zusammengebaut und nur im Parterre durch den Ehgraben getrennt. Seit über 200 Jahren besteht im Gebäude eine Bäckerei. Anfänglich war kein Verkaufsladen in der heutigen Form vorhanden, der Verkauf wurde durch ein Seitenfenster abgewickelt. Ursprünglich war der Gründer der ehemaligen Bäckerei Brumann hier tätig. Anschliessend bis 1936 die Bäckerei Bühler. 1936 bis 1951 die Bäckerei Stirnemann. 1951 bis 1984 die Bäckerei Schwager senior. 1984 bis 1989 die Bäckerei Schlatter. Und 1989 bis heute die Bäckerei Schwager junior. 1974 wurde die gesamte Liegenschaft umgebaut. Aus den ursprünglich zwei Häusern wurde ein Haus mit acht Wohnungen, zwei Läden sowie Lager und Backstube. --huy
Das sagt der City-Manager
Auch Bremgartens City-Manager Ralph Nikolaiski weiss um den drohenden Leerstand und ist in die Suche nach einem Nachfolger der Bäckerei Schwager involviert. «Im Moment ist es noch offen, wie es weitergeht», sagt Nikolaiski. Am wahrscheinlichsten sei eine Beck-Filiale. «Auch weil alle Involvierten gut mit dieser Lösung leben könnten.» Mit Interessenten sei man im Gespräch. Ebenso mit solchen für den benachbarten, an der Bäckerei angrenzenden Städtli-Märt, der ebenfalls Ende Jahr schliesst. Theoretisch wären daher auch ein Durchbruch und ein gemeinsames grösseres Geschäft denkbar. «Die Tendenz geht aber momentan Richtung zweier separater Geschäfte», sagt der City-Manager. --huy