Aus Freude an der Altstadt
24.01.2023 BremgartenWie ein 80-Jähriger eine bedeutende Bremgarter Liegenschaft in neuem Glanz erstrahlen lässt
Langsam zeichnet sich ab, welch schmuckes Bijou aus dem einst baufälligen Dosenbachhaus in der Marktgasse wieder werden wird. Dafür verantwortlich ist ein ...
Wie ein 80-Jähriger eine bedeutende Bremgarter Liegenschaft in neuem Glanz erstrahlen lässt
Langsam zeichnet sich ab, welch schmuckes Bijou aus dem einst baufälligen Dosenbachhaus in der Marktgasse wieder werden wird. Dafür verantwortlich ist ein Bauunternehmer mit einem Faible für historische Altstädte, der Hehres vorhat mit seiner Errungenschaft in Bremgarten.
Marco Huwyler
Monatelang stand dieser riesige Kran inmitten der Bremgarter Altstadt. So manch ein Passant dürfte sich gefragt haben, wozu man derlei Gerät so lange mitten in der Marktgasse brauche. Der Grund dafür war das Dosenbachhaus, dessen Dachstock nach Jahren des undichten Leerstands komplett saniert werden musste. «Wir haben bereits einiges hinter uns», lächelt Ernst Fischer.
Wohnungen, Läden und Kultur
Der Bauunternehmer ist neuer Eigentümer der Liegenschaft und hat es sich zum Ziel gesetzt, das Haus, wo einst das Schuhimperium Dosenbach seinen Ursprung hatte, wieder zu einem richtigen Bijou zu machen. «Aus Freude an der Bremgarter Altstadt», wie er sagt. «Solche alten Bauten haben auf mich immer eine grosse Faszination ausgeübt. Sie für die Nachwelt zu erhalten, zu verschönern und in ihrem Ursprungssinne nutzbar zu machen, empfinde ich als ausgesprochen zufriedenstellende Aufgabe.» Noch Ende dieses Jahres soll das Dosenbachhaus fertig sein und sechs Mietwohnungsparteien, zwei Ladenmietern und einer kulturellen Institution ein neues, schmuckes Zuhause bieten.
Fischer ist eigentlich nicht von hier. Wohnhaft ist er im Kanton Zürich. Doch für sein Herzensprojekt kommt er alle paar Tage nach Bremgarten, um sich vor Ort persönlich nach dem neusten Baufortschritt umzusehen. «Ich fühle mich langsam wie ein Einheimischer», lacht der 80-Jährige, der einen locker 20 Jahre jüngeren Eindruck hinterlässt – was gewiss auch an der ansteckenden Begeisterung liegt, die er für sein Projekt in Bremgarten verspürt.
«Es macht mir einfach Freude»
Aufwendige Restauration des Dosenbachhauses in der Marktgasse
Die geschichtsträchtige Liegenschaft in der Bremgarter Altstadt wird seit Monaten renoviert. Seit das Gerüst weg ist, zeigt sich langsam, was hier Schönes entsteht. Verantwortlich dafür ist Ernst Fischer, der sich des Hauses aus Leidenschaft angenommen hat.
Marco Huwyler
Jahrelang moderte das Gebäude im Herzen Bremgartens einfach vor sich hin. Unter den Giebeln wohnten höchstens noch die Tauben. Und das Dach darüber war mittlerweile undicht geworden. Zwar waren die Besitzer verkaufsbereit, doch die Vermittlung der Liegenschaft gestaltete sich als schwierig. Denn hier mitten in der Altstadt kann man nicht einfach bauen, wie man möchte. Die Auflagen der Altstadtkomission, verbunden mit dem Umstand, dass man angesichts des miesen Zustandes der Liegenschaft viel Geld in das Projekt stecken musste, schreckten viele Interessenten ab. Mehr als ein Vorprojekt ist daran gescheitert. Vielen Einheimischen blutete das Herz, gerade angesichts der bedeutenden Bremgarter Geschichte, die das Haus zu erzählen weiss (siehe Kasten).
