Alle sind sich einig: Es wird knapp
17.11.2023 Ringen, SportRingen, Nationalliga A: RS Kriessern – RS Freiamt (Sa, 20 Uhr, Bildstöckli Oberriet) – Gibt es einen Favoriten?
Freiamt gegen Kriessern. Schon wieder. Nach der letztjährigen Halbfinal-Niederlage will es die Ringerstaffel Freiamt jetzt besser machen. ...
Ringen, Nationalliga A: RS Kriessern – RS Freiamt (Sa, 20 Uhr, Bildstöckli Oberriet) – Gibt es einen Favoriten?
Freiamt gegen Kriessern. Schon wieder. Nach der letztjährigen Halbfinal-Niederlage will es die Ringerstaffel Freiamt jetzt besser machen. Jeder Punkt kann entscheidend sein, die Einschätzung der Ringerkenner ist eindeutig: Die Chancen stehen 50 zu 50.
Stefan Sprenger
Hochspannung garantiert. Die Sporthalle Bildstöckli in Oberriet – gleich an der Grenze zu Österreich – wird am Samstag Schauplatz des NLA-Halbfinals zwischen Freiamt und Kriessern. Schon wieder, ist der Ringerfan geneigt zu sagen. Denn in den letzten fünf Jahren duellierten sich diese beiden Teams vier Mal in den Halbfinals. Einzig 2020 ging es für die Freiämter gegen Einsiedeln. Die Bilanz ist ausgeglichen. Zweimal schaffte es die Ringerstaffel Kriessern in den Final, zweimal die Ringerstaffel Freiamt.
Schon im letzten Jahr war es hauchdünn
Und wenn man sich in Ringerkreisen umhört, ist auch das Duell 2023 eine enorm knappe Angelegenheit. «Enge Kiste. 50 zu 50» – das sagt Trainer Michi Bucher. So sieht es auch Marcel Leutert. Der Vater der beiden Ringer Nino und Nils Leutert war bis letzte Saison Trainer der RS Freiamt, ist nach wie vor «öpedie» im Training, wie er sagt. Seine Meinung: «Dass wir den Qualifikationssieg gegen Willisau knapp verpasst haben, war brutal und schade. Einsiedeln wäre der angenehmere Gegner gewesen. Aber es ist jetzt nun mal so, jetzt wird es hart. 50 zu 50.»
Die Vorzeichen sieht er ähnlich wie im letzten Jahr. Damals verlor die RS Freiamt zu Hause mit 14:17. Der 16:15-Erfolg im Rückkampf nützte nichts mehr. Kriessern durfte in den Final (und verlor dort gegen Willisau). Was jetzt anders ist: Freiamts Magomed Ayskhanov darf nach seiner einjährigen Sperre wieder mittun. Ein Vorteil für Freiamt. Marcel Leutert sagt vor dem Halbfinal-Hinkampf am Samstag: «Jeder muss punkten, das ist das Wichtigste. Niederlagen zu null dürfen wir uns nicht erlauben. Jeder Punkt kann entscheidend sein.»
Ludi Küng, Ringer-Olympionike und RS-Freiamt-Legende, zeigt sich optimistisch. «Ich habe ein gutes Gefühl. Wir haben ein starkes Team.» Küng, der ebenfalls ab und zu im Training ist und zudem das Regionalkadertraining manchmal leitet, spricht die beiden Duelle gegen Kriessern während der Qualifikation an. Die RS Freiamt siegte zweimal deutlich. 24:14 auswärts und 23:12 zu Hause. Doch diese Siege sind wenig aussagekräftig.
Kriessern gab erst im letzten Kampf Vollgas
Kriessern konnte und wollte während der Qualifikationsphase nicht alle seine besten Ringer einsetzen. Bis auf den letzten Kampf gegen Einsiedeln – den man als Hauptprobe für den Halbfinal ansehen konnte – ging Kriessern nie mit den besten Ringern ans Werk. Das Verdikt klar: Einsiedeln wurde mit 25:11 aus der Halle gefegt. Wenn die Ostschweizer also alles auffahren, was sie zur Verfügung haben, dann sind sie sackstark.
