Beinahe vergessene Pionierin
16.01.2024 Widen, MutschellenAlles übers «Finke Fränzi»
Vortrag über Franziska Dosenbach in Widen
Die Bremgarterin Franziska Dosenbach war die Pionierin im Schuhhandel. Urs Schertenleib erinnerte an sie am Seniorennachmittag 60 plus in Widen. ...
Alles übers «Finke Fränzi»
Vortrag über Franziska Dosenbach in Widen
Die Bremgarterin Franziska Dosenbach war die Pionierin im Schuhhandel. Urs Schertenleib erinnerte an sie am Seniorennachmittag 60 plus in Widen.
Das Schweizer Schuhhaus Dosenbach hat seine Wurzeln in Bremgarten. Gegründet wurde das Schuhgeschäft von Franziska Dosenbach – einer der erfolgreichsten Unternehmerinnen Bremgartens im vorletzten und letzten Jahrhundert. Doch wer war die tüchtige Geschäftsfrau Franziska Dosenbach? Antworten gab es von Urs Schertenleib.
Auf Spurensuche
Der frühere Gemeindeschreiber von Hermetschwil-Staffel kam schon in seiner Kindheit mit der Bezeichnung Dosenbach in Berührung. Er begab sich auf Spurensuche. Seine Erkenntnisse teilte er mit den Teilnehmenden des Seniorennachmittags 60 plus der reformierten Kirchgemeinden. Das Interesse am liebevoll genannten «Finke Fränzi» war gross. Viele Menschen aus Bremgarten und Umgebung lauschten gebannt den Ausführungen von Schertenleib. --red
Urs Schertenleib erzählte von der Unternehmerin Franziska Dosenbach
Dass die bekannten «Dosenbach-Schuhe» von einer Bremgarterin ins Leben gerufen wurden, wissen nur noch wenige Eingeweihte. Urs Schertenleib, früher Gemeindeschreiber in Hermetschwil-Staffeln, zeichnete am Seniorennachmittag 60 plus das Leben und Wirken vom «Finke-Fränzi» nach.
Erika Obrist
Franziska Dosenbach war eine der erfolgreichsten Unternehmerinnen Bremgartens im vorletzten und letzten Jahrhundert. Spuren von ihr sucht man im Städtchen jedoch vergebens: Nichts erinnert an die Frau, die mit ihrem Schuhhandel ein kleines Imperium aufgebaut hat, bei der in der Blütezeit ihres Unternehmens an die hundert Leute beschäftigt waren und die letztlich Besitzerin von 17 Liegenschaften war. Geblieben ist die Bezeichnung «Dosenbach» für eine Schuhhandelsfirma, die heute im Besitz eines deutschen Unternehmers ist und die noch immer viele Filialen in der Schweiz betreibt.
In die Schule über die «Dosenbach-Matte»
Das Interesse am Leben von «Finke-Fränzi», wie die Unternehmerin liebevoll bezeichnet wird in der Region, ist gross, wie sich am Seniorennachmittag 60 plus der reformierten Kirchgemeinde am letzten Donnerstag im Kibizi zeigte. «Es sind doppelt so viele Leute gekommen, wie wir erwartet haben», freute sich Sozialdiakonin Maria Trost. Unter den Interessierten waren auch zahlreiche Leute aus Bremgarten und Umgebung. Menschen, welchen die couragierte Unternehmerin Franziska Dosenbach aus den Erzählungen von Eltern oder Grosseltern nahe war. Urs Schertenleib, der 35 Jahre lang in Bremgarten gewohnt und 21 Jahre lang als Gemeindeschreiber in Hermetschwil-Staffeln gewirkt hat, begab sich auf Spurensuche. Mit der Bezeichnung Dosenbach sei er bereits als Schulkind in Kontakt gekommen. Auf dem Schulweg von daheim im Itenhard zur Bärenmatte sei er jeweils über die «Dosenbach-Matte» gegangen. Auf dieser steht seit ein paar Jahrzehnten das Einkaufszentrum Sunnemärt.
