Das Versteckspiel hat ein Ende
09.06.2023 BremgartenMusik hilft gegen Dämonen
Laura Andracchio startet als Aura Davis mit ihrer Musik durch
In Widen aufgewachsen, heute in Hermetschwil zu Hause und auf den Bühnen Europas unterwegs: Für die 34-jährige Laura Andracchio läufts im ...
Musik hilft gegen Dämonen
Laura Andracchio startet als Aura Davis mit ihrer Musik durch
In Widen aufgewachsen, heute in Hermetschwil zu Hause und auf den Bühnen Europas unterwegs: Für die 34-jährige Laura Andracchio läufts im Moment gut. Ihre neue Single «Hearts Don’t Bend» ist auf dem Markt und bald folgt ihr Debütalbum.
Sabrina Salm
Mit Künstlern wie dem ehemaligen One-Direction-Mitglied Liam Payne, der Norwegerin Sigrid, dem amerikanischen DJ Skrillex oder der Grammy-Gewinnerin Olivia Rodrigo haben die Produzenten der JBJ Recording Studios in London schon zusammengearbeitet. Von ihrem Wissen durfte jetzt auch die Freiämterin Laura Andracchio alias Aura Davis profitieren. Denn die Briten haben ihr Debütalbum, das in Kürze erscheint, produziert. «Es war eine riesige Ehre für mich», strahlt die Singer-Songwriterin. Vor zwei Wochen ist ihre erste Single «Hearts Don’t Bend» erschienen. «Bereits die Single ist so viel mehr, als ich mir je zu träumen wagte. Ich freue mich sehr auf das Album.»
Ihr Lebensweg war nicht einfach. Sie hatte mit Depressionen zu kämpfen. Der Moment, als ihr klar wurde, dass sie ihre Stimme nutzen konnte, um ihre eigene Geschichte zu schreiben, veränderte alles. «Ich habe gelernt, mit meinen inneren Dämonen auf eine gesunde Art und Weise umzugehen. Das Songschreiben und die Musik helfen mir dabei, diese zu bändigen», schmunzelt sie. Lange hat sie sich vor ihrem Wunsch, Musik zu machen, versteckt. Doch nun hat das Versteckspiel definitiv ein Ende.
Das Debütalbum der Singer-Songwriterin Aura Davis erscheint in Kürze
Lange traute sich Laura Andracchio alias Aura Davis nicht, Musik zu machen. Hat es sich selber nicht erlaubt. Das gehört nun der Vergangenheit an. Ihre Musik beschreibt die in Hermetschwil wohnhafte Musikerin als eine Mischung aus Rock ’n’ Roll meets Nashville.
Sabrina Salm
Schnurrend und laut miauend schmiegt sich der Kater um Laura Andracchios Beine. «Unsere Katzen geniessen es, wenn wir einmal zu Hause sind», lacht die Musikerin, die sich den Künstlernamen Aura Davis gab. In letzter Zeit sind sie und ihr Freund, der gebürtige Wohler Berufsmusiker und Techniker Pascal von Allmen, viel unterwegs. Sie tingeln zwischen London und der Schweiz hin und her. «Das Album ist bald fertig. Wie immer liegt der Teufel noch im Detail», verrät die 34-Jährige.
Vor gut einem Jahr ist sie mit ihrem Londoner Produzententeam zusammengekommen. Kennengelernt haben sie sich über den Musikinvestor Charlie Freeman. «Er hat mich auf Instagram angesprochen und gemeint, er sieht in mir als Künstlerin viel Potenzial», erzählt Andracchio und lacht. «Für mich war das anfangs total unglaubwürdig. Doch als er mich nach London einlud, dachte ich mir: No Risk, no Fun.» Mit ihrer Akustikgitarre im Gepäck reiste sie zusammen mit ihrem Freund nach England. «Zwischen Charlie Freeman, dem Produzenten Jamie Brown und mir hat es sofort gematcht», meint sie mit einem breiten Grinsen.
Zusammenarbeit mit Profis
Das Projekt Albumaufnahme war geboren. In den JBJ Recording Studios entsteht ein modernes Americana-Rock-Album mit 12 Songs. «Dass ein Team, welches sich mit A-List-Musikern wie der Grammy-Gewinnerin Olivia Rodrigo oder dem ehemaligen One-Direction-Mitglied Liam Payne beschäftigt, mit mir zusammenarbeitet, ist für mich als Musikerin so viel mehr als nur Glück.» Ihre erste Single «Hearts Don’t Bend» aus dem kommenden Album ist vor zwei Wochen erschienen. Und erfreut sich auf den Streamingplattformen grosser Beliebtheit. Wie ihre vorherigen Singles, die sie in den letzten drei Jahren in Eigenregie produzierte und veröffentlichte. Bis heute wurden sie über 250 000 Mal gestreamt.
