30 Mal Gänsehaut

  11.08.2023 Region Bremgarten, Eggenwil

Verliebt in die Street Parade

Der Eggenwiler Nino Taglialatela ist zum 30. Mal mit eigenem Lovemobile an der Street Parade

Die Musik ist sein Leben. Und die Street Parade jedes Jahr ein Highlight. Morgen steigt die Mega-Party wieder in Zürich.

Stefan Sprenger

30 Lovemobiles, acht Bühnen, 200 Künstler und bis zu einer Million Besucher. Die Street Parade rund um das Zürcher Seebecken wird morgen Samstag wiederum die grösste Technoparty der Welt sein.

Mit dabei ist Nino Taglialatela aus Eggenwil. Er ist in der Musikszene bekannt als DJ Tito Torres. «Das wird wieder gigantisch. Ich habe schon Hühnerhaut, wenn ich nur schon daran denke», sagt der 55-Jährige. Schon bei der ersten Ausgabe 1992 war er dabei. Damals gab es etwas mehr als 1000 Besucher und siea ben Lovemobiles. Heute sind es grösstenteils riesige, über 30 Meter lange, umgebaute Lastwagen, auf denen über 200 Menschen tanzen. Jedes Lovemobile fährt durch die Menge und bringt das Partyvolk mit der Musik zum Feiern. Damals, 1992, hat Taglialatela einfach die Türen seines Vans geöffnet, zwei Boxen reingestellt «und los gings», sagt er lachend.

Der Wandel der Street Parade – von einer kleinen Demonstration für Liebe bis hin zu einem der grössten Musikfestivals der Welt – hat der Freiämter hautnah mitgekriegt und auch mitgeprägt. Er ist der Einzige, der an jeder Ausgabe mit eigenem Lovemobile dabei war. Nino Taglialatela erzählt seine einzigartige Geschichte.


Der Eggenwiler Nino Taglialatela (alias Tito Torres) ist zum 30. Mal an der Street Parade mit einem Lovemobile dabei

Morgen Samstag steigt die Megaparty mit rund einer Million Menschen in Zürich zum 30. Mal. Nino Taglialatela ist dabei der Einzige, der in jeder Ausgabe mit einem eigenen Lovemobile die Menschen zum Tanzen brachte. Auch sonst ist der 55-Jährige aus Eggenwil ein musikalisches Unikat.

Stefan Sprenger

5. September 1992. Sieben Lovemobiles (!) bringen rund 1000 Menschen in Zürich zum Tanzen. Die erste Street Parade ist eine Demo für Liebe, Frieden, Freiheit und Toleranz. Mit dabei ist Nino Taglialatela. Auch er hat ein Lovemobile. Wenn er zurückdenkt, muss er laut lachen. «Damals haben wir die Türen eines Vans offen gelassen, Boxen reingestellt und die Musik laufen lassen.» Morgen Samstag – am 30-Jahr-Jubiläum der Street Parade – ist das ganz anders. Rund eine Million Menschen kommen jährlich an die grösste Technoparty der Welt. 30 Lovemobiles, 200 Künstler, zahlreiche Afterpartys, acht Bühnen, Extrazüge der SBB – und so weiter. «Gigantisch, wie sich das entwickelt hat», sagt der Freiämter.

Wohler Zanzibar auch an der Street Parade

Und natürlich wird auch er morgen Samstag wieder mit einem Lovemobile dabei sein. 220 Leute haben auf dem 35 Meter langen Lastwagen Platz. Dekoriert, mit einer 70 000-Watt-Soundanlage für die perfekte Musik – und dazu vorne und hinten je eine Bar. Für die richtigen Getränke wird die Wohler Zanzibar verantwortlich sein. Inhaber Adriano Iannone und Nino Taglialatela kennen sich schon lange. «Die Zanzibar ist legendär», meint der Musiker. Iannone hatte viel Aufwand für den Bar-Auftritt auf dem Lovemobile (das übrigens auch «The Lovemobile» heisst). Personal, Getränke, Material – alles musste organisiert werden. «Das ist nicht ohne», sagt Iannone. «Aber es ist eine riesige Ehre, dabei zu sein», sagt der Wohler.

Als 12-Jähriger Kassetten verkauft

Wieso kam es dazu, dass dieser Nino Taglialatela seit 30 Jahren mit einem Lovemobile an die Street Parade geht? Dieser Mann mit lockig-grauem Haar wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Sympathisch, wortgewandt. Beim Gespräch wird schnell klar: Dieser Taglialatela ist eine riesige Nummer im Musikbusiness.

Aufgewachsen ist er in Bad Zurzach. Die Liebe zur Musik kommt schnell zum Vorschein. Als 12-Jähriger nimmt er in Italien im Radio verschiedene Songs auf, mixt diese zusammen und nimmt Kassetten auf – und verkauft diese an Kumpels. Mit dem Geld kauft er sich Platten. Nino Taglialatela wirkt im Jugendhaus in seiner Heimat mit – und legt auf. Schon als 12-Jähriger wusste er: «Ich will DJ werden.» Aus Rimini bringt er jeweils seltene Platten mit in die Schweiz – und verkauft diese wieder. 1991 eröffnet er seinen ersten Plattenladen in Dietikon. Später hat er insgesamt sieben Shops unter dem Namen «DJ Beat Imports» – einen davon in Ibiza.

