Bremgarten trifft Bangladesch
16.02.2024 BremgartenBesonderer Austausch
Projekt der Bezirksschule
An der Bezirksschule Bremgarten beteiligen sich momentan zwei Klassen an einem besonderen interkulturellen Projekt. Unter Anleitung von Lehrpersonen und mithilfe eines Übersetzers tauschen sie sich per ...
Besonderer Austausch
Projekt der Bezirksschule
An der Bezirksschule Bremgarten beteiligen sich momentan zwei Klassen an einem besonderen interkulturellen Projekt. Unter Anleitung von Lehrpersonen und mithilfe eines Übersetzers tauschen sie sich per Video-Anruf mit gleichaltrigen Kindern aus Bangladesch aus und besprechen dabei auch Themen wie den Klimawandel. --huy
Gemeinsames Schulprojekt von Gleichaltrigen aus völlig unterschiedlichen Kulturen
Zwei Klassen der Bezirksschule Bremgarten tauschen sich in diesen Tagen mit Kindern aus Südasien aus. Gemeinsam will man in die komplett unterschiedliche Welt des jeweils anderen eintauchen – und dabei auch die Auswirkungen des Klimawandels in der Schweiz und in Bangladesch thematisieren.
Marco Huwyler
«Was ist die Hauptstadt der Schweiz?», «Wie viele Jahreszeiten habt ihr?», «Wie warm ist es in Bremgarten zurzeit?». Einige Fragen, die an diesem Donnerstagmorgen von einem kleinen Zimmer vom anderen Ende der Welt Richtung Stadtschulhaus Bremgarten gestellt werden, sind auf den ersten Blick banal. Nichts, was man nicht mit einer 5-sekündigen Google-Recherche herausfindet – könnte man denken. Doch gerade dies sagt viel aus über jene Kinder, die hier per Zoom-Call mit den Bremgartern in Verbindung stehen. Google ist kein Teil ihres Alltags. Mehr als die Hälfte der Bangladescher hat kein Internet. Teenager, die wie wir hier selbstverständlich ein Handy besitzen, gibt es praktisch nicht.
Ein anderer Horizont
«Wie heisst euer Hauptfluss?», fragt ein Junge die Bremgarter. Wohl nichts, was unsereiner als Erstes unter den Nägeln brennen würde. Doch für ihn und die Menschen in Bangladesch haben Flüsse eine zentrale Bedeutung. Als oftmals einzige Transportmöglichkeit mit dem Boot. Wo sie leben, gibt es kaum ausgebaute Strassen und Infrastruktur.
Die Konversation ist manchmal stockend. Das Internet hakt zuweilen und einige Male muss angesichts des starken Akzents des Englisch der zugeschaltete Übersetzer zu Rate gezogen werden. Und doch ist die Konversation auch äusserst lebendig. Die 13 bis 15-jährigen Kinder sind auf beiden Seiten fasziniert vom Austausch mit jemandem, dessen Alltag so fundamental anders ist, als der, den sie kennen. Wie viele Tage wir unsere «Chickens» hier leben lassen, fragt ein Bangladescher. Dass bei uns niemand Hühner hat (beziehungsweise nur einer in der gesamten Bremgarter Klasse, wobei diese gar nicht geschlachtet werden), ist für die Selbstversorger am anderen Ende der Welt unvorstellbar.
Umgekehrt geht ein Raunen durch die Schweizer Klasse, als ein Bangladescher Mädchen den Monatslohn seiner Familie nennt. Für die paar wenigen Dollar müsste man hierzulande bloss ein paar Stunden arbeiten, wenn es hoch kommt.
Als erste und bislang einzige Schule der Schweiz
Kein Zweifel – es ist eine Doppellektion, die allen Beteiligten in Erinnerung bleiben wird. Zwei Bremgarter Bezirksschulklassen von Reto Hugenberg kommen im Rahmen des Fachs Räume, Zeiten, Gesellschaften (früher Geografie und Geschichte) in den Genuss jenes speziellen Austauschs zwischen Bremgarten und Bangladesch. Aufgegleist wurde das Ganze durch «Friendship». Die Hilfsorganisation engagiert sich seit Jahren in Bangladesch und stellt der ländlichen Bevölkerung mobile Spitalboote und Schulen zur Verfügung. Um ihr Wirken und das Leben in Bangladesch den Europäern näherzubringen, unterhält «Friendship» einen regen Austausch mit Partnerschulen in Frankreich und Luxemburg. In der Schweiz war man bislang nicht tätig. Weshalb nun also die Zusammenarbeit mit Bremgarten? «Der Fotograf Philipp Gasser ist ein guter Bekannter von mir», erklärt Reto Hugenberg. Gasser seinerseits hat in Bangladesch schon einige Foto- und Filmprojekte durchgeführt und kam so in Kontakt mit «Friendship». So kam eines zum anderen. «Als mir Gasser von den Partnerschulen und dem Austausch von Europäern mit Bangladescher Schülern erzählte, dachte ich mir sofort. ‹Hey, das wäre doch super spannend, auch mit meinen Bremgarter Schülern›», lächelt Hugenberg.
