Aus Freude an jedem Häuschen
29.09.2023 BremgartenStadtmodell in Entstehung
Immer wieder wird Heinz Briner auf der Strasse angesprochen. Thema: Sein Stadtmodell, das seit fast zwei Jahren in Entstehung begriffen ist. «Die Leute haben es nicht vergessen und warten darauf. Das ist schön und zeigt mir, dass es ...
Stadtmodell in Entstehung
Immer wieder wird Heinz Briner auf der Strasse angesprochen. Thema: Sein Stadtmodell, das seit fast zwei Jahren in Entstehung begriffen ist. «Die Leute haben es nicht vergessen und warten darauf. Das ist schön und zeigt mir, dass es etwas wert ist, was ich hier tue», sagt der Modellbauer. Noch braucht es allerdings etwas Geduld. Aus diversen Gründen verzögert sich die Fertigstellung um mindestens ein halbes Jahr. --huy
Langsam, aber stetig schreitet das Briner’sche Stadtmodell seiner Fertigstellung entgegen
Das Bremgarter Relief aus Bronze entsteht mit Verzögerung. Ursprünglich hätte es bald eingeweiht werden sollen. Nun dauert es noch mindestens ein Jahr. Architekt Heinz Briner lässt sich davon nicht beirren und arbeitet jeden Tag feinsäuberlich mit viel Liebe am Projekt seines Herzens.
Marco Huwyler
Heinz Briner befindet sich gerade in einer besonders diffizilen Phase. Denn in diesen Tagen ist quasi das Filetstück seines Lebensabendwerks in Arbeit. Der pensionierte Architekturmodellbauer werkelt bei seinem Relief gerade an der Bremgarter «Schoggiseite» – jener Kulisse der Altstadt, die vom gegenüberliegenden Reussufer her Tag für Tag dutzendfach fotografiert wird.
In Briners Werkstatt im Isenlauf legt der Künstler in diesem Moment Hand am Muri Amthof an. Jede Zinne, jeder Giebel wird hier exakt 700mal kleiner als beim Original fein säuberlich abgebildet. Das Haupthaus ist fertig. Als Nächstes kommt der für Bremgarten so charakteristische schlossgleiche Turm gleich daneben an die Reihe. Nicht nur für diesen, für jedes einzelne Altstadthaus braucht Briner Stunden. Und: viel Recherchearbeit.
Wie ein Detektiv
In Bremgartens Stadtarchiv hat er schon wochenlang gebrütet auf der Suche nach Grundrissen, Plänen und historischen Dokumenten. «Mein naiver Glaube zu Beginn war es, dass man die Baupläne einfach aus irgendeiner Schublade ziehen kann und schon hat man die Dimensionen», lacht Briner. Doch dem war mitnichten so. Damit er eine exakte Vorstellung davon erhält, wie er die historischen Bauwerke massstabund detailgetreu zu erstellen hat, ist akribische Recherche vonnöten. Jedem noch so kleinen Hinweis geht der Modellbauer nach. Über jede historische Fotografie ist er dankbar. Und knipst die Objekte seiner Wissbegierde dutzendfach gleich selbst vor Ort aus verschiedensten Winkeln.
«An die 1500» schätzt Briner die Anzahl der Bilder, die sein selbst angelegtes Altstadthäuserbilderarchiv mittlerweile umfasst. Wenn der 67-Jährige detektivgleich mit seiner Kamera im Städtli unterwegs ist, wird sein Tun zuweilen kritisch beäugt, bevor der Modellbauer erkannt wird. «Ah, das ist wieder der mit dem Relief», heisse es dann, erzählt Briner lachend. Dann dürfe er wieder seines Fotografenamtes walten.
«Bremgarten ist wunderschön»
Es ist eine Arbeit, die scheinbar nie aufhört, welche sich Briner hier aufgebürdet hat. Gibt es doch Tausende Häuser, Objekte und Mobilien in Bremgarten – mit unendlich vielen Details. Manch einer würde darob schier verzweifeln. Nicht so Briner. Mit einer Engelsgeduld macht er sich Tag für Tag von Neuem ans Werk und arbeitet sich in Frondienst Häuschen für Häuschen weiter.
