Bohrtürme im Freiamt
06.06.2023 BoswilBohrtürme – daraus wurde nichts
Liest man über Bohrungen nach Erdgas und Öl, denkt man nicht zuerst an die Schweiz, obwohl kleine Gasfunde nicht ungewöhnlich sind. In den 1950er-Jahren waren Fachleute der Meinung, dass Öl- und ...
Bohrtürme – daraus wurde nichts
Liest man über Bohrungen nach Erdgas und Öl, denkt man nicht zuerst an die Schweiz, obwohl kleine Gasfunde nicht ungewöhnlich sind. In den 1950er-Jahren waren Fachleute der Meinung, dass Öl- und Gasführungen und die Ausbeutung dieser fossilen Energieträger grundsätzlich auch in der Schweiz möglich seien. So plante und realisierte man auch im Freiamt, im Auftrag der Schweizerischen Erdölaktiengesellschaft (SEAG), seismische Untersuchungen und gezielte Bohrungen. Das belegen zahlreiche fotografische Trouvaillen, die Othmar Stöckli, Ehrenpräsident des Kulturvereins, vorzeigen kann. Diese Bohrungen in den Oberen Bergmatten in Boswil verliefen jedoch enttäuschend, weder Gas noch Öl konnten in abbauwürdigen Mengen gefunden werden. Zeitzeugen erinnern sich an diese Arbeiten im Jahr 1965. --rig
Ölbohrungen vor fast 60 Jahren: Wenn man in Boswil Öl gefunden hätte
Öl, auch das schwarze Gold genannt. Wer es hat, verspricht sich Reichtum. Auch im Freiamt gab es Testbohrungen, entlang der Reuss waren Untersuchungsstandorte vorgesehen. Konkrete Ölbohrungen gab es in den Oberen Bergmatten in Boswil.
Richard Gähwiler
Die USA, Saudi-Arabien und Russland sind die bedeutendsten Förderländer von Öl und Erdgas. Relikte aus dem letzten Jahrhundert zeigen, dass auch die Schweiz nichts unversucht liess, um abzuklären, ob diese fossilen Energieträger auch unter helvetischem Grund und Boden zu finden seien. Das zeigen auch fotografische Trouvaillen im Archiv des Kulturvereins Boswil, die Ehrenpräsident Othmar Stöckli mit Stolz präsentiert.
Im Auftrag der Schweizerischen Erdölaktiengesellschaft (SEAG) wurde im Herbst 1965 auch im Freiamt (in Boswil) nach Öl gebohrt. Ernüchterndes Fazit dann: keine wirtschaftlich nutzbaren Rohstoffvorkommen. Immerhin brachten die Resultate dieser Sondierbohrungen bis heute wertvolle Erkenntnisse zum geologischen Aufbau des Untergrundes, was in den letzten Jahren zur Realisierung von geeigneten Deponiestandorten sowie für die Nutzung von Erdwärme äusserst hilfreich war.
Tests in Tuggen und in Altishofen
Bereits in den 1910er-Jahren begann die Suche nach Erdöl in der Schweiz, sie wurde aber eher pessimistisch beurteilt. Aufgrund bemerkenswerter Ölfunde unweit der Schweizer Grenze und im Zusammenhang mit der Suezkrise von 1956 studierten Fachleute nochmals die Daten und Resultate der alten Bohrstandorte. Dies betraf zum Beispiel Arbeiten in der Westschweiz. Gemäss dem «Bulletin der Vereinigung Schweiz. Petroleum-Geologen und -Ingenieure, Vol. 22, Nr. 63, S. 1–18, 29.Februar 1956» sei die Wahl der Bohrorte damals eher ungeschickt oder die technische Durchführung mangelhaft erfolgt.
Dies gelte auch für Bohrungen in Tuggen am oberen Zürichsee und für diejenigen von Altishofen im Kanton Luzern, welche beide mit Rutenforschung (Wünschelrute) angesetzt wurden, ist im Bulletin nachzulesen.
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Trotzdem, es gab Grund zu Optimismus: Erdölspuren und zahlreiche Gasaustritte in der Grenzregion der Kantone Bern, Solothurn und Aargau oder die Asphaltlager im Val de Travers, wo bis 1986 riesige Mengen abgebaut wurden (ein Jahr später, im Juli 1987, wurde die Grube der Öffentlichkeit als Besucherbergwerk zugänglich gemacht).