Harmonie schaffen
Von dieser erfuhr Ernst Fischer per Zufall. «Mir hat ein befreundeter Architekt – eine Ferienbekanntschaft – davon erzählt», berichtet er. Der gebürtige Stetter, der seit Jahren im zürcherischen Forch lebt, begann sich zu informieren und interessieren. «Altstädte und ihre Geschichte üben seit jeher eine grosse Faszination auf mich aus», sagt er. Fischer ist beruflich seit Jahrzehnten Bauherr und Liegenschaftsverwalter. «Als solcher habe ich über Jahrzehnte so viel Neues gebaut und betreut. Neben alledem einmal etwas wirklich Spezielles und Substanzielles mit historischer Bedeutung umzusetzen, ist schon lange ein Träumli von mir», erzählt er lächelnd. Doch dafür mussten die Voraussetzungen stimmen.
«Für ein solches Projekt muss man zu 100 Prozent davon überzeugt sein. Schliesslich steckt man nicht bloss viel Geld, sondern auch viel Zeit und Energie rein.» In Bremgartens Dosenbachhaus sah Fischer seine Vorstellungen erfüllt. «Das Haus, dessen Historie, die Umgebung, die Stadt – es hat mich irgendwie gepackt. Ich war überzeugt davon, hier etwas wirklich Harmonisches für die Zukunft schaffen zu können.»
Denkmalschutz beantragt
Deshalb kaufte Fischer die Liegenschaft Ende 2016. Sofort wurden bauliche Sicherungsmassnahmen angeordnet, um den voranschreitenden Zerfall des Gebäudes zu stoppen. Danach begannen aufwendige Untersuchungen der Bausubstanz, die teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückreicht. Von Beginn an holte Fischer die kantonale Denkmalpflege mit an Bord und liess das Gebäude auf eigene Initiative unter Schutz stellen. «Ich sah diese als Partner mit gleichen Interessen. Schliesslich habe ich das Haus ja erworben, weil ich es als wertvolles Juwel sehe, dessen historische Harmonie und Einheit ich wiederherstellen will. Genau wie der Denkmalschutz.»
Freilich führte diese Partnerschaft auch dazu, dass der Umbau bzw. die Restauration, sehr langsam vonstatten ging. Denn das Bauen mit dem Ziel, möglichst viel historische Bausubstanz zu erhalten und alles fein säuberlich zu dokumentieren, ist äusserst zeitaufwendig. «Es geht jeweils auch darum, die richtige Balance zu finden. Also um die Frage: Was können wir bewahren, ohne dabei die Sicherheit zu gefährden und die Nutzbarkeit ganz aussen vor zu lassen», erzählt Fischer. Für diesen Drahtseilakt hat Fischer ein Architektur- und Baubüro aus Baden engagiert, das sich auf historische Bauten wie Schlösser, Kirchen oder Altstadtliegenschaften spezialisiert hat.
Die Bauarbeiter trafen im Dosenbachhaus vor allem in den oberen Geschossen auf noch schlimmere Verhältnisse als erwartet. «Im Dachstock hatte sich Hausschwamm eingenistet», erzählt Architekt Hannes Gebhard. «Wenn sich dieser mal breitgemacht hat, ist es sehr schwierig, ihn wieder loszuwerden.» Der oberste Stock musste daher aufwendig behandelt und komplett neu erstellt werden.
Doch die Arbeiten am Haus förderten auch schöne Überraschungen zutage. «Im Giebel fanden wir unter jeweils zwei Material- und Farbschichten die Originalmalereien des ehemaligen Dosenbachhauses», erzählt Gebhard. Diese wurden vorbildgetreu wieder restauriert und geben dem Haus so von aussen einen unverkennbaren Wiedererkennungswert.