«Mitleid braucht man mit mir sicher nicht zu haben», lacht er, darauf angesprochen. «Denn ich mache das wirklich alles gerne. Bremgarten ist wunderschön. Ich denke es immer wieder. Deshalb kann ich mir keine bessere Arbeit vorstellen, als mich damit zu beschäftigen.» Briner, der Zeit seines Lebens hier gelebt hat, lernt sein Heimatstädtli als Pensionär nochmals in einer ganz anderen Intensität kennen. «Wenn ich heute sage, ich kenne jede Ecke Bremgartens, dann stimmt das nicht nur sprichwörtlich, sondern wirklich auch buchstäblich», lacht der 67-Jährige.
Wie, wo, zu welchem Preis?
Bald zwei Jahre ist Briner nun an seinem Stadtmodell beschäftigt. Gemäss ursprünglichem Plan sollte er nun etwa fertig sein und sein Werk den Bronzengiessern zur Vorlage übergeben. Doch die Arbeit verzögert sich. Das Modell ist erst zu «ungefähr zwei Dritteln» fertig. Neben den aufwendigen Recherchearbeiten liegt dies vor allem daran, dass sich Perfektionist Briner zuweilen in Details verliert. Und dies führte wiederum dazu, dass vermutlich eine andere Giesstechnik als ursprünglich geplant zur Anwendung kommen muss. «Die Spezialisten haben mir gesagt, dass mein Modell wohl zu detailbefrachtet geworden ist für das Sandgussverfahren», lächelt Briner. Nachdem bereits alles aufgegleist war, musste er daher von Neuem mit Abklärungen und Offerten beginnen. Zwei Anbieter sind momentan in der engeren Auswahl.
Die veränderten Bedingungen werden auch zur Folge haben, dass das Modell schlussendlich etwas teurer wird. Rund 200 000 Franken wird das Bronze-Relief im Endergebnis kosten. Briner ist zuversichtlich, dass eine Lösung für den Differenzbetrag gefunden wird. Drei Viertel des Budgets ist – vor allem durch Crowdfunding und Gönnerschaften – bereits zusammengekommen. Für den Rest befindet sich der Künstler gemeinsam mit weiteren Involvierten noch in den letzten Abklärungen. «Man kann aber davon ausgehen, dass die Finanzierung gesichert ist», sagt Briner.
Qualität vor Tempo
So ist es einzig noch Geduld, was der gemeine Bremgarter aufzubringen haben wird, bis das Stadtmodell in voller Pracht an seinem Standort (voraussichtlich beim Obertor eingangs der Altstadt) eingeweiht werden kann. In rund einem Jahr soll es so weit sein. Doch unter Druck setzen lässt sich Briner nicht. Qualität statt Eile ist die Devise. Soeben hat er gemerkt, dass er sich eines Details nicht ganz sicher ist. Also flugs aufs Velo und ab in die Altstadt. Lieber einmal mehr persönlich hinschauen. «Es bringt überhaupt nichts zu ‹juf le› und sich in Zeitplänen zu verzetteln», sagt Briner. «Das Modell zu erstellen, dauert eben so lange, wie es dauert.»
Deshalb ist es durchaus möglich, dass aus dem angepeilten September 24 schlussendlich Frühling 25 wird, bis das Relief «der Bevölkerung übergeben», werden kann, wie es Briner ausdrückt. Und wenn man sich die zeitlichen Dimensionen vergegenwärtigt, dann ist dies sowieso einerlei. Denn wenn alles nach Plan läuft, wird hier ein Wahrzeichen für Jahrhunderte geschaffen. Ob es ein paar Monate früher oder später an seinem Bestimmungsort zu stehen kommen wird, spielt dann in der Nachbetrachtung gewiss keine Rolle mehr.