Die Komfortzone verlassen
02.07.2019 Beinwil/FreiamtDiplom- und Maturfeier der kaufmännischen Abteilung des bbz freiamt im Casino
Es war ein Freudentag durch und durch. «Alle Absolventen haben die Prüfungen bestanden», konnte Rektor Philipp Elsener verkünden. Festredner Manuel Meier ermunterte die ...
Diplom- und Maturfeier der kaufmännischen Abteilung des bbz freiamt im Casino
Es war ein Freudentag durch und durch. «Alle Absolventen haben die Prüfungen bestanden», konnte Rektor Philipp Elsener verkünden. Festredner Manuel Meier ermunterte die Schüler und Schülerinnen, im Leben auch Risiken einzugehen.
Chregi Hansen
Den KV-Abschluss und teilweise die Matur im Sack. Und nun? «Ihr habt eine wertvolle Ausbildung hinter euch. Und viele denken wohl bereits jetzt an die nächsten Schritte: Geld verdienen. Weiterbildungen machen. Familie gründen», erklärte Manuel Meier an der Feier. Denn der Schweizer, so seine Erfahrung, lege viel Wert auf Sicherheit.
Er selber wählte einen anderen Weg. Der Student der Elektrotechnik an der ETH sucht als Outdoor-Sportler immer wieder neue Herausforderungen und Abenteuer. Letztes Jahr hat er zusammen mit Lukas Mathis sein bisher grösstes Abenteuer erlebt und die Brooks Traverse gemeistert. Die 1900 Kilometer lange Durchquerung Alaskas zu Fuss und mit Kanu, von der kanadischen Grenze bis zur Beringstrasse, rund 200 Kilometer nördlich des Polarkreises. «Es gab Nächte, da hatten wir minus 6 Grad Celsius – im Zelt», erzählte er an der Schlussfeier des bbz.
Allen Gefahren getrotzt
Pure Wildnis wartete auf die beiden Schweizer. «In einem Gebiet, das sechsmal grösser ist als die Schweiz, leben gerade mal 700 Einwohner», berichtete Meier. Das Abenteuer war nicht ungefährlich, neben Wetterkapriolen und grosser Kälte besteht auch das Risiko, auf Grizzlys und andere Raubtiere zu treffen. Das Essen musste genau eingeteilt werden, nur an wenigen Punkten konnten die beiden die Vorräte auffüllen. 59 Tage brauchten sie für die Strecke. 59 Tage in fast völliger Einsamkeit.
Es muss ja nicht gleich eine solche Mammut-Tour sein für die austretenden KV-Schüler und -Schülerinnen. Und doch ermutigte Meier die Zuhö- rer, ihre Komfortzone zu verlassen und Neues zu wagen. «Noch habt ihr keine Verpflichtungen, noch könnt ihr etwas riskieren», so der Extremsportler in seiner Ansprache. Wer nur immer dem vorgegebenen Weg folge, der verpasse viel, ist der Aargauer überzeugt. «Wartet damit nicht bis zur Midlife-Crisies, jetzt ist der richtige Moment.» Beispielsweise, um zu reisen, sich kulturell zu betätigen oder sonst Neues zu wagen.
Freiheiten geben und nehmen
Den Eltern legte Meier ans Herz, solchen Projekten nicht im Weg zu stehen. «Auch meine Eltern hatten zwischendurch Angst. Zum Beispiel, als ich auf einer Tour im Himalaja zehn Tage keinen Empfang mehr hatte», berichtete er. Und trotzdem müssten die Eltern ihren Kindern nun Freiheiten geben. «Denn man bereut nur Dinge, die man nie ausprobiert hat.» Dass sich die Suche nach dem besonderen Kick durchaus mit einem Studium vereinen lässt, dafür ist Meier das beste Beispiel. Hat er doch die direkte Aufnahmeprüfung für die ETH bestanden. «Alle fanden, das klappe nie. Das hat mich besonders angespornt», sagte er.
Kantonale Spitze
Vorerst aber ging es für die Wohler KV-Absolventen ans Feiern. 36 von ihnen haben die Matur geschafft, 74 das Fähigkeitszeugnis erhalten. Sechs von ihnen schlossen im eidgenössischen Rang ab, kamen also auf eine Note von 5,3 und höher. «Ihr könnt stolz auf euch sein», sagte Rektor Philipp Elsener. Aber stolz dürfen auch der Berufsausbildner und die Eltern sein, die ebenfalls einen wichtigen Beitrag leisten. Stolz ist aber auch das bbz selber – zum achten mal in Folge belegt die Schule im kantonalen Vergleich den Spitzenplatz. «Und das je nach Fach sogar mit beträchtlichem Vorsprung», so Elsener weiter.
Die drei Jahre Ausbildung, sie seien nicht einfach. Weder für die Schüler und Schülerinnen noch für die Lehrkräfte. «Aber wenn man sieht, was in den drei Jahren passiert, dann macht das einfach Freude und gibt Motivation und Energie für die Zukunft», sagte der Rektor. Eine Zukunft, in der das bbz zwar die gewerbliche Abteilung verliert, dafür zum Kompetenzzentrum für das KV ausgebaut wird. Auch die Schule selber verlässt also bald ihre Komfortzone und muss sich auf Neues einlassen. Wenn auch nicht in der gefährlichen Wildnis Alaskas, sondern nur in der unberechenbaren Bildungslandschaft des Kantons.




