Am Anfang stand ein Konflikt
19.12.2023 Unterlunkhofen, KelleramtZum Teamplayer geworden
Der Unterlunkhofer Gemeinderat Alec von Tavel gibt sein Amt Ende Jahr ab. Dass er zwölf Jahre lang in diesem Gremium mitwirkte, ist für ihn nicht selbstverständlich. «Ich führte 30 Jahre lang ein Musiklabel und war mir ...
Zum Teamplayer geworden
Der Unterlunkhofer Gemeinderat Alec von Tavel gibt sein Amt Ende Jahr ab. Dass er zwölf Jahre lang in diesem Gremium mitwirkte, ist für ihn nicht selbstverständlich. «Ich führte 30 Jahre lang ein Musiklabel und war mir schnelle, nur durch mich gefällte Entscheide gewohnt. Im Gemeinderat fand ich schliesslich Gefallen am Gesamtgremium. Nur die Abläufe dürften nach wie vor schneller sein.» --rwi
Alec von Tavel verlässt den Gemeinderat Ende Jahr
Zwölf Jahre wirkte Alec von Tavel im Unterlunkhofer Gemeinderat mit. Ende Jahr ist nun Schluss. Der ehemalige «Alleinherrscher» eines Musiklabels hat im Rat Gefallen an der Teamarbeit gefunden.
Roger Wetli
«Ich dachte, jetzt kommt vom Gemeindeammann Roger Cébe der Rauswurf», schmunzelt Alec von Tavel bis heute. Man schrieb das Jahr 2011 und von Tavel hatte als Mitglied der Kulturkommission an einer Sitzung lauten Streit mit dem Ammann vor allen anwesenden Vereinspräsidenten. «Danach verlangte Cébe ein Gespräch unter vier Augen.» Anstelle des erwarteten Rausschmisses kam die Anfrage, ob er nicht als Gemeinderat kandidieren möchte. «Roger Cébe sagte damals, er wolle im Gemeinderat aktives Mitdenken und auch kritische Stimmen. Also keine reinen Kopfnicker.» Zwei bis drei Wochen später war Alec von Tavel klar, dass er kandidieren würde.
Gegen Umzug ins Dorf gewehrt
Von Tavel war in dieser Zeit gerade dabei, sein Musiklabel «Disctrade» aufzulösen. 30 Jahre lang hatte er es geführt, zahlreiche nationale und internationale Grössen wie Metallica, Motörhead, Joe Bonamassa, Frank Zappa oder Toto aufgebaut und dazu bis zehn Mitarbeiter beschäftigt. «Die Branche war um 2010 im Umbruch. Die CD-Verkäufe liessen massiv nach. Es war der richtige Zeitpunkt zum Aufhören», ist von Tavel noch heute überzeugt. Damals zählte er 53 Jahre und ist nie den vielen Verlockungen des Musikgeschäfts erlegen. Dadurch konnte er sich ein finanzielles Polster aufbauen. «1989 wollte meine damalige Lebenspartnerin unbedingt raus aus der Stadt Zürich aufs Land – ich ging nur widerwillig mit. Wir landeten in Unterlunkhofen. Hier lernte ich all diese bodenständigen Menschen kennen und sehr schätzen.»
Grossen Respekt hatte der neue Gemeinderat vor diesem Amt. «Als Unternehmer habe ich alleine entschieden. Oft machte ich Dinge, welche die Mitbewerber zuerst verteufelten und ein paar Jahre später kopierten. Nur wenige Male bin ich auf die Schnauze gefallen. Ich wusste, dass ich diese Risikobereitschaft im Gemeinderat nicht mehr werde ausleben können.» Und dann waren da noch vier weitere Personen, die immer gleichberechtigt mitbestimmten. «Es ist eine ganz andere Erfahrung. Wobei ich mich bis heute ab und zu mit der Schwerfälligkeit des Staatsapparats schwertue.» Als Beispiel nennt er die Kantonsstrasse zwischen Unter- und Oberlunkhofen. «Wir wollten unbedingt, dass da Leitplanken angebracht werden, damit die Autos nicht den Hang herunterfallen und dort in den Häusern landen. An einer Sitzung im Unterlunkhofer Gemeindehaus schlugen uns ein Kantonsbeamter und sein Fachberater die Leitplanken ab. Sie weigerten sich gar, die Situation vor Ort anzuschauen.» Gebaut sei sie schliesslich erst worden, als die Kellerämter Grossräte René Bodmer, Silvan Hilfiker und Christoph Hagenbuch ihre Kontakte spielen liessen.
