«Erinnerungen neu erfinden»
09.02.2024 BremgartenZweiter Anlauf mit «Macbeth»
Das Kellertheater Bremgarten nimmt am 17. Februar seine 58. Spielzeit in Angriff
Die Eigeninszenierung widmet sich dieses Jahr der berühmten Shakespeare-Tragödie «Macbeth» – wie ...
Zweiter Anlauf mit «Macbeth»
Das Kellertheater Bremgarten nimmt am 17. Februar seine 58. Spielzeit in Angriff
Die Eigeninszenierung widmet sich dieses Jahr der berühmten Shakespeare-Tragödie «Macbeth» – wie bereits vor vier Jahren, als Corona den Verantwortlichen einen Strich durch die Rechnung machte.
Marco Huwyler
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Dies dachten sich die Verantwortlichen des Bremgarter Kellertheaters schon vor vier Jahren. Als man die Spielzeit der Eigeninszenierung von «Macbeth» pandemiebedingt absagte und der Bundesrat kurz darauf die ersten einschneidenden Kontaktmassnahmen verordnete. Das Theaterspielen wurde einstweilen ein Ding der Unmöglichkeit. «Wir hatten damals aber die Vorstellung, dass wir Verpasstes stattdessen einfach im Herbst nachholen können», lächelt Regisseur Simon Ledermann. Doch die Pandemie sollte das Land noch viel länger im Würgegriff halten. Und so sind mittlerweile vier Jahre ins Land gezogen, bis man einen neuen Versuch mit «Macbeth» wagt.
«Kuscheln auf der Bühne»
Freilich hätte man als Aussenstehender vermuten können, das Kellertheater habe jenes Projekt ad acta gelegt. Wurden doch 2022 und 2023, als das Theaterspielen wieder möglich wurde, ganz andere Stücke inszeniert. Doch die Verantwortlichen hatten die Tragödie von Shakespeare nie aus den Augen verloren. «Uns war immer klar, dass wir einen zweiten Anlauf wagen wollten», sagt Co-Regisseur Martin Indlekofer. Bloss habe sich «Macbeth» für den zaghaften Wiedereinstieg in die Übergangszeit in die Normalität von Post-Corona-Massnahmen nicht geeignet. «‹Macbeth› ist immer auch ganz viel Kuscheln auf der Bühne», lacht Ledermann. «Kontaktbeschränkung und derlei ist in diesem Stück unmöglich.» So ist einige Zeit ins Land gezogen, bis man sich nun sicher genug fühlte, um einen neuen Anlauf zu nehmen. Einen Anlauf freilich, der weit mehr sein soll als eine blosse Wiederkäuung von 2020.
«Macbeth» im Kellertheater: Premiere der diesjährigen Eigeninszenierung am 17. Februar
2024 schickt sich das Kellertheater an, Verpasstes nachzuholen. Vor vier Jahren hatte die Bremgarter Version des weltberühmten Theaterstücks von William Shakespeare nach wenigen Vorstellungen coronabedingt abgesagt werden müssen. Die Version von 2024 soll aber weit mehr als ein Abklatsch von damals werden.
Marco Huwyler
Damals vor vier Jahren haben sich die Verantwortlichen schon gefragt, ob sie vielleicht nicht doch etwas abergläubisch hätten sein sollen. Auf «Macbeth» laste ein Fluch, sagen sie in Grossbritannien seit Hunderten von Jahren. Deshalb solle man es im Vorfeld einer Aufführung tunlichst unterlassen, das Stück beim Namen zu nennen. Als «Scottish Play» bezeichnen sie Shakespeares Tragödie deshalb vor der Premiere jeweils lediglich. Doch in Bremgarten scherte man sich keinen Deut um derlei und pries das bevorstehende Theaterhighlight bereits Wochen im Voraus vollmundig an.
Die Quittung folgte auf dem Fuss und der Fluch traf das Kellertheater mit voller Wucht. Nach nur fünf Vorstellungen musste man den Rest der Eigeninszenierungssaison am Freitag dem 13. (Februar 2020) komplett absagen. Das ominöse Coronavirus hatte die Welt und damit auch Bremgarten heimgesucht. Theaterspielen wurde auf Monate hin ein Ding der Unmöglichkeit. An eine Wiederaufnahme war nicht zu denken. Und als dies nach fast zweijährigem Unterbruch wieder möglich wurde, widmete man sich in Bremgarten erst einmal anderen Projekten.
Altenglisch wie Schweizerdeutsch
Dieses Jahr nun wagen die Verantwortlichen um Regisseur Simon Ledermann einen neuen Anlauf. 2024 soll Angefangenes beendet werden und die Bremgarter Eigeninszenierung des Weltstücks jene Resonanz und Reichweite erhalten, die sie verdient. Wort für Wort hatte Ledermann nämlich das Original aus dem Altenglischen ins Schweizerdeutsche übersetzt und auf die Bremgarter Verhältnisse adaptiert. Eine Riesenarbeit – «aber auch ein grosses Vergnügen», sagt Ledermann. Er sei immer wieder fasziniert gewesen, wie ähnlich das Altenglische zuweilen unserer Mundart sei. Viel ähnlicher als das heutige Englisch. «Und dann gibts wieder Sätze, da versteht man auf den ersten Blick kein Wort», lacht der Regisseur.