David Guetta war sein Kunde

Der Vater von Nino Taglialatela kommt aus Italien, die Mutter aus der Westschweiz. Giuseppe Taglialatela – der einst bei Napoli im Tor stand und mit Diego Maradona zusammenspielte – ist mit ihm verwandt. Doch er selbst hat mit Fussball wenig am Hut. Die Musik ist das, was er will. «Schon immer», sagt er. Seine DJ-Karriere startete früh. Seine Plattenläden – wo auch der berühmte David Guetta zu den Kunden zählte – bringen ihm viele Kontakte und Möglichkeiten ein. Wenn die grössten DJs dieser Welt in der Schweiz einen Auftritt hatten und in Kloten landeten, sind sie zuerst in seinen Plattenladen gefahren, um sich die neuste Musik zu holen.

In die Charts geschafft

Als DJ nennt er sich erst «Placid Angel», seit 2005 ist er bekannt als «Tito Torres». Und der Name Tito Torres ist den Liebhabern der elektronischen Musik viel eher ein Begriff als Nino Taglialatela. Buenos Aires, Amsterdam, Miami, Dubai, Ibiza. Er legte in den angesehensten Clubs dieses Planeten auf. Dort teilte er das Mischpult mit Weltstars wie Armand van Helden, Fedde Le Grand oder David Guetta. Er brachte auf seinem Label «DJ Beat Records» über 300Mix-Compilations heraus, arbeitete mit Musiklabels wie «Sony», «EMI» oder «Virgin Music» zusammen, produzierte Remixes für Künstler wie «Right Said Fred» oder Gloria Gaynor. Mit dem Song «So many whys» schaffte er es vor rund 15Jahren sogar auf Platz 2 der Schweizer Dance-Charts.

Wieso Eggenwil?

Er ist ein kleiner DJ-Star aus Eggenwil. Seit 12Jahren lebt er mit seiner Freundin dort. Wieso eigentlich? «Als DJ war ich oft in grossen Städten unterwegs. Als Mensch schätze ich aber die Ruhe und das Land. Ich jogge gerne an der Reuss, ich mag Bremgarten. Es ist einfach schön hier», sagt er.

Als DJ war er eine Nummer. Ein Weltstar wurde er aber nicht. «Ich war stets mein eigener Manager. Das war damals schon eine Seltenheit und wäre in der heutigen Musiklandschaft undenkbar.» An den Plattentellern ist er nur noch selten. «Man wird älter», sagt der 55-Jährige lachend. Etwas weniger DJ Tito Torres, etwas mehr Mensch Nino Taglialatela. Die Street Parade lässt er sich aber nicht entgehen. «Meine Freundin sagt immer: ‹Nächstes Jahr ist das letzte Mal.› Aber die Street Parade ist für mich so ein riesiges Highlight. Jedes Mal Gänsehaut, den ganzen Tag. Unglaublich.» Was ihm gefällt: die Menschen zum Tanzen zu bringen. «Wenn man Musik macht und Tausende dazu feiern und abgehen, dann ist das ein unbeschreiblich tolles Gefühl.»

Lovemobile kostet 40 000 Franken

So wird es auch morgen Samstag sein. Am 30-Jahr-Jubiläum der Street Parade ist er zum 30. Mal mit einem eigenen Lovemobile dabei. Das kann sonst niemand von sich behaupten. Wenn er zurückdenkt an die letzten 30Jahre dieser gigantischen Technoparty, sagt er: «Es wurde immer grösser. Es kamen immer mehr Menschen.» 1992 kannte er den Gründer Marek André Krynski aus der Zürcher Technoszene – und war deshalb dabei. Später durften jeweils seine Kunden des Plattenladens auf dem Wagen mittanzen. Finanziert hat er das Lovemobile über sein Geschäft. Früher kein Problem. Doch auch da wurde immer alles teurer und komplizierter (was die Auflagen betrifft). Der Wagen an der Street Parade kostet ihn 40 000 Franken, den monatelangen Arbeitsaufwand rechnet er gar nicht erst ein. «Aber es lohnt sich», sagt er. Nicht finanziell, da schreibt er wie immer eine schwarze Null – aber für seine Musikseele.

«Es fühlt sich nicht wie Arbeit an»

Er verdient nach wie vor seinen Lebensunterhalt mit der Musik. «Doch es fühlt sich nie wie Arbeit an, weil Musik mein Leben ist.» Die Zeiten, wo er Kassetten, Platten oder CDs verkaufte, sind vorbei. Die Musikindustrie hat sich in den letzten drei Jahrzehnten enorm gewandelt. Nino Taglialatela ging mit der Zeit. Er ist heute Inhaber von «music-worx.com». Einer digitalen Plattform für DJ-Streaming, Musikdownload und Promotion in der Musikbranche.

Die Street Parade ist für ihn auch eine Reise in die Vergangenheit. Nino Taglialatela war 1991 der Erste in der Schweiz, der Technomusik verkauft hat. Der Einzige, der von Anfang an mit einem Lovemobile an der Street Parade dabei ist. «Schon krass, wie die Zeit fliegt», meint er. Seine Freundin fragte auch jetzt, ob nächstes Jahr das letzte Mal ist, dass er an der Street Parade mit eigenem Lovemobile dabei sein wird. Nino Taglialatela sagt: «Ich mache das wohl, bis es nicht mehr geht.» Denn er will die Menschen zum Feiern und Tanzen bringen.


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