Höchst lebendiges Brauchtum
17.01.2023 Fahrwangen, Region UnterfreiamtMeitlisonntag in Fahrwangen und Meisterschwanden
In diesem Jahr konnten die beiden Gemeinden Fahrwangen und Meisterschwanden nach zwei Jahren Durststrecke ihre Tradition wieder in vollem Umfang pflegen. Und so wurde am «Meitlidonnschtig» mit dem Eintrommeln die ...
Meitlisonntag in Fahrwangen und Meisterschwanden
In diesem Jahr konnten die beiden Gemeinden Fahrwangen und Meisterschwanden nach zwei Jahren Durststrecke ihre Tradition wieder in vollem Umfang pflegen. Und so wurde am «Meitlidonnschtig» mit dem Eintrommeln die Übernahme der Regentschaft seitens der Frauen verkündet.
Die Frauen erschienen in ihren traditionellen schwarzen Roben und wünschten sich gegenseitig «einen schönen Meitlisonntig». Eine besondere Stimmung war spürbar. Priska Lauper, Co-Präsidentin der Meitlisonntag-Vereinigung Fahrwangen, hatte Sorge, dass nach zwei Jahren Corona nicht mehr viel läuft. «Wir kommen schliesslich nur einmal im Jahr zusammen», sagt sie.
Und dann die Überraschung: 88 Frauen kamen zur Generalversammlung. «Sensationell!», zeigt sie sich begeistert. An ihrer Versammlung besprachen die Frauen Traktanden wie das Protokoll der letzten Sitzung, einen Rückblick auf die vergangenen Jahre, Kasse und Revision und auch den Meitlisonntag des kommenden Jahres. Traditionell gehört gleich zu Beginn auch eine Schweigeminute zu Ehren verstorbener Gemeindemitglieder dazu.
Im Anschluss an die Versammlung brach das «Meitlisonntagfieber» aus. Angeführt durch eine Fahnenträgerin und eine Tambourinnengruppe zogen die Frauen, aufgeteilt in mehrere Gruppen pro Ort, in die Dörfer ein. Es begann der prägnanteste Teil der «Meitlizyt»: der «Männerfang». Jede Frauengruppe startete mit einem anderen, zuvor festgelegten Restaurant. Die Frauen offerierten den Männern Getränke, forderten sie zum Tanzen auf. Und sondierten so die Lage – respektive die infrage kommenden Männer. Dann berieten sie sich und trafen eine Auswahl.
Sichtbare Auszeichnung
Derweil stieg die Spannung. Denn für die Männer ist es eine Ehre, zu den Auserkorenen zu gehören. Häufig sind es Männer, die sich in besonderem Masse im Dorf verdient gemacht haben. Der Auserwählte wurde dann gebeten, sich in den sogenannten Grasbogen zu legen, ein grosses Hanfnetz, in welchem er mehrmals hochgeworfen und wieder aufgefangen wurde. Schliesslich trugen ihn die Frauen im Netz zur nächsten Beiz. Hier musste er seine Freiheit erkaufen, indem er den Frauen, die ihn getragen hatten, eine Runde spendierte. Als Zeichen seiner Ehrung wurde ihm eine Meitlisonntags-Plakette überreicht, die ihn für alle sichtbar auszeichnete.
Auch die beiden folgenden Tage der «Meitlizyt», der Samstag und der Sonntag, waren angefüllt mit feierlichen, fröhlichen und abwechslungsreichen Aktivitäten. Und natürlich mit viel Tanz bei ausschliesslicher Damenwahl. Beim sogenannten «Maskentreiben» suchten die Frauen und Meitli teilweise kostümiert und hübsch geschminkt gruppenweise die Lokale auf und sorgten für gute Stimmung. Beim sogenannten «Juxtreiben» wurde vorwiegend Aktuelles aus dem Dorfgeschehen aufs Korn genommen. In eigens kreierten Outfits wurden Lieder, Gedichte oder auch Tanzeinlagen zum Besten gegeben.