Eine Besonderheit der Bremgarter Version von «Macbeth» ist die Rolle des Erzählers, die Ledermann ins Stück eingeflochten hat. Sozusagen als Trick. «Er gibt uns die Möglichkeit, diese alte Welt zu erklären, wo wir dies als nötig erachten», sagt er. Kompliziertes und Ausschweifendes könne so auch einmal abgekürzt und vereinfacht werden. Und nicht zuletzt dient der Erzähler dem Stück auch als Gesprächspartner für die einzelnen Figuren. «Ein genialer Kniff und eine geniale Rolle», findet Kellertheater-Vorstandsmitglied Silvan Melchior.
Trügerische Sicherheit
Im Vergleich zu vor vier Jahren hat sich auf den ersten Blick nur wenig geändert. Bei den Schauspielern gab es drei Wechsel und auch die Besetzung von «Lady Macbeth» – einer Hauptrolle – ist neu. Der Rest des Ensembles war 2020 bereits einmal so weit, das Stück nach monatelangen Proben vor Publikum aufzuführen. «Deshalb dachten wir uns im Vorfeld schon: Cool, ein Grossteil der Abläufe ist schon verinnerlicht. Dieses Jahr wird es etwas entspannter», lächelt Ledermann. Ein Stück weit eine trügerische Sicherheit, wie sich weisen sollte. Denn: «Gewisses hatte sich tatsächlich tief eingebrannt und war sofort wieder da. Anderes fühlte sich dagegen an, als wäre es ganz neu.» Dutzende Male fragte man sich etwa, weshalb gewisse Lichteinstellungen, Einsätze und Details damals so festgelegt worden waren, bis dann der Aha-Effekt einsetzte. Wobei man Zahlreiches auch anders zu interpretieren und umzusetzen begann als damals. «Es war ein bisschen wie ein Sich-Erinnern. Und dann die Erinnerungen neu erfinden», beschreibt es Ledermann.
Herausgekommen ist eine Interpretation, die nochmals tiefgründiger und intensiver ist als die Version von vor vier Jahren. «Ich wehre mich deshalb auch ein wenig gegen die Bezeichnung ‹Wiederaufnahme›», sagt Co-Regisseur Martin Indlekofer. «Eigentlich ist es vielmehr eine Adaption mit eigenem, neuem Charakter – auch wenn natürlich vieles ähnlich blieb.» Nicht zuletzt ist auch die musikalische Umrahmung unter dem musikalischen Leiter Michael Wernli eine andere mit grösstenteils neuer Besetzung. Ein nicht zu unterschätzender Teil des Theatererlebnisses, der für die richtige Atmosphäre sorgt. Die Verantwortlichen legen einen Besuch des Kellertheaters in den kommenden Wochen deshalb jedem ans Herz, der Theater mag. Unabhängig davon, ob er oder sie bereits zu den wenigen Glücklichen gehörte, die bereits 2020 eine Bremgarter Version des Shakespeare-Meisterwerks bestaunen konnten.
Menschen bleiben Menschen
Zumal «Macbeth» zwar uralt ist und den Menschen doch bis heute so nah geblieben ist. «Wir sind nicht gross anders als die Leute im 16. Jahrhundert, das hat mir die Auseinandersetzung mit diesem Stück wieder einmal eindrücklich vor Augen geführt», sagt Ledermann. Die psychischen Vorgänge angesichts von Versuchungen und Herausforderungen. Die menschlichen Stärken und Schwächen. Der Humor. Alles sei schon zu Shakespeares Zeiten – und jenen noch weiter in der Vergangenheit, wo «Macbeth» spielt – sehr ähnlich zu unseren Empfindungen heute gewesen. «Wir würden uns mit den Menschen von damals verstehen und ihre Probleme nachfühlen können», ist der Bremgarter Regisseur überzeugt.
Heute wie damals glaubte man in gewissen Theaterkreisen an Flüche – wenn auch nicht überall. In Bremgarten nämlich gibt man sich unverbesserlich. «Macbeth» wird auch 2024 gross angekündigt. Der Flyer hat dieses Jahr gar Übergrösse. Das Stück soll namentlich mit extra grossen Buchstaben angepriesen werden, so scheint es. «Wir wollen es mit dem Fluch aufnehmen», lacht Ledermann. Bleibt zu hoffen, dass sich so viel Übermut nicht rächt. Die Vorzeichen indes stehen schon mal nicht schlecht. Ein Freitag der 13. steht bis zum Ende der Spielzeit in gut eineinhalb Monaten keiner mehr an.
«Macbeth» wird vom 17. Februar bis 23. März 14 Mal aufgeführt. Tickets und Infos unter: www.kellertheater-bremgarten.ch.
Darum gehts
Die Tragödie Shakespeares spielt im schottischen Mittelalter. Der erfolgreiche Feldherr Macbeth wird von drei Hexen heimgesucht, die ihm seine Prophezeiung verraten. Sie versprechen Macbeth nicht nur, dass er bald Lehnsherr sein werde, sondern später auch König. Als sich der erste Teil der Prophezeiung erfüllt, der zweite jedoch zunehmend unwahrscheinlich anmutet, wird Macbeth – zusätzlich angestachelt von seiner Frau – ungeduldig und beschliesst, dem Schicksal nachzuhelfen. So nimmt das Böse seinen Lauf. --huy