Einst gegen Tempo 30, dann dieses eingeführt
Unterlunkhofer Strassen begleiteten Alec von Tavel schon lange, bevor er Gemeinderat wurde. «Ich habe ja in meiner Amtszeit Tempo 30 im Oberdorf eingeführt. Dabei setzte ich mich zusammen mit anderen in den 90er-Jahren noch gegen Tempo 30 im Quartier ein», schmunzelt er und zählt gleich handfeste Gründe für den Sinneswandel auf: «Die damaligen Pläne waren sehr ideologisch geprägt und nicht durchdacht. Es waren zum Beispiel Blumenkisten vorgesehen, welche die Unfallgefahr massiv erhöht hätten. Zudem wurde damals in den Quartieren noch anständiger gefahren. Heute braucht es Tempo 30 wegen der Unvernunft der Leute», ist er überzeugt. Das damalige Vorhaben führte zum Einsitz in die Verkehrskommission. Es war sein erstes politisches Amt. Später wurde er Teil der von der Gemeinderätin Claudia Nick eingeführten Kulturkommission.
Als Neuling hatte er von dem ihm anvertrauten Ressort nur wenig Fachwissen. «Da war ich sehr stark auf die Verwaltung angewiesen, die mich hervorragend in die Themen einführte», ist Alec von Tavel dankbar. Fachwissen hatte er aber unter anderem aus seinem Engagement in der Feuerwehr. «Als ich Gemeinderat wurde, wäre es vom Alter her Zeit gewesen, da den Austritt zu geben. Ich bin aber bewusst geblieben und gehe erst auf Ende dieses Jahres.» Er habe beide Seiten sehen wollen. Also diejenige des Gemeinderates und die der Feuerwehr. «Es gab auch keinen Interessenskonflikt. Im Gegenteil: Als aktiver Feuerwehrmann war ich beim Thema im Rat dossierfest und als Gemeinderat in der Feuerwehr konnte ich der Organisation noch besser auf die Finger schauen», ist er überzeugt.
Mit der Drohne unterwegs
Eines seiner liebsten Projekte blieb aber die Kulturkommission. Diese habe bis zur Pandemie sehr gut funktioniert. «Es braucht da jetzt einen Paradigmenwechsel. Bisher waren Vereinsmitglieder nicht willkommen, weil die Kommission nicht vereinsinterne Anlässe unterstützt, sondern solche für die gesamte Bevölkerung.» Neu sollen auch Leute aus den Vereinen Teil der Kulturkommission sein. Dies, weil es die Leute seien, die sich am aktivsten im Dorf engagieren.
Viel Freude bereiteten Alec von Tavel die Gewerbeausstellungen Kega13 in Jonen und Kega18 in Unterlunkhofen. «Alle Kellerämter Dörfer hatten einen gemeinsamen Stand. Als Gemeinden verkaufen wir ja nichts, dafür wollten wir mit den Menschen ins Gespräch kommen. Also haben wir 2013 mit Drohnen gefilmt und 2018 Fotos aus der Luft gemacht, welche wir am Stand zeigten und mit alten Aufnahmen vergleichen liessen.» Von Tavel legte selbst Hand an und schnitt auch das umfangreiche Filmmaterial zusammen. «Bei der Kega13 entstand das etwas kurzfristig. Aber wenn mich etwas überzeugt, muss es rasch umgesetzt werden. Das konnte ich mithilfe von Claudia Hoffmann-Burkart, der damaligen Präsidentin des Kellerämter Gewerbevereins», strahlt er.
Schlechtestes Wahlresultat als Kompliment
Als sehr früh Pensionierter verbringt Alec von Tavel mehrere Monate im Jahr im Ausland. Trotzdem konnte er sein Gemeinderatsamt seriös ausüben. «Wir haben schon bald auf elektronisch verfügbare Dokumente umgestellt. Und ein System, bei dem wir hinter jedem Traktandum Ja, Nein, Diskussion erwünscht und Kommentare hinterlegen können. Das klappt auch aus der Ferne», weiss er. Dass Alec von Tavel Ende dieses Jahr zurücktritt, hat er bereits vor sechs Jahren geplant. Normalerweise schaue er nicht so weit voraus, beteuert er. «Ich möchte damit im Gemeinderat eine Kontinuität gewährleisten. Deshalb gab ich meinen Rücktritt auch bereits in diesem März bekannt.»
Aus dem Gemeinderat nimmt er nun viele schöne Begegnungen, tolle Freundschaften und viel zusätzliche Lebenserfahrung mit. «Dass ich an den letzten Gesamterneuerungswahlen mein schlechtestes Resultat erreicht habe, fasse ich als Kompliment für meine Arbeit auf. Es bedeutet für mich, dass ich mich nie für Einzelinteressen eingesetzt habe und immer das Gesamtwohl im Auge hatte. Es gab einige Gruppierungen und Einzelpersonen mit übertriebenen Forderungen, welche ich abschlagen musste. Dadurch gewann ich nicht nur Freunde», ist er überzeugt und sagt: «Als Gemeinderat gewählt zu werden, gibt einem nicht das Recht, nach eigenem Gusto zu regieren, sondern es verpflichtet den Gewählten, für die Einwohner und im Interesse der Gemeinde zu arbeiten.» Die neue Freizeit wird er für weitere Reisen nutzen und dann immer wieder gerne in sein geliebtes Unterlunkhofen zurückkehren.