Musik ist ihr Ventil
Der Schritt, ihre Leidenschaft mit der Öffentlichkeit zu teilen, war für sie riesig. «Eigentlich habe ich bereits mit vier Jahren gewusst, dass ich Musik machen will», erzählt sie. «Doch ich habe immer gedacht: Ich kann das nicht.» Diese Gefühle von «nicht können», «nicht gut genug zu sein» haben sich dann in den Jugendjahren verstärkt. Mit 15 Jahren zog sie aus dem Elternhaus in Widen aus. Das zwang sie dazu, früh erwachsen zu werden. «Ich liess niemanden hinter meine Fassade blicken. Ich gab mich taff und selbstbewusst. Doch innerlich sah es in mir ganz anders aus.» Unsicher und von Selbstzweifeln geplagt sei sie gewesen. Mit ihrer inneren Zerrissenheit wurde sie irgendwann nicht mehr alleine fertig. Sie begab sich in eine Klinik. «Danach habe ich mich sehr lange mit mir selber beschäftigt.» Erstmals nahm sie da eine Gitarre in die Hand – und konnte nicht mehr aufhören zu spielen. «Ich schrieb nur noch, spielte auf meiner Gitarre und sang.» Musik wurde zu ihrem Ventil. Das Schreiben zu ihrer Therapie. «Das war es wahrscheinlich schon immer.» Nur liess sie es jetzt erst zu.
Am liebsten verfasst sie ihre Geschichten und Gedichte klassisch mit Stift auf Papier. Sie schreibe immer und überall. Beweise sind in ihrer Wohnung dafür genügend zu finden. Überall an den Wänden hängen Textzeilen.
Alles passiert aus einem bestimmten Grund
Ihre Songs sind autobiografisch. «Ich spreche darin viel über meine Depression», gibt sie offen zu. In ihre Lieder fliessen eigene Erfahrungen und sie spricht Themen an, über die andere vielleicht nicht sprechen würden. «Die Kunst der Musik ist, dass man mit ihr alles sagen kann.» Dank der Musik habe sie ihre inneren Dämonen auf gesunde Art und Weise in den Griff bekommen.
Bereits hat sie auch die Schattenseiten des Musikbusiness zu spüren bekommen. «Viele wollen dich formen, in eine Schublade stecken und über dich bestimmen», erzählt sie. Das sei nicht das, was sie wolle. Sie hat die Dinge gerne in ihren eigenen Händen. So kümmert sie sich auch selber um ihre Homepage, die Social-Media-Kanäle oder das Booking. Im Musikgeschäft brauche man einen langen Atem. «Und ein dickes Fell.» Kritik soll man annehmen, aber nicht zu nahe an sich heranlassen. «Früher wäre ich daran zerbrochen, jetzt kann ich damit umgehen.» Alles passiere aus einem bestimmten Grund, ist inzwischen ihr Credo.
Bald mit Band unterwegs
Im UK hat sie sich bereits als Singer-Songwriterin einen Namen gemacht. Neben ihren Auftritten in der Schweiz und in Deutschland spielt sie viele Gigs in England. Mit der Veröffentlichung ihres Debütalbums ist eine Promo-Tour geplant. Und im Herbst soll es dann auf eine kleine Südamerika-Tour gehen. Dies habe sich durch die Londoner Kontakte ergeben. «Im Moment bin ich noch alleine mit meiner Gitarre auf der Bühne. Mit dem Album-Release wird es einen Wandel geben, dann bin ich mit Band unterwegs», erzählt sie freudig. So oft es geht, möchte sie auf Bühnen stehen, eine Bindung mit ihren Zuhörern schaffen und nach den Auftritten mit Leuten sprechen. «Wenn ich jemanden mit meiner Musik erreichen kann, ist das das beste Gefühl der Welt.»
Musik professionell zu machen, kostet viel Geld. «Extrem viel», betont Laura Andracchio, die ihr Linguistik-Studium dreisprachig absolvierte. Ihr war daher immer klar, dass sie ihren Job als Digital-Marketing-Managerin nicht aufgeben will und kann. Sie macht sich keine Illusionen, dass es schwer ist, in der Musikwelt Fuss zu fassen. «Berühmt werden ist nicht mein Ziel, aber es wäre natürlich schön, wenn ich komplett von der Musik leben könnte.» Doch vor allem möchte sie einfach weiterhin Songs schreiben und Musik machen. «Ich mache endlich das, was ich will.» Wenn man ihrer beruhigenden, teils rauen und einzigartigen Stimme zuhört, wird offensichtlich, dass sie es auch kann.