Der 60-jährige Hugo Dietsche, Olympia-Bronzegewinner 1984, ist früherer Trainer und heutiger Chef Spitzensport bei der Ringerstaffel Kriessern. Der erfahrene Mann sagt: «Es wird eine spannende Geschichte. Alles ist offen.» Es folgt ein verschmitztes Lächeln und der Satz: «Wir sind bereit.» Dietsche weiss, dass Willisau und Freiamt im Halbfinal seinem Team ausweichen wollten, «was irgendwie auch ein Kompliment an uns ist».
Kriessern wählt in diesem Jahr eine andere Taktik als 2022. «Letztes Jahr gaben wir von Anfang an Vollgas, stellten meist die besten Ringer auf.» 2023 ist das anders, Kriessern läuft auf Sparflamme. Auch wegen Verletzungen, beispielsweise von Topathlet Dominik Laritz (der aber wieder fit ist). Anders die Freiämter. Sie fahren meistens mit den bestmöglichen Ringern auf. «Mit den Topathleten voll durchringen ist schwierig. Auch die brauchen mal eine Pause. Welche Taktik am Ende die richtige ist, wird sich zeigen», sagt Dietsche. «Die Freiämter haben ja ein breites und starkes Kader.» Übrigens: Kritik an Trainer Michi Bucher gibt es im Umfeld der RS Freiamt nirgends zu hören. Man schätzt seine akribische Arbeit. Und er sei mit Herz und Blut bei der Sache.
Auch Dietsche sieht die Vorzeichen bei «50 zu 50». Kleine Details werden entscheiden. «Wir wollen zu Hause vorlegen. Nach dem Rückkampf in Muri wird abgerechnet.» Dieser findet am Samstag, 25. November, in der Bachmattenhalle statt. Dann müssen die Freiämter in der Endabrechnung beider Duelle mehr Punkte auf dem Konto haben, um in den Final einzuziehen. Vor dem Kampf am Samstag sagt Dietsche: «Es wird wohl viele Zuschauer geben und eine tolle Stimmung. Ich freue mich auf besten Ringsport.»
Überraschung? «Wer weiss»
Nicola Küng, Präsident der RS Freiamt, spricht nochmals vom letzten Kampf gegen Willisau. Nach famoser erster Halbzeit liessen sich die Freiämter die Butter noch vom Brot nehmen. Statt Sieg gegen Willisau und den Halbfinal gegen Einsiedeln gab es ein 17:17 und nun die weitaus stärkeren Kriesserer. «Gegen Willisau fehlte vielleicht der allerletzte Zacken. Einige dachten wohl: ‹Der Nächste richtets dann schon.› Doch das ist nicht passiert.» Man müsse aber auch anerkennen, dass der amtierende Meister aus Willisau auch «drei Granaten in den letzten drei Kämpfen zur Verfügung hatte». Auch Küng sieht die Chancen bei 50 zu 50. «Jedes Detail wird entscheiden. Es gibt keinen Spielraum für Schwächen. Ich bin positiv gestimmt, dass wir wenig Fehler machen und am Ende gewinnen.» Die Aufstellung ist wie immer ein gut gehütetes Geheimnis. Haben die Freiämter noch eine Überraschung in der Hinterhand? Küng sagt viel- und gleichzeitig nichtssagend: «Vielleicht. Wer weiss.»
Weder Freiamt noch Kriessern lehnt sich aus dem Fenster. Niemand will Favorit sein. Deshalb ist vielleicht die Aussenansicht eines Experten spannend. Der Willisauer Olympionike Stifi Reichmuth (aktuell verletzt) sagt: «Es wird hochspannend. Kriessern ist in Vollbesetzung.» Seine Meinung: «Ich tendiere auf die RS Freiamt. Sie haben den grösseren Biss, es ins Final zu schaffen.»