Filialen in Baden und Zürich
Wer war nun aber diese Franziska Dosenbach? Franziska Buchmann kam 1832 in Kleinwangen zur Welt. Nach dem frühen Tod ihres Vaters wuchs sie bei ihrem Stiefvater in Bremgarten auf. Sie besuchte das damals bekannte Töchterinstitut von Lisette Ruepp in Sarmenstorf. 1853 heiratete sie den Sattlermeister Kaspar Dosenbach, mit dem sie 13 Kinder hatte. 1877 starb Kaspar Dosenbach. Sechs Jahre später heiratete sie den ehemaligen Schweizergarde-Offizier und Hoteldirektor Louis Wohler, der die Buchführung ihres Unternehmens übernahm.
Obwohl Frauen in der Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem für Haushalt und Kinder zuständig waren, war es Franziska Dosenbach gewohnt, auch in der Sattlerei ihres Mannes mitanzupacken. Wenn er in den Wintermonaten bei den Bauern auf der «Stör» war und dort Ochsenund Pferdegeschirr instand stellte, schaute sie zur Sattlerei in Bremgarten. Sie besuchte auch regelmässig die Messe in Zürich. Dort fiel ihr auf, dass die Gestelle mit in Fabriken gefertigten Schuhen sehr regen Zuspruch fanden. 1865 begann Franziska Dosenbach, solche «Fabrikschuhe» einzukaufen und sie erst in der Sattlerei, ab 1870 als selbstständige Schuhhändlerin auch auf Märkten und Messen zu verkaufen. Nicht nur zur Freude der einheimischen Schuhmacher, deren Erzeugnisse deutlich mehr kosteten als die Dosenbach-Schuhe.
Das Geschäft florierte, sodass an der Marktgasse 23 in Bremgarten das Schuhwarenhaus Dosenbach eröffnet werden konnte. Nach dem Tod ihres Mannes gab Franziska Dosenbach die Sattlerei auf und konzentrierte sich voll und ganz auf den Handel mit Schuhen. 1878 eröffnete «Finke-Fränzi» eine Filiale an der Badstrasse in Baden, 1880 eine in Zürich an der Ecke Rennweg/Oetenbachgasse. Um die verschiedenen Filialen mit Ross und Wagen beliefern zu können, wurde 1890 an der Zürcherstrasse in Bremgarten ein Lagerhaus gebaut.
Kreativabteilung gegründet
Neben Pantoffeln (Finken) aus Filz, Kamelhaar oder Sammet sowie Kinder-, Damen- und Herrenschuhen umfasste das Sortiment zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch Ski- und Schlittschuhe sowie Gamaschen. «Das Sortiment war sehr breit und von guter Qualität», wusste Urs Schertenleib. Um stets mit der wandelnden Mode mitgehen zu können, rief Franziska Dosenbach sogar eine eigene Kreativabteilung ins Leben. Ihr Unternehmen wuchs zu einem kleinen Imperium mit gegen hundert Angestellten in Bremgarten und in den Filialen. Sie war eine erfolgreiche Unternehmerin, der letztlich 17 Liegenschaften in der Schweiz gehörten. 1917 starb Franziska Dosenbach. Einige ihrer Kinder führten das Unternehmen, das stetig wuchs, weiter. Ein Zweig der grossen Familie eröffnete auch Filialen in der Westschweiz.
1970 wurde das Geschäftshaus in Bremgarten geschlossen. Drei Jahre später wurde der Schuhhandel Dosenbach an den deutschen Grosskaufmann Heinz-Horst Deichmann verkauft. Er war so klug, die Filialen unter der Bezeichnung «Dosenbach» weiterzuführen.
Was aber machte «Finke-Fränzi» derart erfolgreich? Laut Urs Schertenleib hatte sie zwei Seiten. Die Geschäftsfrau war durchsetzungsstark und setzte um, was sie sich vorgenommen hatte. Die Anfeindungen der Neider ertrug sie mit philosophischer Ruhe. Privat sei sie ein geselliger und umgänglicher Mensch gewesen, so Schertenleib. «Weshalb in Bremgarten nichts an die grosse Unternehmerin erinnert, weiss auch ich nicht.»