Auch für die Jungen ist gesorgt
Auch die Kinder kamen nicht zu kurz: In beiden Dörfern wurden Kinderbälle durchgeführt: bunte Veranstaltungen mit viel Spass und Unterhaltungswert für alle Beteiligten. Der Brauch des Meitlisonntags wurde den Kindern anhand einer Mitmach-Vorführung nahegebracht, die eine Gruppe Frauen, in ihre nostalgischen Roben gekleidet und mit dem Grasbogen ausgerüstet, durchführte. Auf diese Weise werden schon die Jüngsten an das Brauchtum herangeführt.
Nachwuchssorgen gibt es bei den Meitli allerdings nicht. Eine Mitgliedschaft ist ab dem Zeitpunkt des Schulabschlusses möglich – also zirka mit 16 Jahren. Es waren auch in diesem Jahr wieder viele junge Frauen dabei. Und auch zahlreiche Neuzuzügerinnen, die sich für den Brauch interessierten. Anders sieht dies bei den Trommlerinnen aus, die einen wesentlichen Anteil am Brauchtum haben. Hier wünscht man sich noch etwas Zuwachs. Historisch gesehen wurden Trommler seit dem Mittelalter für alle wichtigen Anlässe gebraucht und hatten im Heer eine wichtige Aufgabe für die Signalübermittlung inne. Die trommelnden Frauen gelten als kleine Attraktion. Frauen und Mädchen, die auch gerne trommeln lernen möchten, sind jederzeit herzlich willkommen und können sich bei Marion Nafzger melden. Geübt wird in der Regel wöchentlich und in geselliger Atmosphäre.
Lang anhaltende Verbindungen
Am Sonntagabend fand abschliessend die Zeremonie der Eierzopfverteilung statt – der Höhepunkt der Meitlizyt: Die Frauen geben den Männern ihrer Wahl ein Stück vom Eierzopf, einem riesigen runden Zopfbrot, und übergeben damit symbolisch die Regentschaft zurück an die Männer. «Dann gibt es genau eine Runde Tanz mit Männerwahl», so Priska Lauper. Damit endete dann die dreitägige «Weiberherrschaft».
Es scheint, dass in Zeiten, in denen Frauen noch immer um Gleichberechtigung kämpfen, obwohl Geschlechtergleichheit die Norm sein sollte, das Festhalten an einem Brauch wie dem Meitlisonntag eher einen Schritt in die falsche Richtung darstellt. «Nein!», sagt Priska Lauper ganz entschieden. «Die Frauen sehen den Brauch mit einem Augenzwinkern. Und die Männer geniessen im Gegenzug, dass mal sie es sind, die zum Tanz aufgefordert und umworben werden.»
Sie selbst komme ursprünglich nicht aus dem Ort, sei vor Jahren zugezogen. Bei ihrem Umzug nach Fahrwangen sei sie gleich mitgenommen worden. «Komm mit, schau es dir selbst an!», wurde sie von den anderen Frauen aufgefordert. «Es entsteht ein lang anhaltendes Gemeinschaftsgefühl, eine Verbindung zu den Menschen aus dem Ort und auch zu jenen, die als Gast dabei sind», sagte Priska Lauper. Das Brauchtum sei ihr eine Herzensangelegenheit.
Schlussendlich ist es eine Tradition, die bewahrt wird. Und die schützenswert ist. So sieht es auch das Bundesamt für Kultur. Der Brauch wurde in die kantonale Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen, eine Sammlung lebendiger Schweizer Traditionen, die als schutzwürdig erachtet werden. Mit dieser Liste soll das Bewusstsein für kulturelles Brauchtum und dessen Vermittlung gefördert werden.
Nächstes Jahr wieder mit Umzug
Die nächsten Meitlitage werden am 11., 13. und 14. Januar 2024 stattfinden. Dann wird es auch wieder einen Umzug geben, der alle vier Jahre stattfindet. Geplant sind der Bau und die Gestaltung von fünf Umzugswagen je Gemeinde, insgesamt also zehn Wagen. Und auch ein Crash-Tanzkurs ist angedacht, in dem zumindest die Basics vermittelt werden sollen – um sicherzugehen, dass alle Teilnehmenden gut vorbereitet sind. Die beiden Meitlisonntag-Vereinigungen Fahrwangen und Meisterschwanden hoffen auf zahlreiche Gäste. --gvd