Klimawandel: Ein Thema, das verbindet
Bereits letztes Jahr haben zwei Klassen von Hugenberg ein gemeinsames Projekt mit Schülern aus Bangladesch durchgeführt. Und die Erfahrungen waren so gut, dass für den Bez-Lehrer schnell klar war, dass er dies wiederholen wollte. «Es ist für meine Schüler ein einmaliger Einblick in eine andere Realität», sagt er. «Und ganz nebenbei auch eine willkommene Gelegenheit, das Englisch in der Praxis anzuwenden.» Vor dem ersten Kontakt mit den Bangladescher Kindern haben die beiden Bremgarter Klassen selbst ein Video über ihr Heimatstädtli gedreht, geschnitten und an die Partnerklassen in Bangladesch geschickt. Umgekehrt hat man selbiges von den Bangladeschern erhalten.
So hatten die Teenager bereits vor dem direkten Kontakt gegenseitig eine grobe Vorstellung vom Leben auf dem anderen Kontinent. Beim ersten Video-Call diese Woche geht es für die beiden Klassen noch um Allgemeines. Sämtliche Fragen sind erlaubt. Man soll sich beschnuppern und die Gelegenheit erhalten, sämtliche Facetten des Lebens des jeweils anderen kennenzulernen. In einem zweiten Schritt wird es konkreter. Dann soll nämlich der Klimawandel das Thema sein, unter dessen Oberbegriff das ganze Projekt steht. Dieser eint die beiden Länder gewissermassen. Sowohl die Schweiz als auch Bangladesch spüren Veränderungen konkret im Alltag und mehr als der internationale Durchschnitt.
Während wir hier schmelzende Gletscher und immer weniger Schneetage haben – dafür mehr Hitzesommer und Extremwetterlagen –, haben die Menschen in Bangladesch vor allem mit Überf lutungen zu kämpfen. Überf lutungen, die nicht vergleichbar sind mit dem Hochwasser der Reuss, mit dem man sich im Städtli zuweilen herumschlägt. In Bangladesch ist Hochwasser nichts, das mit ein paar Sandsäcken und präventiven Massnahmen bekämpft werden könnte. Denn wenn die Wassermassen vom Himalaja einen mehrere Kilometer breiten Strom runterdonnern, gibt es nicht mehr viel, was der Mensch entgegensetzen könnte.
Verblüffende Momente
Die Bremgarter Schüler freuen sich bereits auf den zweiten Teil, das spürt man. Trotz des Themas Klimawandel, das auch beklemmend sein kann. Denn das Projekt mit den Bangladescher Gleichaltrigen ist für sie nicht nur ein willkommener Ausbruch aus dem Schulalltag, sondern in jeder Beziehung bereichernd und sensibilisierend für die Perspektiven anderer. Und nicht zuletzt ist es auch mit viel Spass und Freude verbunden. Zumal es immer wieder zu verblüffenden Momenten des Schmunzelns kommt. Etwa als ein Mädchen fragt, welches die grösste Insel unserer Flüsse sei. Das mag seltsam anmuten, sind doch Flüsse in unseren Breitengraden nicht unbedingt für Inseln bekannt. Auf Bangladeschs riesigen Strömen mit ihren Deltas ist dies freilich anders. Auf «Bhola» beispielsweise leben 1,7 Millionen Menschen. Eine Insel übrigens, die durch den Klimawandel zu verschwinden droht.
VHS-Vortrag
Nicht bloss die Kinder, sondern auch die Erwachsenen haben in diesen Tagen die Gelegenheit, die faszinierende Kultur und die Lebensumstände der Menschen in Bangladesch näher kennenzulernen. Am 29. Februar um 19 Uhr veranstaltet die Volkshochschule Bremgarten einen Vortrag zum Thema «Unbekanntes Bangladesch». Fotograf Philipp Gasser, welcher das Land mehrfach besucht hat, gibt dabei mit seinen Bildern und Videos faszinierende Einblicke. Weitere Informationen unter www.vhsag.ch/bremgarten/ events. --huy