Um die finanziellen Aufwendungen niedrig zu halten, untersuchte man die Beschaffenheit des Bodens mit einer Art Ultraschall-Analyse. Denn neben den geologisch-wissenschaftlichen Aspekten gab es immer auch die wirtschaftliche Seite. Beides konnte man im Jahr 1955 in einem Konsortium namhafter schweizerischer Wirtschaftsunternehmen mit dem Namen Schweizerische Erdöl AG (SEAG) zusammenbringen. Beteiligt in dieser Aktiengesellschaft waren unter anderen die Avia-Gruppe, Escher Wyss, Adolf Saurer, die Schweizerische Zementindustrie, die Chemische Industrie Basel und weitere Unternehmungen sowie einige Einzelmitglieder.
Zusammenarbeit mit ausländischem Unternehmen
Diesen rein schweizerischen Unternehmungen, welche die SEAG bildeten, fehlte das praktische Fachwissen für die Durchführung von Explorationsarbeiten. Eine Beteiligung einer ausländischen Erdölgesellschaft musste eingegangen werden. Mit der Gewerkschaft Elwerath Erdölwerke Hannover fand man einen Partner, der bereit war, im Konsortium als Teilhaber mitzuwirken. Elwerath plante das Vorgehen für die seismischen Untersuchungen und die weiteren Schürfarbeiten. Gestützt auf diese Daten wurden dann im Geologen-Team die effektiven Bohrstandorte für Tiefbohrungen vorgeschlagen und vom SEAG-Verwaltungsrat definitiv beschlossen.
Konzessionserteilung und Sondierungen an der Reuss
Auch im Aargau war man interessiert am «schwarzen Gold». Gemäss dem Protokoll 484 des Regierungsrates des Kantons Aargau vom 1. März 1957 hat dieser beschlossen, die vom Grossen Rat (am 27. März 1956) genehmigte Konzession für die Schürfung und Ausbeutung von Erdöl der SEAG zu erteilen.
Für April 1957 plante die SEAG seismische Untersuchungen, wozu die Mitglieder der Kantonsregierung zu einer Besichtigung eingeladen waren, sobald die Arbeiten richtig laufen würden (Protokoll 755, vom 30. März 1957). Vorgesehen waren Untersuchungsstandorte beidseits der Reuss, von Merenschwand, Rottenschwil, Jonen, Aristau, Bremgarten, Fischbach-Göslikon, Mellingen, Fislisbach bis Dättwil. «Verlaufen die Aufschlussarbeiten günstig, ist beabsichtigt, im Jahre 1958 die erste Tiefbohrung anzusetzen», ist im Protokoll 793 vom 30.März 1957 geschrieben. «Die Finanzdirektion hat die Gemeinden über das Vorhaben der SEAG orientiert und sie ersucht, die Arbeiten der Konzessionärin nach Möglichkeit zu erleichtern», so der weitere Auszug aus dem Protokoll.
Diese Sondierungsarbeiten entsprachen jedoch nicht den Erwartungen der Fachleute, sodass andere Regionen für effektive Tiefbohrungen gewählt wurden. Gebohrt wurde zum Beispiel in Küsnacht ZH, in Hermrigen BE und an mehreren Standorten im Thurgau und in der Westschweiz.
Gemeinsames Bohren unter der Swisspetrol
Neben der SEAG entstanden dadurch weitere, regionale Gesellschaften, die unter dem Dach der Swisspetrol Holding AG verwaltet wurden. Es war dann die Aktiengesellschaft für luzernisches Erdöl (LEAG), die 1963 in Pfaffnau mit der SEAG eine Gemeinschaftsbohrung startete. Aber wie schon vorher in Küsnacht ZH waren es auch in Pfaffnau enttäuschende Resultate – ein bisschen Gas, wenig Öl oder kleine Kohlenwasserstoff-haltige Abschnitte. Und auch in Hünenberg, wo während acht Monaten gebohrt wurde, fand man nur «Spuren» von Gas und Erdöl. Doch die Geologen waren weiterhin zuversichtlich, liessen sich nicht entmutigen. Sollte die nächste, die 10. Bohrung der Elwerath-Equipe, erfolgreich sein?
Die Wahl für die zehnte Aufschlussbohrung fiel tatsächlich auf Boswil. Rund 30 mit der Erdölbohrung vertraute Arbeiter der Gewerkschaft Elwerath Erdölwerke Hannover waren da am Werk. Zeitzeugen erinnern sich noch an diese Arbeiten im Jahr 1965. Das belegen zahlreiche fotografische Trouvaillen, die Othmar Stöckli, Ehrenpräsident des Kulturvereins Boswil, vorzeigen kann.
Fortsetzung rund um die Ölbohrungen in Boswil in einer nächsten Ausgabe von nächster Woche.