Wohnungen und Altstadt-Lädeli
Nach gut einem Jahr Fassadenrestauration konnten kürzlich die Baugerüste entfernt werden. Im Inneren wird weitergearbeitet. «Das ambitionierte Ziel wäre es, dass das Haus im Oktober fertig ist», sagt Fischer. Dann sollen die sechs charmanten Wohneinheiten – drei Maisonette- und drei Etagenwohnungen – bezogen werden können. Keine davon ist wie die andere. «Um dem ehemaligen Grundriss möglichst gerecht zu werden, haben wir von der Zimmeranordnung her nicht viel geändert. Weil früher nicht jedes Stockwerk identisch war, sind deshalb auch die künftigen Wohnungen alles Unikate», sagt der Inhaber.
Im Erdgeschoss dagegen soll wie früher ein Laden einquartiert werden. «Am liebsten hätte ich natürlich Dosenbach», lacht Ernst Fischer. Der 80-Jährige weiss aber, dass dies kaum realistisch sein dürfte. Nur schon, weil man den direkten Nachbarn, das Schuhhaus Borner, nicht brüskieren möchte. Fischer ist es wichtig, dass ein Laden kommt, welcher der Bevölkerung einen echten Mehrwert liefert. «Mein Ziel ist es letztlich mit diesem Projekt auch, dass das Haus die Lebensqualität der Stadt verbessert», sagt er. «Der neue Ladenmieter muss daher einen Nutzen für den Durchschnittsbürger liefern.» Einen Laden für Haushaltartikel könnte er sich vorstellen. Oder– noch lieber – einen kulinarischen Spezialitätenladen. «Eine Käserei zum Beispiel hätte doch Charme», lächelt er.
Die Räumlichkeiten würden ausserdem ein kleines zweites Lädeli eingangs der Bärengasse zulassen. Der Eigentümer befindet sich mit diversen Interessenten im Gespräch. Denkbar wäre etwa, dass das Briefmarkengeschäft Attias von der Metzgergasse in dieses kleine Lädeli zieht.
Kultur im Keller
Zu den Räumlichkeiten des Dosenbachhauses gehört auch ein uraltes imposantes Kellergewölbe, das per Wendeltreppe betreten werden kann. Auch dieses möchte Fischer künftig . im Sinne der Öffentlichkeit nutzen. «Als ich den Keller das erste Mal gesehen habe, dachte ich gleich, dass dieser prädestiniert für Kulturveranstaltungen in kleinem, gemütlichem Rahmen wäre», berichtet er mit leuchtenden Augen. Eine Zusammenarbeit mit dem Kellertheater zeichnet sich nun ab. «In welchem Rahmen ist aber noch völlig offen.»
Mehrwert für alle
Mit dem 80-Jährigen könnte man stundenlang über sein Bremgarter Gebäude, dessen Geschichte und künftige Nutzungsmöglichkeiten diskutieren. Dass es für ihn eine Herzensangelegenheit ist, nimmt man ihm zu jeder Sekunde ab. Längst hat er ein Vielfaches des Kaufpreises in die Renovation investiert. «Das Dosenbachhaus rentiert sich für mich gewiss nicht», lacht der Bauunternehmer. «Aber es macht mir viel Freude. Und ich hoffe, das tut es in Zukunft auch möglichst vielen Bremgarterinnen und Bremgartern.»
Geschichte
Im Bremgarter Dosenbach-Haus steckt ein bedeutendes Kapitel Schweizer Schuhgeschichte. Hier hat die Geschäftsfrau und 13-fache Mutter Franziska Dosenbach 1865 den ersten Dosenbach-Schuhladen überhaupt eröffnet und damit den Grundstein für ein schweizweit erfolgreiches Firmenimperium gelegt. Das Stadtmuseum Bremgarten widmet der Pionierin momentan eine Wechselausstellung. Künftig soll auch das Gebäude selbst wieder an die faszinierende Frau erinnern. «Ich plane, an der Fassade eine Gedenktafel oder etwas Ähnliches anzubringen», sagt Ernst Fischer.