Zum Sieg brüllen
Die Fans der Ringerstaffel Freiamt geben neben der Matte Vollgas – natürlich auch am Samstag an der Grenze zu Österreich
Aus Mathias Meier wird kein NLA-Ringer mehr. Aber der 21-Jährige aus Abtwil schreit sich bei den Kämpfen jeweils die Seele aus dem Leib und sorgt mit weiteren Fans dafür, dass die RS Freiamt auch neben der Matte meisterwürdig ist.
900 Fans in der BBZ-Halle in Willisau. Die Stimmung richtig gut. Der letzte Qualifikationskampf zwischen den Willisauern und den Freiämtern war ein erster Stimmungsmacher für die bevorstehenden Halbfinals und Finals.
«Es ist so ein geiler Verein»
Auffällig: Auch wenn die Halle fest in den Händen der einheimischen Willisauer war, so ist die Gruppe mit den roten Shirts und dem gelb-blauen Logo lauter als alle anderen. Am Megafon heizt Philipp Lüscher ein, im Hintergrund schreien Frauen lautstark «RS Freiamt» und vorne an der Trommel haut Mathias Meier ordentlich aufs Brett.
Der 21-Jährige aus Abtwil ist der Kopf der Fanszene der RS Freiamt. Im letzten Jahr haben sie sich neu formiert und diskutiert, wie man an den Kämpfen die Ringerstaffel unterstützen kann. «Es ist so ein geiler Verein, da muss der Support von aussen auch stimmen», sagt Meier, von Beruf Automatikmonteur. Er selbst kam als 10-Jähriger zur RS Freiamt. Unter anderem auch, weil ihn die Stimmung an den Heimkämpfen in den Bann gezogen hat. Seine Ringerkarriere ist geprägt von Verletzungen. Weil er sich die Hüfte auskugelt, ist er nicht mehr aktiv auf der Matte. Im Kraftraum im Training in Aristau ist er aber öfters. «Damit ich fit bleibe und meine Kollegen sehe», sagt er.
Auch wenn er einen Schlussstrich unter seine Karriere setzen musste und kein NLA-Ringer mehr wird, so bleibt er dem Verein treu. Die Fans kommen seit dieser Saison professioneller daher. Sie haben die Fan-Shirts wieder hervorgekrempelt, organisieren eigenständig die Anfahrten und weitere Anlässe und Aktionen. «In der Vorrunde kamen mal mehr und mal weniger Leute. Jetzt in den Halbfinals und Finals können wir aber viel mehr mobilisieren», sagt er. Auswärts beim 17:17 am letzten Samstag in Willisau klappte das schon prima. Mit zwei Bussen ist man angereist. Am Samstag beim Halbfinal-Hinkampf auswärts in Kriessern werden es noch mehr sein. «Wir wollen auch neben der Matte top sein», sagt Mathias Meier.
«Riesiges Dankeschön»
Die Ringer selbst schätzen den Einsatz ihrer Fans. Es ist auffällig, wie oft und ausführlich sie sich bedanken. Ob persönlich oder öffentlich. Randy Vock sagte nach dem letzten Duell gegen Willisau: «Ein riesiges Dankeschön an unsere Fans. Sie waren top.» Auch Trainer Michael Bucher erwähnt die RS-Freiamt-Fans immer wieder positiv. Es wird also sehr geschätzt, dass sie den Verein supporten.
Vor dem Duell gegen Kriessern sagt Mathias Meier, inoffizieller Präsident des RS-Freiamt-Fanklubs: «Das wird eine knappe Sache. Aber ich glaube an unser Team. Ich glaube fest, dass wir es in den Final schaffen und um den Titel ringen können.» Dazu benötigt es einen «Tick mehr als gegen Willisau und das nötige Glück». Und natürlich laute Fans. «Dafür werden wir schon sorgen», sagt Meier. --spr